Ron Prosor: Israels Botschafter sieht linken Antisemitismus als größte Bedrohung

Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor,
sieht im linken Antisemitismus eine besonders gefährliche Ausprägung des
Judenhasses. Dieser sei „gefährlicher als der rechte und der islamistische
Antisemitismus“, sagte Prosor den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Gefahr
liege vor allem darin, dass der linke Antisemitismus seine Absichten
verschleiere.

Während Deutschland im Umgang mit rechtsextremem und
islamistischem Antisemitismus inzwischen Strategien entwickelt habe, sei die
linke Variante schwerer zu greifen. Diese „bewegt sich immer an der Grenze
zwischen Meinungsfreiheit und Aufhetzungsfreiheit – und hat diese Grenze
inzwischen deutlich überschritten“, sagte Prosor. Der linke Antisemitismus sei
deshalb aus seiner Sicht der gefährlichste.

Diese Entwicklung zeige sich laut Prosor besonders an
Hochschulen und in kulturellen Einrichtungen. Dort werde Antisemitismus
zunehmend unter dem Deckmantel von Bildung und politischer Korrektheit
verbreitet. „Die rote Linie dessen, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist,
ist längst überschritten.“ Die Dämonisierung und Delegitimierung Israels sei inzwischen
Alltag – mit spürbaren Folgen für Jüdinnen und Juden in Europa.

Zunehmende Verunsicherung unter deutschen Juden

Noch sei es ein Skandal, dass ein israelischer Dirigent von
einem Festival in Belgien ausgeladen werde, „doch die Räume des Sagbaren
verschieben sich“, sagte Prosor. Die Organisatoren des Flanders Festival in
Gent hatten im September den israelischen Dirigenten Lahav Shani ausgeladen,
unter Hinweis auf dessen angeblich unklare Haltung zur israelischen Regierung.
In Deutschland wurde dieser Schritt scharf kritisiert und als antisemitisch
eingestuft. Auch Belgiens Premierminister Bart De Wever distanzierte sich
deutlich und sprach von einem Imageschaden für sein Land.

Prosor zufolge wachse unter deutschen Jüdinnen und Juden die
Verunsicherung. Viele erwögen Auswanderung, manche hätten bereits Immobilien in
Israel gekauft – ähnlich wie zuvor viele französische Juden. „Ich werde oft
gefragt, ob es sicher sei, nach Berlin zu kommen“, sagte der Botschafter. Seine
Antwort: „Ja, es ist sicher – geht aber besser nicht mit einem Davidstern die
Neuköllner Sonnenallee entlang.“