
„Wenn Sie erwarten, dass ich in Tränen ausbreche, dann muss ich Sie enttäuschen“, sagte Thomas Gottschalk, bevor es losging mit seiner letzten Show im Fernsehen. Und er hielt Wort, aber war nahe dran. Und vielen Zuschauern dürfte es ähnlich gegangen sein, auch wenn es am Samstagabend zu Beginn von „Denn sie wissen nicht, was passiert“, nicht danach aussah.
„Spiel ohne Grenzen“ für Promis
Denn diese Show mit Gottschalk, Barbara Schöneberger und Günther Jauch ist dem Wesen nach eine „Spiel ohne Grenzen“-Wiederauflage mit Prominenten, die um der Unterhaltung willen unbeirrt in die Arena ziehen, gleich, welche Prüfungen auf sie warten. Und so war es auch am Samstag. „Die Ziehung der Lottozahlen“ mit „menschlichen Lostrommeln“ war ebenso im Angebot wie „Das große Raketensessel-Rennen“, das „Katzenretter“-Spiel, „Die menschliche Regenrinne“ oder „Günther Jauch singt und tanzt“, wogegen sich der Genannte vergebens zur Wehr setze, um nicht mit seinen Karaoke-Pantomimen zum Meme zu werden.
Thomas Gottschalk war im ersten Teil der Show, die inklusive Werbeblöcken (die darauf hindeuten, dass zu Weihnachten vor allem Düfte verschenkt werden sollen) knapp fünf Stunden dauerte, als Nebenfigur dabei, machte die eine oder andere launige Bemerkung, doch ersparte es ihm die Regie wohlweislich, bei den Freiübungen mitzumachen. Sein Abgang war vielmehr eingebettet in die Kindergeburtstagsbelustigung für Erwachsene. Und man möchte sagen, dass der Sender RTL, dessen Programm in allen Belangen ziemlich ins Hintertreffen geraten ist, diesen so würdevoll hinbekommen hat, wie die Umstände es zuließen.
Mit Häme waren die Spötter schnell zur Stelle
Die Umstände nämlich bedeuten, dass Thomas Gottschalk schwer erkrankt ist. Er durchläuft eine Krebsbehandlung, deren Nebenwirkungen ihn bei seinen letzten beiden Auftritten auf der Bühne – der Verleihung des „Bambi“- und des „Romy“-Preises –, schachmatt und der Häme kurzschlussgetakteter Spötter aussetzten, die nicht begriffen, was da gerade geschah.
Davon sprach inmitten der fünfstündigen Partysause Gottschalk mit seinem Kollegen und Freund Jauch. Er schilderte seine Krebserkrankung und seine Behandlung in Einzelheiten, die normalerweise ins Private gehören. Aber dem Großmeister der deutschen Fernsehunterhaltung der letzten fünfzig Jahre ist das nicht vergönnt. Er muss sich erklären, denn die Krankheit nimmt ihm seine Paradedisziplin – die schnelle Pointe, die auch mal danebengeht (was heutzutage für Empörungskaskaden sorgt), die spontane Reaktion, das Aus-dem-Ärmel-Schütteln, ohne das gute Unterhaltung nicht funktioniert.
Er sei für die Unterhaltung das gewesen, was Franz Beckenbauer für den deutschen Fußball gewesen sei, meinte Jauch und traf damit den Punkt. Er habe immer alles fürs Publikum gemacht, sagte Gottschalk und meinte, er habe den Eindruck, dass dieses hinter ihm stehe – die Reaktion im Studio unterstrich es. Und das, so Gottschalk, helfe. Was ihn charakterisiere, verdeutlichte sein Freund Jauch mit einer Anekdote, die davon handelte, dass die beiden irgendwann mit dem Auto übers Land fuhren, sehr langsam, und Gottschalk in irgendeinem kleinen Ort in der Tür eines Friseursalons eine weinende junge Frau erblickt, angehalten und sie getröstet habe. „In dem Moment ist mir klar geworden, warum Du das 50 Jahre lang gemacht hast“, sagte Jauch.

Das wäre das perfekte Schlusswort gewesen, in dem Augenblick, in dem Gottschalk sagte, er habe inzwischen begriffen, dass er doch nicht mehr alles im Griff habe und es Zeit sei, aufzuhören. Ihm habe imponiert, dass der große Sean Connery ihm für „Wetten, dass..?“ mit dem schlichten Satz abgesagt habe: „I am retired.“ In Rente gehe er jetzt auch. Er habe immer alles aus dem Ärmel gemacht, aber das gehe jetzt eben nicht mehr. „Wenn der Papst jünger ist als ich, ist es Zeit, zu gehen“, hatte Gottschalk früher schon gesagt, als der Moment, in dem es für ihn tatsächlich auf der Bühne nicht mehr weitergeht, noch nicht gekommen war.
Konfettiregen, eine Umarmung und ein Kuss seiner Frau, letzter Gang die Treppe hoch aus dem Studio, aber damit war die Show – sie muss immer weitergehen, wir wissen das –, selbstverständlich nicht vorbei. Mike Krüger, Gottschalks Kumpel seit Anbeginn, hatte seinen Gassenhauer „Mein Gott, Walther“ in „Mein Gott, Thomas“ umgetextet und sich dabei seniorenmäßig verhaspelt (im Netz sorgt das garantiert wieder für geistbefreite Häme), und bewiesen, dass er als Moderator genauso lange überziehen kann wie der König der ausgedehnten Sendezeit, und musste sich schließlich, beim großen Finale mit Schöneberger, Jauch, Jörg Pilawa und Giovanni Zarella setzen, weil das alles so lange dauerte.
Im vorletzten Spiel des Abends regte die Regie das Publikum im Studio zu einem rekordverdächtigen Massenküssen an, was Barbara Schöneberger, der Gottschalks Gabe für grenzwertige Einzeiler ebenfalls zu eigen ist, zu der Bemerkung veranlasste: „Wir sorgen dafür, dass Deutschland wieder enger zusammenrückt.“
Giovanni Zarrella schließlich band den zur Nonstop-Party ausufernden Abend erfreulicherweise mit dem Verweis darauf ab, dass es hier um die Verabschiedung einer Unterhaltungslegende ging und schließlich auch Barbara Schöneberger und Günther Jauch ihren letzten Auftritt bei „Denn sie wissen nicht, was passiert“ hatten. Sagte er und überließ gemeinsam mit seinen Teamkompagnon Jörg Pilawa im Finale den beiden anderen den Sieg. Das hätte schlechter ausgehen können.
