rororo wird 75 Jahre alt: Taschenbuch für Deutschland!

Vor Jahren erzählte ein Freund, in seiner Bibliothek stünden nur gebundene Bücher oder solche, die man heute „gebunden“ nennt, obwohl sie oft nur noch lausig geleimt, geklebt und zusammen­gepappt sind. Der Freund, anders gesagt, duldet im Regal ausschließlich das, was im Englischen hardback, hardcover oder im Branchenjargon HC heißt – im Gegensatz zum TB oder Taschenbuch –, und wer ihm ein Buch schenken will, muss ihm ein HC schenken.

Andererseits soll aber genau davon, dem Taschenbuch, jetzt die Rede sein, nämlich von seinem Erfinder in Deutschland. Er hieß Heinrich Maria Ledig-Rowohlt. Vor genau 75 Jahren kamen die ersten Exemplare von „Rowohlts Rotationsromanen“ auf den Markt, kurz: rororo. Das Geniale des Markennamens fällt sofort ins Auge, noch genialer aber war die Idee.

Der junge Verleger Ledig-Rowohlt hatte in Amerika kleine Paperbacks gesehen und sich gedacht, das könnte doch etwas für das verwüstete, kulturell ausgezehrte Nachkriegsdeutschland sein. Erst hatte er es sogar mit Büchern im Zeitungsformat versucht, die er in einer Auflage von 100.000 Stück für je 50 Reichspfennig unter die Leute warf, aber so viel Vergänglichkeit wollten die Leser dann doch nicht, davon hatten sie genug.

Die Revolution war „halbleinenflexibel“

Das Taschenbuch als solches betrat die deutsche Kulturlandschaft am 17. Juni 1950 mit Hans Fallada, Graham Greene, Rudyard Kipling und Kurt Tucholskys „Schloss Gripsholm“. Es kostete 1,50 DM, es mussten auch keine Romane sein. Die Bücher waren leicht (Löschpapier wiegt kaum), hatten einen Rücken, für den die Buchbranche später den Begriff „leinen­kaschiert“ erfand (ach!), während Rowohlt die Sache als „halbleinen­flexibel“ bezeichnete, und genau zwanzig Jahre lang – von 1963 bis 1983 – gab es mitten im Buch eine doppelseitige Anzeige, die mit einer Zeichnung und einem Spruch begann und nach dem Umblättern mit – ja, womit weiterging? Genau! Man muss es kaum aussprechen, weil Millionen Leser in diesem Land es ja noch wissen: Geworben wurde für Pfandbriefe und Kommunalobligationen.

So sieht rororo heute aus.
So sieht rororo heute aus.Mauritius

Als junger Bücherpurist habe ich diese Anzeigen gehasst. Erst später, beim Blättern in alten rororo-Büchern, entdeckte ich ihren Charme. Dass da jemand an meine finanzielle Sicherheit dachte, während ich egoistischer Wurm nur auf spannende Lektüre aus war. Dass jemand für solides Sparen warb, nicht für die schnelle Kohle. Dass ich zum ersten Mal im Leben das Wort „mündelsicher“ lesen durfte, was mein Vertrauen in diese Republik gleichsam subkutan erhöht haben dürfte. Jeder hat seine eigenen Gründe, aber alle diese Gründe haben etwas mit sinnvoll verstrichenen Jahren zu tun.

Wollen wir in 25 Jahren, wenn das Taschenbuch hundert wird, im Feuilleton noch einmal an diesen kulturgeschichtlichen und mediensoziologischen Einschnitt erinnern? Und an mündelsichere Geldanlagen? Aber natürlich! Taschenbüchern verdanken wir wesentlich den Verstand, der sich hier, sofern es gelingt, gelegentlich ausbreiten darf, in welch bescheidenem Maß auch immer.