
Dass der Schrifttyp, den der Typograf Stanley Morison und der Zeichner Victor Lardent zu Beginn der 1930er-Jahre für die Times entwickelten, einmal Gegenstand eines erbitterten Kulturkampfes werden würde, hätten die beiden sich wohl nicht vorstellen können. Die Buchstaben, die Lardent nach Morisons Designvorgaben entwarf, sollten damals einfach im Druck besser lesbar und zugleich platzsparender sein als die dürre Schrift, die seit dem 19. Jahrhundert bei der Londoner Zeitung in Gebrauch gewesen war. Mittlerweile ist Times New Roman eine der weltweit meistgebrauchten Schriftarten überhaupt, nicht zuletzt in Textverarbeitungsprogrammen.
Nun aber ist Times New Roman eine Waffe im Anti-Wokeness-Feldzug der Trump-Regierung geworden: Der US-amerikanische Außenminister Marco Rubio hat sein Ministerium angewiesen, von der Schriftart Calibri zu Times New Roman als Standardschriftart für offizielle Dokumente zurückzukehren. Antony Blinken, Außenminister unter Joe Biden, hatte Anfang 2023 die Umstellung auf Calibri angeordnet.
Einige Experten hatten bemängelt, dass Serifenschriften wie Times New Roman für Leser mit Sehbehinderungen oder Legasthenie schwerer lesbar seien als serifenlose. Serifen nennt man die kleinen Striche oder „Füßchen“ an den Enden der Buchstaben. Besonders auf Bildschirmen oder in kleinerer Schriftgröße sei Calibri weniger „unruhig“ und besser entzifferbar. Insgesamt gilt Calibri als modern und wegen seiner abgerundeten Formen als besonders zugänglich, während Times New Roman eher eine gewisse formelle Eleganz besitzt. Während der letzten beiden Jahre der Regierungszeit Bidens ersetzte auf Blinkens Anweisung hin Calibri in 15-Punkt-Größe in offiziellen Dokumenten Times New Roman (das übrigens seinerseits 2004 das bis dahin übliche, schreibmaschinenartige Courier New verdrängt hatte).

In einem Memo vom 9. Dezember bezeichnet Rubio die Umstellung auf Calibri nun als „verschwenderische“ und „unnötige DEIA-Initiative“. DEIA steht für „Diversity, Equity, Inclusion and Accessibility“, also Vielfalt, Gleichheit, Inklusion und Barrierefreiheit. Calibri, so das Memo, sehe weniger professionell aus als Times New Roman und habe keinerlei messbare Verbesserungen in Bezug auf Inklusion gebracht. Die Rückkehr zu 14-Punkt-Times-New-Roman werde nicht nur „den äußeren Anstand wiederherstellen“, sondern sei zugleich auch eine Anpassung an die vom Weißen Haus und dem Supreme Court verwendeten Serifenschriften. Damit werde Präsident Donald Trumps „One Voice“-Richtlinie für eine einheitliche Kommunikation umgesetzt.
Diese Umkehrung ist keine punktuelle Veränderung, sondern Teil einer umfassenden Strategie der Trump-Regierung, die DEIA-Programme der Biden-Ära in allen Bundesbehörden abzubauen. Die „Equity Action Plans“, also Gleichstellungspläne der Vorgängerregierung sind seit der Wiederwahl Trumps als Ergebnisse „woker Symbolpolitik“ zurückgefahren und beendet worden. Das US-Außenministerium revidiert damit aber auch einen Schritt, den große Organisationen und Softwareanbieter bereits vor Jahren vollzogen. In Microsoft Office etwa ersetzte Calibri das bis dahin verwendete Times New Roman bereits im Jahr 2007 als Standardschrifttyp.
