Renten-Pläne: Zynisch gesagt tun Union und SPD genau das, wofür sie gewählt wurden

Schon die Ampel-Jahre waren rententechnisch verloren, und auch unter Schwarz-Rot ist keine Wende zu erwarten. Denn Union und SPD bedienen ihre wichtigste Klientel: Boomer und Rentner. Genau jetzt bräuchte es eine Partei, die sich für die jüngere Generation positioniert. Doch wo ist sie?

Es war nicht gerade viel, was die FDP in drei Jahren Ampel-Regierung auf den Tisch brachte. Der mit Abstand klügste Vorschlag der Liberalen war die sogenannte Aktienrente. Nach schrillem Protest von Teilen der Grünen und SPD, aber auch durch Sozialverbände und Gewerkschaften (Spekulation! Zockerei!) einigte sich die Regierung immerhin auf die abgespeckte Version als „Generationenkapital“. Doch selbst dieses Konzept scheiterte, als die Koalition zerbrach.

Die Ampel-Jahre waren rententechnisch komplett verloren, die selbst ernannte Fortschrittskoalition zementierte letzten Endes nur den Stillstand in einem dramatisch überalterndem Land. Statt des viel zitierten Dachdeckers gingen vor allem zehntausende gut situierte Beamte und Bankangestellte früher in den Ruhestand, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt. Die Rente mit 63 erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit, während das Verhältnis von Beitragszahlern zu Empfängern immer weiter kippt.

Eine Kehrtwende durch die kommende Regierung ist allerdings kaum zu erwarten. Eher werden Union und SPD genau da weiter machen. Statt die überfällige Frage nach der Generationengerechtigkeit anzugehen und endlich das Potenzial der kapitalgedeckten Altersvorsorge zu nutzen, kommt es zur Abwälzung der gigantischen Schuldenaufnahme auf die jungen Generationen. Gleichzeitig sind sie es, die auch noch immer weiter steigende Renten- und Sozialbeiträge bezahlen müssen: Die Schwarz-Rote Bald-Koalition trifft das junge Deutschland mit Doppel-Wumms.

Zwar steht im Sondierungspapier auch der Unions-Plan der „Frühstartrente“. Das Konzept: Jedes Kind zwischen sechs und 18 Jahren soll monatlich vom Staat zehn Euro in ein eigenes Kapitalmarktdepot als „Startvermögen“ eingezahlt bekommen. Ein guter Vorschlag, der zumindest etwas Druck vom Finanzierungssystem nehmen könnte. Ob es tatsächlich dazu kommt und die SPD mitmacht? Mittel- bis unwahrscheinlich.

Die wesentlich größer gedachte Aktienrente hingegen taucht im Papier nirgends auf. Stattdessen heißt es dort, ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren wird auch künftig möglich bleiben. Eine Anhebung des Eintrittsalters, respektive eine Anpassung an die Lebenserwartung so wie in anderen Ländern, wird hingegen ausgeschlossen. Dafür kommen Wahlgeschenke wie die Mütterrente, die zwar nicht zielgerichtet, dafür aber teuer ist.

Zynisch könnte man auch sagen: Union und SPD tun genau das, wofür sie gewählt worden sind. Eine mögliche Boomer-Koalition macht Politik für ihre wichtigsten Wählergruppen: Boomer und Rentner. Deren Verdienste für das Land stellt niemand infrage, der nicht stumpfes Generationen-Bashing betreibt.

Nur: Wer heute jung ist und noch über Jahrzehnte deutlich höhere Beiträge zahlen wird, kann von einer Rente mit 63 nur träumen. Das Problem wird in die Zukunft verschoben, wieder einmal. Bei der Rente hat das schon lange System, die demografische Entwicklung ist schließlich seit Jahren absehbar.

Auch die FDP will verstärkt die Älteren ansprechen

Genau jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für eine Partei, sich als Interessenvertreter der jüngeren Generationen zu positionieren. Christian Dürr, das neue Gesicht der FDP, scheint es genau andersherum zu sehen. „Vielleicht ist manchmal in der Vergangenheit der Eindruck entstanden, wir würden uns nur um die Jüngeren kümmern mit unseren Konzepten“, sagte er jüngst den Kollegen vom „Handelsblatt“. Die Partei müsse nun auch verstärkt die Älteren ansprechen.

Wie sich die FDP neu aufstellt, um ihr 4,3-Prozent-Debakel aufzuarbeiten, bleibt ihr freilich selbst überlassen. Der Zuruf aus einer Nicht-Boomer-Perspektive sei aber erlaubt: Eine weitere Partei, die Politik für die Generation 55+ macht, braucht niemand. Denn das tun ja schon fast alle anderen.

Die größten Zugewinne bei den Jungwählern holte dieses Mal die Linkspartei. Das überrascht allein deshalb, weil auch die Linke, die sich im Wahlkampf als jung und hip präsentierte, schlussendlich Sozialpolitik für die Generation „Silberlocke“ macht. Höhere Renten – also höhere Rentenbeiträge für Beschäftigte – und eine Senkung des Eintrittsalters gehören zu den Kernforderungen. Kein Wunder, dass das Thema in den abgekulteten TikTok-Videos von Heidi Reichinnek und Co. ausgespart wurde.

Bei der letzten Wahl, 2021, holten neben den Liberalen vor allem die Grünen viele Stimmen unter den Jungwählern. Selbst sie haben sich der kapitalgedeckten Altersvorsorge mittlerweile geöffnet. Weil Aktien aber nach „Zockerei“ klingen, hat man sich einen neuen Namen überlegt: „Bürger*innenfonds“. Klingt schräg, ist aber zumindest ein Ansatz in die richtige Richtung.

Doch egal, wie das Ganze am Ende heißt, auch die Grünen werden in den nächsten vier Jahren nichts dergleichen umsetzen können. Es bleibt die Hoffnung, dass deutsche Regierungspolitiker vielleicht doch irgendwann in Länder wie Schweden oder Australien schauen werden. Oder Norwegen. Der dortige Pensionsfonds verbuchte 2024 einen Rekordgewinn – wieder einmal.

Auch wenn die Struktur nicht auf Deutschland übertragbar ist: Die gigantische Rendite von 213 Milliarden Euro im zurückliegenden Jahr zeigt das Potenzial. Eine Summe, fast groß wie der halbe deutsche Haushalt.

Bei uns hingegen heißt es: Rentenbeiträge rauf – wieder einmal. Bis 2040 droht ein Anstieg auf 24 Prozent. Leider gilt nicht nur bei der Sozialpolitik: Deutschland sieht ziemlich alt aus.

Jan Klauth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Arbeitsmarkt-Themen, Bürgergeld, Migration und Sozialpolitik sowie Karriere-Themen. Den zugehörigen Newsletter können Sie hier abonnieren.