

Andreas Schicker verließ wortlos das Mainzer Stadion, Oliver Baumann trug eine kleine Torte durch die Katakomben. Doch so wirklich interessierte am eiskalten Freitagabend weder der bevorstehende Abschied des Hoffenheimer Sportchefs noch das 500. Bundesliga-Spiel des deutschen Fußball-Nationaltorhüters. Denn nach dem sportlich mäßig elektrisierenden 1:1 zwischen Mainz 05 und der TSG 1899 Hoffenheim sprachen alle nur über Dominik Kohr.
Der 31 Jahre alte Mainzer Defensivspieler sah in der 88. Minute nach einem heftigen Einsteigen gegen Max Moerstedt die Rote Karte – und avancierte mit dem neunten Platzverweis zum alleinigen Bundesliga-Rekordhalter. Kohr, der erst im September gegen den FC Augsburg vom Feld flog, übertraf damit Jens Nowotny und Luiz Gustavo, die in ihrer Karriere jeweils achtmal vorzeitig gehen mussten.
Henriksen kündigt Gespräch an
„Alle sagen, das war nicht klug. Ich muss mir die Szene ansehen und mit Dominik morgen sprechen. Wir müssen klug sein in solchen Situationen“, sagte der Mainzer Cheftrainer Bo Henriksen über Kohr. Für den Dänen bedeutet der erneute Aussetzer seines Schlüsselspielers: eine Schlussphase gegen eine starke TSG zu zehnt und wieder ein Ausfall, diesmal wahrscheinlich für mehr als ein Spiel.
Hoffenheims Trainer Christian Ilzer war von Kohrs Einsteigen gegen seinen Profi Max Moerstedt wenig begeistert. „Ich gieße jetzt nicht weiter Öl ins Feuer, aber es war eine glasklare Rote Karte. Moere hat seine Spuren, er ist sauber abgestempelt worden. Er hat es bis auf einen Bluterguss gut überstanden“, berichtete Ilzer, der zuvor bei Sky sagte, er habe schon „lange kein so hartes Foul mehr gesehen“.
„Sehr, sehr übel“
Im Abstiegskampf müssen die Mainzer nun ohne ihren Defensivspieler auskommen. „Das wird Dome am meisten frusten, dass er zugucken muss. Uns natürlich auch. Er ist niemand, der so was mit Absicht macht“, sagte Sportdirektor Niko Bungert. Die Mainzer Spieler und Verantwortlichen waren sich einig, dass Kohr (Spitzname „Hard-Kohr») nicht böswillig spiele – mindestens unglücklich ist die Häufung der Platzverweise aber schon.
Sportlich hatten sich die 05er gegen Hoffenheim dank Joker Danny da Costa ein 1:1 erkämpft. Verteidiger Andreas Hanche-Olsen war zuvor ein Eigentor unterlaufen. Da Costa urteilte, Kohrs Treffer bei dem Foul sei „sehr, sehr übel“ gewesen. Der Torschütze verteidigte seinen langjährigen Mitspieler aber gegen Kritik und erklärte, dieser spiele zwar aggressiv, aber nicht per se unsportlich.
Ilzer: „Bin nicht Außenminister“
In Hoffenheim sind Rotsünder und leichtfertig verschenkte Spiele weniger das Thema – sondern der Wirbel im Umfeld. Die Geschäftsführer Markus Schütz und Frank Briel wurden zuletzt im Machtkampf um Mäzen Dietmar Hopp geschasst. Zudem trat der Vereinsvorsitzende Jörg Albrecht ab.
Sportchef Schicker steht zudem nach Medienberichten vor einem Wechsel zum derzeit weit weniger erfolgreicheren Ligarivalen VfL Wolfsburg. Dazu äußern wollte er sich bei Minusgraden in Mainz nicht. Das musste dafür – zum wiederholten Male – sein Trainer Ilzer tun.
„Ich bin nicht an die Person Andreas Schicker gebunden, obwohl uns eine sehr gute Freundschaft verbindet. Ich bin an die Leistungen, die Andreas Schicker seit Jahren bringt, gebunden“, sagte der Österreicher. Falls sein Landsmann gehe, erwarte er, dass sich die Rahmenbedingungen weiter verbesserten. Ilzer stellte klar, dass er „nicht Außenminister, sondern Trainer“ der TSG sei.
