Schauspieler Friedrich Mücke: Jazzliebhaber und Stammgast in Münchens Unterfahrt – Gesellschaft

„Wie schön, du warst ja länger nicht mehr da“, begrüßt Wirt Thomas Gallmetzer den Schauspieler Friedrich Mücke. Man kennt sich, nicht zuletzt, weil Gallmetzer ebenso aus Südtirol stammt wie Mückes Frau, Barbara Romaner, die auch Schauspielerin ist. Wenn Mücke sich in der Unterfahrt, Münchens führendem, von der amerikanischen Jazz-Bibel „Downbeat“ unter die 100 besten der Welt gerechneten Jazzclub, mal länger nicht blicken lässt, liegt das allerdings nur daran, dass er wieder einmal zu gut im Geschäft ist.

So wie zuletzt. Gerade ist „Der Vierer“ mit ihm in einer der Hauptrollen im Kino angelaufen, die Fortsetzung von „Wunderschön“ ist schon fertig, ebenso wie ein weiteres Projekt, zu dem man noch nichts verraten darf. Vor Kurzem hat Mücke zudem mit einigen prominenten Kolleginnen und Kollegen ein Hörbuch mit Gedichten von Georg Trakl mit Musik aufgenommen und einmalig am Münchner Volkstheater aufgeführt. Just dem Haus, an dem der 43-Jährige 2007 seine Karriere startete, direkt nach Abschluss der Berliner Ernst-Busch-Schauspielschule. Seitdem lebt er auch in München.

Und das – selbst als Berliner – sehr gerne. Wobei die Institution des Jazzclub Unterfahrt sehr dabei hilft. Mücke ist zum leidenschaftlichen Besucher geworden, seit Jahren ist er auch Mitglied im hauseigenen Förderverein „Jazz und Malerei“. „Das ist für mich selbstverständlich. Es ist schon ein Wahnsinnsladen, mit dieser Nähe zu den Musikern und dem großartigen Programm. Das muss man unterstützen. Außerdem dachte ich mir, wenn ich das mache, gehe ich auch mehr schauen. Und das war auch so.“ Dadurch ist die Unterfahrt zur vielleicht wichtigsten Brücke zu einer alten Liebe geworden: der Musik.

Bereits zu Berliner Schulzeiten spielte Mücke selbst in einer Band. „Wir hießen ‚Lensflare‘. Acht Leute, mit Bläsersatz, das war schon was, das hatte Kraft“, erzählt er. „Wir sind in kleinen Clubs aufgetreten und haben Schulwettbewerbe gewonnen. Ich habe ein Fender-Rhodes-Piano gespielt und versucht, einen warmen Sound zu kreieren. Es ist interessant, mein Input in die Band war eigentlich schon sehr jazzy. Immerhin: Das war meine Erstbegehung der Bühne, lange vor der Schauspielerei.“

Lust auf Musik hätte er schon gehabt. „Aber ich kannte die Realität, die war oft erschreckend.“

In der Unterfahrt Ende November merkt man schnell, dass Mücke sich hier auskennt, er bewegt sich auf sicherem Terrain und ist froh, dass in dem Club kein Aufsehen um ihn gemacht wird. Es geht ganz und gar nur um die Musik, nicht um sein prominentes Gesicht. Lässig nimmt er in seiner Trainingsjacke an einem Tisch Platz, um schon mal über das zu sprechen, was ihn an diesem Abend erwartet: Die Berliner Pianistin Julia Hülsmann spielt, seit zwanzig Jahren eine der herausragenden Figuren der deutschen Jazzszene, vielfach preisgekrönte ECM-Künstlerin. Mücke kennt zwar ihren Namen, hat sie aber noch nicht live gesehen.

Die Jazz-Kenner im Saal haben da aber keinen Vorsprung: Hülsmann ist mit einem brandneuen Projekt da, ihrem Damen-Trio „Last Chance To Misbehave“ mit den Sängerinnen Cansu Tanrıkulu und Mia Knop Jacobsen. Vor allem filigrane Vertonungen von Shakespeare bis Beaumont sind zu hören, die Verbindung von Lyrik, Literatur und Jazz ist seit jeher ein Steckenpferd von Hülsmann. Klar, dass das einen anzieht, der vor Kurzem noch Trakl vertont hat.

Stand denn bei Mücke selbst je zur Debatte, die Musik zum Beruf zu machen? „Lust hätte ich schon gehabt. Aber ich kannte auch die Realität, die war oft erschreckend.“ Beispielsweise bei seiner Schwester, die immer gesungen habe und bis heute davon lebt, hätte er beobachten können, wie und warum man Plattenverträge nicht bekommt, aber immer kurz davor steht. Und wie die Castingshows kamen mit ihren zwei Welten: den Kandidaten und den „richtigen“ Musiker. „Ich war damals nicht so weit und weise, um zu wissen, was ich tun muss, um überhaupt am Anfang einer Musikkarriere zu stehen. Und ich war auch nicht so gut.“

Zur Schauspielerei ging es dann allerdings auch nicht direkt. Mücke absolvierte zunächst eine Ausbildung als Erzieher, das sei für ihn seit einem Schulpraktikum in der neunten Klasse ganz klar gewesen. „Da hatte ich Bock drauf. Außerdem haben meine Eltern gemeint, dass ich etwas haben sollte, für den Fall, dass es mit der Schauspielerei nichts wird. Und wenn es jetzt tatsächlich irgendwann keine Arbeit mehr für mich geben würde – was sehr schade wäre –, würde ich das auch sofort wieder machen. Gefragt wäre ich als Erzieher ja mehr denn je.“

