
Die erste Woche im Camp der mittelguten Hoffnung ist vorüber und einige der in realityerprobten, sachkundigen Fankreisen vorab gehegten Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Andere nicht. Und viele unverhoffte Fremdscham-Elemente sind unverhofft plötzlich hinzugekommen. Oder hätten Sie gewusst, dass in Jürgen Hingsen ein verkappter Kunstlehrer mit Hang zu sadistischer Schutzbefohlenen-Demütigung schlummert? Oder dass Jörg Dahlmann Angst davor hat, schwul zu wirken? Oder dass Edith Stehfest sich für Beyoncé hält, aber stimmvoluminös und rhythmisch ungefähr auf dem Level eines defekten Feuermelders liegt?
Eine lieb gewonnene Traditions-Charaktermisere ist jedoch stabil geblieben und lässt wohlige Erinnerungen an literarische Glanzzeiten wie Sommerhaus der Stars oder Kampf der Realitystars aufleben. Sam Dylan bleibt der Markus Lanz der Zotenschüttler. So nennt man in der Boulevard-Abteilung der Investigativ-Journaille die Reporter, die ihren Gesprächspartnern so lange mit höchst intimen und provokant gestellten Detailfragen auf die Nerven gehen, bis sie entweder ansatzlos verprügelt werden oder ihrem Gegenüber ein vertrauliches Detail entlocken können, das sie fortan jederzeit gegen ihn verwenden könnten. Man kann das menschlich durchaus in die Kategorie „Jay Kahn und Indira Weiss täuschen eine Romanze vor“ einsortieren. Mutig ist es trotzdem. Immerhin hatte Sam Dylan ob seiner Hinterzimmerzündeleien und infiltrierenden Bloßstellungs-Fragen bereits 2020 beim grimmepreisverdächtigen Showevent „Promiboxen“ anständig die so genannte Fresse poliert bekommen.
Sam Dylan wagt den Frontalangriff
Er bleibt seinem größten Talent aber dessen ungeachtet auch in seinem größten TV-Format konsequent treu. An Tag sieben erwischt es zum Auftakt erstmal Regenbogenhasser Jörg Dahlmann. Ihn befragt der Ekelprüfungs-Rekordanwärter Dylan zunächst weitestgehend unspektakulär nach seiner beruflichen Historie, nicht ohne dabei zu offenbaren, dass an Fußball etwa so viel Interesse hat, wie Olaf Scholz an Erinnerungen im Bereich CumEx: „Wie lange war denn deine Karriere als Fußball-Sprecher?“ Die Antwort (mehr als 40 Jahre seit 1983) interessiert ihn aber schon nicht mehr. Er wollte Dahlmann nur warmfragen für seinen Frontalangriff auf den wundesten Punkt in dessen ohnehin nicht fleckenloser Bilderbuchkarriere: „Hattest du nicht mal Stress mit Sophia Thomalla?“
Man merkt: Dylan hat seine Hausaufgaben gemacht und vor dem Abflug nach Australien umfangreiche Google-Dossiers aller Mitcamper angelegt. Er weiß daher genau, dass Jörg keinen „Stress“ mit Sophia Thomalla hatte. Stress hatte er am Vortag mit Nina Bott, weil sie ihn für schwul hielt und er sich in seiner haargefärbten Y-Chromosom-Ehre aus den Fünfzigerjahren gekränkt fühlte. Jörgs beischlaforientierte Sehnsucht nach Sophia Thomalla, die er lasziv witzelnd live über den so genannten Äther hatte kundtun müssen, war einer der Hauptgründe dafür, dass er ungeplant und unehrenhaft seinen Job verlor.

Im Prinzip ist Jörg Dahlmann überhaupt nur Teil des Dschungelcamp-Selbstoffenbarungs-Retreats wegen Sophia Thomalla. Entsprechend zaghaft gibt er Auskunft auf Sams Fallstrick-Fragerunde: „Wegen Sophia Thomalla bin ich rausgeflogen!“ Anschließend gibt es noch ein wenig selbstmitleidiges Geplänkel und die Versicherung von Maurice Dziwak, dass Sky mit der Entlassung von Jörg einen bestialisch gemeinen Fehler begangen hat. Nebst Jörgs Beteuerung, Sophia Thomalla hätte sich hernach sogar selbst bei ihm gemeldet und ihm zehn Bier als Kompensation versprochen.
Essen diesmal bitte ohne Haare
Glücklicherweise kocht jedoch nicht nur das Kleinhirn von Maurice ob der Ungerechtigkeit der Welt, sondern die Gruppe auch ihr Abendessen. Nachdem am Vorabend der nach fünf Tagen Nulldiät erstmals prallgefüllte Gabentisch durch ein episches Kochfiasko von Edith Stehfest zu einer kulinarischen Arschbombe in einen leeren Pool wurde, ermahnen sich die leidgeprüften D-Promi-Diättester gegenseitig, heute mal etwas aufmerksamer den Kochlöffel zu schwingen. Uwe Ochsenknechts Beinahe-Schwiegertochter Yeliz Koc etwa regt an: „Heute mal etwas weniger hektisch!“ Übrigens auch der Satz, den Nico Kovac seiner neuen Dortmunder Abwehrreihe in den kommenden Monaten am häufigsten sagen wird. Dahlmann-Thomalla-Experte Sam Dylan ergänzt: „Und etwas hygienischer, ohne Haare und so!“ Das muss ja ein wirklich interessantes Kochmanöver gewesen sein, das Edith da zelebriert hatte. Andererseits: Warum sollte sie ausgerechnet beim Kochen in einem Dschungel ein Haarnetz tragen, wo dir ohnehin jederzeit von überall Spinnen, Feuerameisen, Vogelkot, Skorpione oder Dr. Bob in die Suppe havarieren können.

