
Im Volkswagen -Werk in Zwickau ist die Angst der Belegschaft fast mit Händen zu greifen. „Dem Leuchtturm der Elektromobilität geht das Licht aus“, so steht es auf einem Plakat, das in einer der Montagehallen prangt – gut sichtbar für die Landes- und Bundespolitiker, die am Montag das Werk besucht haben. Einst war Zwickau die Vorzeigefabrik der Elektromobilität; das erste Autowerk, das ganz auf Batteriefahrzeuge umgestellt wurde. Doch seit Monaten ist die Auslastung zu niedrig, und vergangene Woche hatte der Standort Zwickau das ganze Ausmaß der Misere sichtbar gemacht: Mangels Nachfrage standen die Bänder still.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat nun bei einem Besuch mit Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) versucht, den mehr als 8000 Beschäftigten Mut zu machen. „Der Freistaat Sachsen ist in engem Austausch mit Volkswagen“. sagte Kretschmer: „Das ist nicht immer konfliktfrei, aber wir haben ein gemeinsames Interesse. Wir wollen den Standort erhalten.“
„Ich habe als Umweltminister zwei Ziele: Erstens gut bezahlte Arbeitsplätze in der Industrie und zweitens klimafreundliche Autos“, sekundierte der Bundesumweltminister. „Deshalb muss dieses Werk weiterbestehen“, sagte Schneider, der in der Ampel-Koalition Ostbeauftragter der Bundesregierung war. Die beiden Politiker hatten am Montag Gespräche mit dem Management und den Arbeitnehmervertretern vor Ort geführt.
Anschließend traten sie für eine Stellungnahme in der Montagehalle auf, wo die Bänder nach dem Produktionsstopp gerade anliefen. Allein die Tatsache, dass nur wenige Monate nach der Einigung zwischen Volkswagen-Führung und Konzernbetriebsrat über den Erhalt aller Standorte in Deutschland schon wieder der Fortbestand eines Werks beschworen werden muss, zeigt, wie ernst die Lage ist.
Stellenabbau quer über alle Standorte
Vergangenes Jahr hatte das Management von Volkswagen (VW) gedroht, Werke in Deutschland zu schließen. Am Ende einigte man sich auf den Abbau von 35.000 Stellen quer über alle Standorte. Das Werk in Zwickau soll verkleinert, aber nicht ganz geschlossen werden. Doch die Marktrealität hatte zuletzt neue Zweifel an der Tragfähigkeit der Einigung geweckt. Die Nachfrage ist schwach und die Überkapazität in der ganzen Automobilbranche enorm. Ministerpräsident Kretschmer hatte sich erst vor wenigen Tagen in einem Schreiben an VW gewandt und Garantien für die Auslastung von Zwickau und für die künftige Nutzung des kleinen Standorts in Dresden gefordert. Bei der VW-Spitze war er damit allerdings abgeblitzt.
„Wir haben sehr intensiv gesprochen über die Marktsituation, über die Hausaufgaben, die wir als Hersteller machen müssen und wo uns die Politik weiterhin unterstützen kann“, sagte Thomas Edig, Geschäftsführer Personal und Organisation von VW Sachsen, am Montag nach dem Treffen. Konkrete Aussagen für die künftige Planung waren weiter kaum zu hören, auch weil im Konzern gerade erst die „Planungsrunde“ anläuft, das jährliche Ringen um Investitionen und Belegung der Werke mit bestimmten Modellen.
Als Erfolg kann der Standort immerhin verbuchen, dass zwei Kompaktmodelle länger im Werk bleiben sollen als geplant. Der ID.3 wird wohl nicht schon im kommenden Jahr nach Wolfsburg verlagert, der Cupra Born könnte sogar dauerhaft in Sachsen bleiben, verlautet aus Konzernkreisen. Auch die Produktion des Audi Q4 Etron scheint vorerst gesichert.

Das Modell ID.4 hingegen wird wie geplant bald ganz in Emden produziert. Die freiwerdende Kapazität soll auch genutzt werden, um Zwickau als Pionier für den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft zu positionieren. Doch mit dem Recycling von Fahrzeugteilen wären nur wenige Hundert neue Stellen verbunden. Für einen der ältesten Automobilstandorte in Deutschland sind das keine überzeugenden Zukunftsaussichten. Die Auslastung ist schon lange niedrig, im laufenden Jahr wird das auf eine Produktion von bis zu 360.000 Autos ausgelegte Werk nur etwas mehr als 200.000 Fahrzeuge bauen.
„Ich setze auf die Zusagen, die wir in den vergangenen Wochen hart erarbeitet haben“, ließ Kretschmer nun in der Halle wissen. Sachsen sei ein Land des Automobilbaus und die Menschen könnten sicher sein, dass das Werk in den nächsten Jahren Bestand haben werde. „Diese Zusage haben der Aufsichtsrat und der Vorstand gegeben und ich habe daran keine Zweifel.“ Die im Rahmen des Autogipfels in der vergangenen Woche vereinbarten neuen Kaufprämien für E-Autos seien eine Chance, doch die Konditionen müssten schnell geklärt werden, um nicht vorübergehend weitere Belastungen für die Branche zu verursachen. Schließlich würden Kunden die Füße stillhalten, bis Klarheit über die Förderung herrsche.
Der Autogipfel habe auch gezeigt, dass E-Mobilität eine große Rolle spielen werde, bis 2035 aber noch nicht einhundert Prozent erreichen könne, sagte Kretschmer, der sich neben der Förderung von Elektroautos auch für eine Verschiebung des faktischen Verbots von Neuwagen mit Verbrennungsmotor im stark macht. Denn auch das Automobilland Sachsen fährt nicht rein elektrisch. Im Motorenwerk von VW in Chemnitz, in dem jedes Jahr mehr als 700.000 Motoren für Verbrenner gebaut werden, arbeiten knapp 2000 Beschäftigte. Deren Situation wirkt fast schon paradox; wegen der hohen Nachfrage nach Verbrenner-Autos bauen sie viele Benzinmotoren. Aber für die künftige Rolle in der E-Mobilität haben sie noch keine richtige Perspektive.