

Stand: 23.06.2025 12:32 Uhr
Rohmilch wird auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok als Superfood beworben. Doch Experten warnen vor gesundheitlichen Risiken. Was steckt hinter dem Hype und was sollten Verbraucher beachten?
In den vergangenen Jahren hat sich das Thema Rohmilch auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok zu einem regelrechten Hype entwickelt. Influencer schwärmen von Rohmilch als natürlichem Superfood, das angeblich viele gesundheitliche Vorteile habe: Sie sorge für eine reinere Haut, ein gestärktes Immunsystem und eine bessere Verdauung. Im Gegensatz zu erhitzter Milch soll sie zudem unter anderem mehr Nährstoffe enthalten. Einige Influencer raten daher selbst Schwangeren, Rohmilch zu trinken – entgegen allen ärztlichen Empfehlungen.
Was ist Rohmilch?
Bei Rohmilch handelt es sich um unbehandelte Milch, die nicht erhitzt wurde. Im Gegensatz dazu wird Milch, die in Supermärkten erhältlich ist, in der Regel wärmebehandelt, um Krankheitserreger abzutöten. Dieser Prozess verlängert auch die Haltbarkeit der Milch. Die Dauer der Haltbarkeit hängt dabei vom jeweiligen Erhitzungsverfahren ab.
Eine häufig angewandte Methode ist die Pasteurisierung, bei der die Milch für 15 bis 30 Sekunden auf etwa 75 Grad Celsius erhitzt wird. Dabei werden schädliche Mikroorganismen abgetötet, sodass die Milch bis zu zehn Tage haltbar bleibt. Durch eine höhere Temperatur, Mikrofiltration oder eine Doppelentkeimung kann die Frischmilch sogar bis zu drei Wochen haltbar gemacht werden.
Besonders in der Wellness- und Fitness-Community auf Instagram oder TikTok wird Rohmilch als nährstoffreicher und „ursprünglicher“ beworben als erhitzte Milch. Zahlreiche Influencerinnen und Influencer loben Rohmilch sogar als „natürliches Heilmittel“ gegen unterschiedlichste Beschwerden. Solche Rohmilch-Posts werden häufig mit Hashtags wie #Rohmilch, #NatürlichUndEcht, #GottesGabe oder #Superfood versehen. Oft wird in solchen Posts behauptet, dass die moderne Lebensmittelindustrie durch Pasteurisierung wertvolle Enzyme und Vitamine zerstöre, weshalb unbehandelte Rohmilch angeblich besser für die Verdauung und das Immunsystem sei.
Experten warnen vor gesundheitlichen Risiken
Gesundheitsbehörden halten den Trend für sehr bedenklich und warnen davor, unbehandelte, also nicht abgekochte, Rohmilch zu trinken. Denn Rohmilch kann Keime enthalten, die beim Menschen schwere Erkrankungen verursachen können. Zu den häufigsten Erregern zählen Salmonellen, Listerien, Campylobacter oder enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC). Diese Bakterien können Durchfall, Magen-Darm-Erkrankungen, Fieber und in schweren Fällen sogar lebensbedrohliche Komplikationen hervorrufen. Erst das Erhitzen mache Milch zu einem sicheren Lebensmittel.
Vitamingehalt von Rohmilch: Mehr Mythos als Fakt?
Befürworter von Rohmilch unterstellen, dass diese einen höheren Gehalt an Vitaminen und Enzymen habe, die bei der Pasteurisierung angeblich verloren gehen. Doch bei einer durch den NDR in Auftrag gegebenen Laboruntersuchung von Rohmilch und vier Milch-Packungen aus dem Supermarkt zeigte sich, dass die behandelte Milch mehr der untersuchten Vitamine B1, B2, B5, B6 und B12 enthielt. Bei den etwa für die Immunabwehr elementaren Omega-3-Fettsäuren lagen sowohl die Rohmilch als auch die Supermarkt-Milch-Packungen unter der Nachweisgrenze.
Rohmilch und Vogelgrippe: Besteht eine neue Gefahr?
Eine aktuelle Sorge betrifft die mögliche Übertragung des Vogelgrippe-Virus H5N1 durch den Verzehr von Rohmilch. In den USA warnen Gesundheitsbehörden aus diesem Grund explizit davor: Nach massiven Ausbrüchen von Vogelgrippe-Infektionen bei Milchkühen wurde das Virus dort auch in der Rohmilch infizierter Tiere nachgewiesen.
Eine in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentliche Studie zeigt, dass sich das Virus über das Trinken der Milch von einer Tierart auf andere übertragen lässt. Höchstwahrscheinlich gilt das auch für Menschen. Wer also nicht abgekochte Rohmilch trinkt, setzt sich einem höheren Risiko aus, sich mit dem Virus anzustecken.
Die gute Nachricht: Die tatsächliche Gefahr einer Vogelgrippe-Infektion ist hierzulande aktuell noch als sehr gering einzuschätzen, denn bisher wurden in Deutschland keine Fälle von mit Vogelgrippe infizierten Kühen gemeldet. Zudem gibt es eine einfache Methode, um sich zu schützen: Rohmilch generell abkochen. Es genügt, die Milch 20 bis 30 Sekunden auf mindestens 72 Grad Celsius zu erhitzen. Sobald die Milch kleine Blasen schlägt und zu schäumen beginnt, vom Herd nehmen.