Alessia Herren hat ebenfalls einen Vorschlag: „Wir wollen mit Amore kochen!“ Der stets hungrige, aber oftmals leider auch recht selektiv denkende Langleitungsstehaufmännchen Maurice schaut sie dabei an, als wolle er sagen: „Wer dieser Amore und warum habe ich mit ihm hier noch kein einziges Wort gewechselt?“ Alessia Herren möchte mit Liebe kochen. Eventuell liebt sie Essen sogar fast so sehr wie Supermärkte. Immerhin hatte sie neulich ja bereits enthüllt, dass sie als Anschlussverwendung zum Dschungelcamp nicht auf ein Engagement bei „Promis unter Palmen“ oder „Kampf der Realitystars“ hofft, sondern auf ein geregeltes Einkommen bei Aldi an der Kasse. Wobei sich bei ihren Auftritten in den Dschungelprüfungen ziemlich klar zeigt: Sie hat Angst vor Schlangen. Und wie wir aus einschlägigen Dokus wissen: Die bilden sich gemeinhin besonders gerne vor Kassen.
Der Wunsch nach weniger Hektik und mehr Harmonie beim Kochprozess bleibt anschließend trotz minutenlangen Vorab-Briefings unerfüllt. Edith Stehfest reißt das Pfannenruder abermals ungefragt an sich und klärt über verschiedene Sachverhalte auf, die der Restcampergemeinde bislang unbekannt waren: Man darf Rippchen nicht zerschneiden. Dann brät man sie scharf an (ohne Deckel) und lässt sie anschließend garen (mit Deckel). Diese Küchenfeldwebel-Attitüde von Edith ruft bei Nina Bott Unbehagen hervor: „Du tust so, als hätten alle anderen null Ahnung. Aber du kennst uns gar nicht! Ich habe schon drei Kochbücher rausgebracht! Wir sind doch keine Vollidioten!“ Wieder schaut Maurice etwas derangiert. Vielleicht fragt er sich, warum Nina Bott Bücher kocht. Zum Glück ist Jürgen Hingsen nicht in der Nähe. Der hätte Nina und Edith erstmal gefragt, ob sie überhaupt Paul Bocuse, Alain Ducasse, Joël Robuchon und Wolfgang Puck kennen.
Immerhin: zehn Sterne für Sam und Edith
Derartig frisch gestärkt ist es keine große Überraschung, dass sich Sam und Edith voller Zuversicht auf den Weg zur Dschungelprüfung machen. Die weicht aber umgehend dem blanken Entsetzen, vor allem bei Sam. Edith verwickelt ihn ansatzlos in eine Diskussion über Kirche, Religion und Kriege. Sam ist bereits auf halbem Weg derartig bedient, wünscht sich schon nach 60 Sekunden, „dass lieber Lilly hier wäre“. Im Prüfungsrahmen reißen sich beide jedoch zusammen und holen zehn Sterne, obwohl Sam „Kurzschwimmen“ und „Purzelbaum“ für olympische Sportarten, „Kurta Kozalis“ für einen IBES-Gewinner und „Süßkartoffeln“ für Obst hält. Ob sich das Team darüber freut, bleibt abzuwarten. Hunger ist ein starkes Gefühl, aber sich noch mal von Edith Stehfest erklären zu lassen, warum man Rippchen vor dem Anbraten nicht zerschneiden darf, führt üblicherweise zu erheblichen Verlusten im IQ-Sektor.
Kurz vor der Bekanntgabe der morgigen Prüfungskandidaten muss noch schnell der vertraglich vorgeschriebene Cochonnerie-Anteil erfüllt werden. Am Lagerfeuer bildet sich daher ein nacktphilosophischer Debattierclub, der über „Playboy“ und textilfreies Baden philosophiert. Jürgen und Pierre Sanoussi-Bliss baden täglich unterhosenlos im Dschungelteich, während Yeliz, Anna-Carina Woitschack und Nina Bott ihre „Playboy“-Auftritte beichten. Lilly Becker gesteht nebenbei, dass sie schon oft gefragt wurde und inzwischen bereit wäre, mitzumachen, sofern „untenrum nicht so viel zu sehen ist!“ Wobei im Dschungelcamp normalerweise obenrum nicht viel zu sehen ist. Insofern eine willkommene Abwechslung.
Wenig Chancen auf einen lukrativen Cover-Job im „Playboy“ hat Prüfungsdauergast Sam. Und auch heute entscheiden die Zuschauer sich abermals für Sam Dylan als Prüfungskandidat. Er ist damit bislang in jeder Prüfung dabei gewesen, kommt auf insgesamt zehn Einsätze im kalorisch relevanten Sternesammeln und Dr. Bob überlegt inzwischen vermutlich, ob es nicht einfacher wäre, Sam zu adoptieren. Wie er sich in seiner Einzelprüfung macht und endlich auch mal als Single-Prüfling zählbare Sterne mit ins Camp bringt, das verrate ich genau hier morgen. Bis dann!