Robotaxi wird zum Risiko: Tesla verliert endgültig seine Führungsrolle

Angesichts der massiven Absatzprobleme bei seinen E-Autos soll Teslas selbstfahrendes Taxi die Kehrtwende bringen. Das Ziel platzt schon beim Start des Fahrdiensts. Der einstige Pionier fährt der Konkurrenz nur noch beim Börsenwert davon. Erneut muss ein Topmanager gehen.

Die Dominanz auf dem E-Auto-Markt hat Elon Musk bereits zu den Akten gelegt. Mit dem Robotaxi sollte Tesla nun zum Vorreiter beim autonomen Fahren werden. Angesichts der Fahrfehler zum Start des Taxidiensts erscheint dies allerdings schon jetzt aussichtslos. Branchenexperten sehen den einstigen E-Autopionier nur noch als einen Hersteller von vielen.

Ein Video eines Passagiers zeigte, wie ein Robotaxi an einer Kreuzung für sechs Sekunden auf die Gegenfahrbahn steuerte. Andere Nutzer berichteten von überhöhter Geschwindigkeit. „Die Fehler sind sicherlich mehr als eine Kinderkrankheit, sondern können sogar lebensbedrohliche Krankheiten werden“, sagt Frank Schwope ntv.de. „Meines Erachtens ist das Programm nicht ausgereift, zumal es nur auf Kameras basiert.“ Fahrzeuge mit Lidar- und Radarsensoren seien zwar teurer, aber sicherer, betont der Lehrbeauftragte für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands Hannover.

Entscheidend ist in den Augen von Stefan Bratzel jetzt, ob die Robotaxis Unfälle bauen. Denn dann würden diese stark auf Teslas reine Kamera-Technik zurückgeführt, wie der Autoexperte im Gespräch mit ntv.de erklärt. Auch bei anderen Herstellern passierten Unfälle bei der Einführung des autonomen Fahrens, doch Teslas Technik würde seiner Einschätzung nach stärker hinterfragt. Schließlich waren deren höhere Sicherheitsrisiken im Vergleich zu etwa dem Hauptwettbewerber Waymo von Anfang an bekannt.

Robotaxi-Unfall würde Geschäftsmodell riskieren

„Wir glauben, das ist ein großes Risiko für Tesla“, sagt der Leiter des Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Bei einem Unfall wäre Teslas Geschäftsmodell beim Robotaxi massiv in Gefahr – dessen großer Vorteil auf der anderen Seite der niedrigere Preis ist als bei Lidar- und Radartechnik.

Selbst wenn keine Unfälle mit Robotaxis passieren, zeigen die Fahrfehler bei der Einführung laut Bratzel zudem, dass Tesla Waymo noch zwei bis drei Jahre hinterherfährt. „Algorithmus-Fehler müssen angepasst werden, und das kostet Zeit.“

Auch bei den klassischen E-Autos fährt Tesla zurzeit hinterher, das Kerngeschäft steckt in der tiefsten Absatzkrise seit Jahren. Die Verkäufe in der EU brachen im Mai um ganze 40 Prozent ein, während die Auslieferungen von Elektroautos insgesamt um ein Viertel zulegten. In Deutschland verkaufte der US-Autobauer seit Jahresbeginn sogar 58 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum und rutschte damit vom zweiten auf den achten Platz der E-Autobauer. Teslas Absatzzahlen sinken weltweit, im ersten Quartal gingen die Auslieferungen insgesamt um 13 Prozent zurück.

Absatz dürfte weiter sinken – Topmanager gefeuert

Den für Produktion und Vertrieb in Europa und Nordamerika zuständigen Manager Omead Afshar, einen seiner engsten Vertrauten, hat Musk Medienberichten zufolge gerade gefeuert. Die Kündigung ist Teil einer ganzen Reihe von Abgängen hochrangiger Führungskräfte.

Der Absatzrückgang wird nicht nur auf Musks politisches Engagement samt Radikalisierung zurückgeführt. Ein Teil der Kunden wartet auf das überarbeitete Model Y. „Ein erfolgreicher Hochlauf des Model-Y-Updates ist dringend geboten“, sagt Schwope. In Norwegen ist es bereits auf dem Markt, dort legten die Verkäufe im Mai um satte 213 Prozent zu, auch dank einer Nullzins-Finanzierung.

Bratzel erwartet im laufenden Jahr trotzdem weiterhin einen Rückgang der Verkäufe in Europa, wenn auch einen schwächeren als in den vergangenen Monaten. „Bei vielen sind die Musk’schen Kapriolen noch zu präsent.“ Teslas Imageverfall ist seiner Einschätzung nach nicht überwunden. Hinzu kommt der gestiegene Wettbewerbsdruck durch chinesische Hersteller, vor allem im Segment des Model Y. „In China herrscht ein Riesen-Preiskampf“, betont der Branchenkenner.

„VW schlägt zurück“

Früher waren Teslas Modelle günstiger als die Konkurrenz, inzwischen ist der US-Autobauer im normalen Wettbewerbs- und Marktumfeld angekommen, wie die Autoexperten sagen. „Ich rechne bei weitem nicht mit einem Untergang von Tesla, aber damit, dass Tesla einer unter vielen wird“, sagt Schwope. Bratzel stellt klar, dass Tesla nun neue Segmente erschließen müsse. Neue Modelle zu einem günstigen Preis müssen her, da die Technik der Amerikaner die Wettbewerber nicht mehr hinter sich lässt.

Tesla
Tesla 278,60

Bei Technik und Innovation sieht Bratzel Tesla im Mittelklasse-Segment inzwischen von BYD und VW überholt. Auch beim Absatz rein batteriebetriebener Fahrzeuge werde BYD Tesla in diesem Jahr global überrunden – Hybrid-Modelle eingerechnet, liegt BYD schon jetzt vorn. Und auch der VW-Konzern „schlägt zurück“, sagt der Branchenexperte. „Das wird die nächsten zwei bis drei Jahre so bleiben“.

Tesla müsse jetzt Gründe für seinen hohen Börsenwert von immer noch rund 900 Milliarden Dollar liefern. Auch mit Blick auf den Aktienkurs sollte das Robotaxi somit keinen Unfall bauen. Der Start der selbstfahrenden Taxis ließ die Anleger jubeln, die Papiere verteuerten sich um mehr als zehn Prozent. Seit Bekanntwerden der Fahrfehler hat sich dieser Zugewinn in Luft aufgelöst.