
Die Basketball-Bundesliga verliert weiter ihre besten jungen Spieler an die US-Colleges. Die Liga steht vor einer Zerreißprobe.
Alan Ibrahimagic ist einer der Protagonisten der aktuellen Erfolgs-Ära im deutschen Basketball. Bei der EM vertrat Ibrahimagic als Assistenzcoach den erkrankten Bundestrainer Alex Mumbru und führte das DBB-Team zum Titel.
Erst wenige Wochen vor dem Triumph von Riga hatte Ibrahimagic, seit Jahren beim DBB als Coach für den Nachwuchs verantwortlich, mit den U19-Junioren bei der WM das Endspiel erreicht, dort mussten sie sich den USA geschlagen geben. Ein Jahr zuvor hatte Ibrahimagic mit den U18-Junioren den Europameister-Titel gewonnen. Mit dem größtenteils identischen Kader, angeführt von Spielmacher Christian Anderson.
BBL verliert immer mehr Talente
Der 19-Jährige, der im Sommer auch bei der A-Nationalmannschaft sein Debüt gab, ist eins jener Talente, die für eine verheißungsvolle Zukunft des deutschen Basketballs stehen. Aber auch für ein Problem, das die Basketball-Bundesliga (BBL) vor dem Saisonstart mehr denn je umtreibt: Denn viele der deutschen Talente sind inzwischen nicht mehr in der BBL aktiv, sondern in den USA, am College. Der Supreme Court hatte im Jahr 2021 eine wegweisende Entscheidung gefällt: Das höchste US-Gericht erlaubte es College-Spielern, die zuvor an einen strikten Amateurstatus gebunden waren, ihre Persönlichkeitsrechte selbst zu vermarkten und sogenannte „NIL-Deals“ („Name, Image, Likeness“) abzuschließen.
Collegestar Cooper Flagg – 28 Millionen Dollar mit NIL-Einnahmen
Seitdem ist deutlich mehr Geld im US-System. Die großen College-Programme, die bisher zumindest offiziell in erster Linie Teil einer Hochschulausbildung waren, agieren nun mehr und mehr wie echte Profiteams: Sie schließen Verträge mit kürzeren Laufzeiten, zahlen Ablösesummen für Top-Talente. Den Spielern wiederum bringt die Chance, sich im äußerst populären College-Sport selbst zu vermarkten, schnell Einnahmen im sechsstelligen Bereich, oder sogar noch darüber hinaus: Cooper Flagg, Top-Pick im vergangenen Draft, soll nach US-Medienberichten in seinem letzten Jahr am College 28 Millionen Dollar nur mit NIL-Vermarktung kassiert haben.
Fru, Steinbach, Kharchenkov – „Exodus“ an Talenten in der BBL
Das Versprechen auf Dollar-Millionen lockt auch immer mehr deutsche Talente, die in der BBL eher Gehälter im fünfstelligen Bereich bekommen, in die US-Collegeliga. BBL-Geschäftsführer Stefan Holz spricht schon von einem „echten Exodus“ an Talenten, der offenbar ungebremst weitergeht: Mit Sananda Fru (Braunschweig), Hannes Steinbach (Würzburg) und Johann Grünloh (Vechta) sind die drei besten U22-Spieler der vergangenen BBL-Saison allesamt an ein US-College gewechselt. Alba Berlin musste mit Amon Dörries (künftig Bucknell University) und Elias Rapieque (Kansas State) gleich zwei Top-Talente ziehen lassen. Auch der Branchenprimus FC Bayern konnte seinen U18-Europameister Ivan Kharchenkov nicht halten.
Vom FC Bayern ans College – Ivan Kharchenkov
Einige Klub-Verantwortliche sehen bereits eine Zerreißprobe auf die Bundesliga zukommen. Die zahlreichen Abgänge deutscher Talente könnten dazu führen, dass die 6-plus-6-Quote unter Druck geraten könnte, so die Befürchtung von Liga-Chef Holz im Magazin BIG. Die Regel, wonach sechs von zwölf Spielern im Kader einen deutschen Pass haben müssen, hatte auch Europameister-Coach Ibrahimagic zuletzt als Grundlage für die aktuellen Erfolge des Nationalteams genannt. Wenn die BBL-Klubs jedoch die besten deutschen Spieler aus den eigenen Nachwuchsprogrammen verlieren, könnte es künftig immer schwerer werden, die Quote zu erfüllen.
Klubs setzen auf Kooperation – und hoffen auf FIBA-Regulierung
Wirtschaftlich fehlen den BBL-Klubs die Mittel, um die Abwanderung ihrer Talente zu stoppen. Klubs wie Alba Berlin und Rasta Vechta setzen deshalb auf Kooperation, sie beraten und unterstützen die Spieler, etwa bei der Auswahl eines guten College-Programms. Auch in der Hoffnung, dass sie im Gegenzug an den satten US-Einnahmen partizipieren, als eine Art Ausbildungsentschädigung.
Der litauische Topklub Zalgiris Kaunas fährt die Strategie, mit Spielern, die ans US-College wechseln, anteilige Provisionszahlungen zu vereinbaren sowie ein Vorzugsrecht bei künftigen Verhandlungen, sollten sie irgendwann wieder zurück nach Europa wechseln. In der Bundesliga plant Würzburg laut einem BIG-Bericht, Ablösevereinbarungen für Wechsel ans College in die Verträge aufzunehmen.
Rechtlich bindend sind diese Auflagen für die Collegeliga NCAA allerdings nicht. Marco Baldi, Geschäftsführer von Alba Berlin, sieht deshalb den Basketball-Weltverband FIBA in der Pflicht. „Die NCAA und die Colleges agieren außerhalb des FIBA-Kosmos. Wenn einer unserer Spieler ans College wechseln möchte, dann braucht er dafür noch nicht einmal eine Freigabe von der FIBA.“ Es brauche eine Regelung, bei dem die Klubs, die in Nachwuchsarbeit investieren, partizipieren. Dieses System müsse auch die US-Colleges einschließen, so Baldi: „Sonst ist es komplett wilder Westen.“