Aus der Schauspielerei ist dann aber doch etwas geworden. „Es lag irgendwie da“, erinnert sich Mücke. „Man probiert einiges aus, wird an einer Schule genommen, dann geht es seinen Gang.“ Direkt nach dem Studium holte ihn Intendant Christian Stückl ans Münchner Volkstheater. Bis 2011 war er Teil des Ensembles, spielte im „Hamlet“, in Juli Zehs „Schilf“, in „Ein Volksfeind“. Eine prägende Zeit. In die dann auch sein Durchbruch vor der Kamera fiel, 2009 in Markus Gollers Spielfilm „Friendship!“, an der Seite seines Freundes Matthias Schweighöfer. Für die Rolle des Veit bekam er den Bayerischen Filmpreis als „Bester Nachwuchsschauspieler“. Seither ist Mücke eines der gefragtesten und beliebtesten Gesichter auf dem Bildschirm wie auf der Leinwand. In Filmen wie „Russendisko“, „Ludwig II.“, „SMS für dich“, aber auch „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ und Serien wie „Weinberg“. Sogar „Tatort“-Kommissar war Mücke schon, doch nahm er sich zusammen mit Kollegin Alina Levshin die Freiheit, nach zwei Erfurt-Folgen wieder auszusteigen. Rolle und Script passten einfach nicht.

Von der Verbindung zwischen Münchner Volkstheater, an dem seine Karriere begann, und Unterfahrt hat Friedrich Mücke spät erfahren: Der Intendant des Theaters und der Chef der Bühne sind Brüder. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Der Musik aber blieb Mücke immer verbunden. Für die Rolle eines verschlossenen, toughen Ermittlers bereitete er sich beispielsweise für die jeweiligen emotionalen Zustände mit Musik-Tracks vor. „Was ich ja nicht erfunden habe“, wie Mücke sagt. „Ich habe den Eindruck, dass das ganz viele Schauspieler machen.“Das sei schließlich naheliegend, Musik habe eben die Kraft, Emotionen zu wecken.

Dass das Live-Erlebnis für einen vom Theater kommenden Schauspieler einen hohen Stellenwert hat, ist dabei nur logisch. „Konzerte waren für mich immer schon wichtig, seit ich 15 war“, erklärt Mücke. Bereits als Teenager habe er schon früh einen ausgefallenen Geschmack gehabt, Alternative, Indie-Pop, Fusion. „Beim House hat mich dann der Acid Jazz total abgeholt.“ Und so ging es mit den Jahren immer weiter Richtung Jazz. Wegen der herausragenden Musiker. „Aber auch, weil ich eigentlich ungern für Konzerte in Hallen gehe, das mache ich nur bei den ganz großen Leuten. Ich mag es lieber gemütlicher und nischiger.“

Über den Nischencharakter seiner Leidenschaft ist er sich durchaus bewusst. „Es ist schon merkwürdig mit dem Jazz. Ich finde nur schwer Leute, die mit mir hier in die Unterfahrt kommen. Und wenn, dann habe ich noch keinen dauerhaft zum Jazz gebracht. Dabei ist das doch aktuell die frischeste, jüngste und spannendste Musik. Ich habe hier bereits Sachen gehört, bei denen es bei mir richtig abgeht in der Birne und die ich nirgendwo anders finde.“ Der Jazz sei wahrscheinlich die einzige Musikrichtung, die er sozusagen für sich allein habe.

Vielleicht ist er auch deshalb erst relativ spät auf die Unterfahrt gestoßen, nach seiner Zeit am Volkstheater, als er herausgefunden hatte, dass es diese Stückl-Verbindung gibt: Intendant Christian Stückl ist der Bruder des Unterfahrt-Chefs Michael Stückl. Mit dem heutigen Konzert ist Friedrich Mücke zufrieden, wieder was Neues erlebt, gelernt, aufgesogen. Und eins steht fest: Er wird bald wiederkommen.

Keine Leidenschaft ohne Utensilien! Diese drei Gegenstände braucht Friedrich Mücke für seinen Besuch im Jazzclub:

Der Ausweis

(Foto: Oliver Hochkeppel)

„Früher gab es diese alten eingeschweißten Ausweise. Hätte ich gern gehabt, aber ich bekam die moderne Karte. Praktisch, aber ohne Seele. Am Ende ist das natürlich egal: Es geht ja darum, Jazzmusik live zu hören, immer wieder.“

Das Chili con Carne

(Foto: Oliver Hochkeppel)

„Ich esse auch ganz gerne etwas aus der Unterfahrt-Küche. Die ist einfach, aber gut. Zum Bier nehme ich oft das Chili con Carne, das finde ich besonders lecker.“

Die Trainingsjacke

(Foto: Oliver Hochkeppel)

„Ich komme gerne etwas früher und sitze noch etwas herum. Deshalb habe ich auch gerne sehr lockere Klamotten an. Meine Lieblingsjacke für den Jazzclub ist meine schwarze Adidas Firebird.“

Musikinstrumente bewundern mit David Garrett, auf Pferde wetten mit Christine Westermann, Schafkopfen mit Alexander Herrmann: Weitere Folgen von „Meine Leidenschaft“ finden Sie hier.