Rodrigo Dutertes Krieg gegen Drogen: Wenn das Töten normal wird

„Let go chainsmoking“, sagt Patricia Evangelista und marschiert energisch los, um vor Halle 3.1 Kette zu rauchen. Eben saß die philippinische Autorin noch auf einem Barhocker am Stand der Schriftstellervereinigung PEN Berlin, der inzwischen schon Messetradition ist. Mit auf dem Podium ihre deutsche Verlegerin und Übersetzerin Zoë Beck vom Verlag CulturBooks, ich durfte Fragen stellen.

Evangelistas Buch „Some People Need Killing – Eine Geschichte der Morde in meinem Land“ ist vor zwei Jahren auf Englisch erschienen und wurde von der New York Times zu den besten zehn Büchern des Jahres gezählt. Evangelista erzählt darin die Geschichte von Rodrigo Dutertes Krieg gegen die Drogen, dem seit 2016 laut Menschenrechtsorganisationen an die 30.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, ermordet von Polizisten und Bürgerwehren. Evangelista hatte für das Onlinemedium Rappler darüber berichtet und verließ 2018 aus Sicherheitsgründen das Land.

Sie erzählt aber auch die Kolonialgeschichte ihres Lands und ihr eigenes langsames Erwachen aus der naiven Vorstellung, demokratische Rechte gälten auf den Philippinen für alle.

Duterte ist nur einer von vielen

Rodrigo Duterte sitzt inzwischen in Den Haag in U-Haft. Der Internationale Strafgerichtshof wirft ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, die er in 22 Jahren als Bürgermeister der Stadt Davao und als Staatspräsident begangen haben soll. Im Mai ist Duterte in Abwesenheit wieder zum Bürgermeister von Davao gewählt worden. Seine Tochter Sara könnte die kommende Präsidentin der Philippinen werden.

Das erklärt, warum Evangelista, wie sie beim Rauchen erzählt, über mehrere Wochen hinweg sieben Faktencheckerinnen beschäftigte, um jeden einzelnen Satz ihres Buchs noch einmal zu prüfen. Viele der Mörder und deren Auftraggeber sind auf freiem Fuss und drohen mit Klagen. Ein leitender Polizist, der die Exekutionen von Menschen, die der Präsident für seelenlose Zombies hielt, organisierte, sitzt im Senat.

Am Stand wird Evangelista aus dem Publikum gefragt, ob sie Teil der offiziellen Delegation des diesjährigen Gastlands der Frankfurter Buchmesse sei. Ja, sagt Evangelista, aber sie habe sich ausbedungen, auf der Messe sagen zu dürfen, was sie will – „Whatever the fuck I want.“ Und so beschreibt sie nun, wie Rodrigo Duterte offen seinem Volk erklärte, er werde töten, und wie Teile seines Volkes gerne glauben wollten, dass der Präsident ein guter Mann sei, der das Land vor dem Untergang rette.

Auf offener Straße

„Wir sind Duterte“ war der Slogan seiner Hardcore-Unterstützer. „Wir sind Duterte“, sagten auch die Killer, die im Auftrag der Polizei Menschen hinrichteten.

Duterte sei nur einer von vielen Autokraten auf der Welt, die Mord und Gewalt zu etwas Normalem machten, betont die Journalistin, die inzwischen wieder auf den Philippinen lebt. Zeugen hätten ihr oft beschrieben, wie die unvermummten Mörder auf offener Straße auf ihre Opfer zutraten, sie erschossen und dann ohne Eile davongingen.