Die Verlagsankündigung erinnert den westlichen Leser stark an Asterix: „Japan im Jahr 1576. Oda Nobunaga, der stärkste Feldherr seiner Zeit, strebt danach, ganz Japan unter seine Kontrolle zu bringen. Doch eine Region wagt er nicht anzurühren: Iga, das Land der Ninja.“
Das in Japan 2008 erschienene Buch von Ryō Wada spielt zur Zeit der streitenden Reiche im Ersten Tenshō-Iga-Krieg: 1579 griff Odas Sohn Nobukatsu als Herrscher über die Ise-Provinz die Iga-Provinz (beide liegen heute in der Präfektur Mie) als „verbotenes Land“ des Vaters ohne dessen Erlaubnis an: Die gebirgige, von rivalisierenden, doch bei Gefahr solidarischen Clans geprägte kleine Provinz Iga zählte gleichwohl 868 Burgen und Schlösser. Während aufseiten Ises Samurai agierten, bedienten sich die Clans von Iga der Ninja als Kämpfer.
Ninjas schleichen sich ins Herz ihrer Gegner
Der 1969 in Osaka geborene Drehbuchautor und Innovator des Historienromans Wada erzählt in „Land der Ninja“ eine alternative Geschichte. Er holt Japans legendäre Spione, Schwertkämpfer und Schattenkrieger aus dem Schatten der noblen Samurai. Wada recherchiert historisch korrekt, wenn er Bauernkleidung als Camouflage oder das dunkelblaue Gewand dem Hollywood-Klischee der schwarzen Kleidung gegenüberstellt. Das Buch vermischt gewitzt fiktive Figuren und historische Helden. Da wären das faule wie gefürchtete, aber seiner monetär orientierten Gefährtin Okuni hörige fiktive Ninja-Genie Mumon und sein historisch inspirierter Gegenspieler, der hochmoralische Meister-Bogenschütze Heki Daizen. Der Reiz und die Komik des Buchs entspringen ebenjenem Kontrast zwischen den niederen Instinkten der Auftragskiller und dem Ehrenkodex der Samurai.

In der Schlacht, in der Ise mit 10.000 Soldaten, die es gewohnt waren, auf offenem Feld zu kämpfen, etwa 3000 Iga-Kämpfern gegenübertrat, sollten Letztere siegen. Das Buch erklärt Feuerkunst und Guerillataktik, Sprungtechniken wie den „Aufschwung der wahren Lanze“ oder die „Sieben Arten der Verwandlung“ der Ninja. Expressiv schildert das Buch die Brutalität des Kriegs im Wechselspiel der Treueschwüre und Allianzen.
Es ist eine Welt der doppelten Böden, inszenierten Scharmützel, vorgeblichen Unterwerfungen, psychologischen Manipulationstechniken und Intrigen. Eine Ninja-Geheimwaffe war die Überwindung der „Torlosen Barriere“ (Mumon no Ikkan) als Einschleichen in das Herz eines Menschen: Wenn etwa der von seinen skrupellosen Landsleuten enttäuschte Ninja Heibee meinte, aus eigenen Stücken Iga zu verraten und Nobukatsu zum Angriff auf Iga zu drängen, dies aber vom siegessicheren Rat der zwölf Clans von Iga genau so antizipiert und eingefädelt und der Angriff somit provoziert wurde.
Ein realistisches Vater-Sohn-Psychogramm
Auch wenn die meisten Schriften zur Ninja-Kampfkunst erst in späteren Jahrhunderten entstanden, nähert sich der Historienroman unter Berufung auf verfügbare Quellen einem möglichen tatsächlichen Schlachtfeld an: Der Leser hat fern vom Drohnenzeitalter und atomaren Overkill helle Freude an den Finten, vom Himmel gepflückten Pfeilen, Wurfsternen oder „Röstschalengranaten“.
Das 2017 auch verfilmte Werk – Ryō Wada schrieb vor dem Buch das Drehbuch – überzeugt mit Hommagen an den Western, Karikierung des Ninja-Genres, Slapstick und schwarzem Humor: „Für den Kampf in den Bergen braucht man kurze Waffen. Merkt euch das fürs nächste Leben.“ Das „Land der Ninja“ würde in Unmoral und Antiheldentum versinken, wären da nicht die für das Kriegshandwerk „hinderlichen Gefühle“. Die Ninja-Schrift „Shōninki“ von 1681 warnt: „Lass niemals eine Frau in dein Herz, auch wenn du sieben Kinder mit ihr zeugst.“ Der Falschheit der Kriegslisten steht die wahre Liebe im Weg. Mumons Herzensbildung – die tugendhafte Tochter eines Samurai Okuni erwidert zuletzt aufrichtig seine Zuneigung – lässt ihn die Mechanismen kriegerischer Konfliktaustragung erkennen: Er fungiert dort als Befehlsempfänger, willfähriger Söldner, Schachfigur.
Neben fiktiven Liebeswirren in kriegerischen Zeiten zeichnet Wada auch ein realistisches Vater-Sohn-Psychogramm rund um Oda Nobunaga und seinen zwar kampfbegabten, als General aber inkompetenten und stets um Anerkennung heischenden Sohn. Erst im Zweiten Tenshō-Iga-Krieg 1581, diesmal von Oda Nobunaga höchstselbst angeführt, wobei Nobukatsu 10.000 Mann befehligte, fiel Iga, die in Nippons Folklore allgegenwärtige Herzkammer der Ninja und „japanisches gallisches Dorf“, durch eine groß angelegte Invasion mit etwa 40.000 Soldaten.
Ryō Wada: „Land der Ninja“. Roman. Aus dem Japanischen von Luise Steggewentz. Mahoroba Verlag, Taufkirchen 2025. 240 S., geb., 18 Euro.
