Reit-Olympiasieger Kukuk: Künftig ein Soloreiter – Sport

Als sich Christian Kukuk vor 13 Jahren bei Ludger Beerbaum um einen Job als Bereiter bewarb, da musste er nicht einmal vorreiten. „Ich kannte Christian ja von den Turnieren“, sagt Beerbaum, „und er wurde mir von Marco Kutscher empfohlen, das reichte.“ Denn auch Kutscher hatte einst bei Beerbaum seine Karriere begonnen und große Erfolge errungen, etwa 2005 mit Montender den EM-Titel. Kukuk fing am 1. Februar 2012, damals 22-jährig, im renommiertesten deutschen Springstall an – jetzt verlässt er zum Jahresende Riesenbeck als Olympiasieger, als gemachter Mann, um sich selbständig zu machen. „Das war immer mein Traum“, sagt er.

Die Anfänge waren bescheiden, wie bei allen jungen Leuten, die ihr Glück in Riesenbeck als Profireiter machen wollen. Selbst satteln und aufzäumen, selbst die Boxen der ihm zugeteilten Pferde ausmisten und vor allem verfolgen, wie die Großen trainieren, etwa Vizeeuropameister 2023, Philipp Weishaupt, der Weltmeister von 2022, Henrik von Eckermann, oder der Chef selbst: Darum ging es in den ersten Jahren. „Das ist das Beste, was dir als junger Reiter passieren kann, lernen von den Besten, einfach durchs Zuschauen“, sagt Kukuk.

Und er lernte schnell, nicht von ungefähr. Er stammt aus einer alten westfälischen Reiterfamilie, seine Eltern waren regional im Springsattel erfolgreich. Großvater Franz Kukuk, Hauptsattelmeister beim Landgestüt Warendorf, genoss einen legendären Ruf für sein Geschick, Dressurpferden das Piaffieren beizubringen. Als Kind zog es Christian Kukuk zunächst aufs Fußballfeld und nicht in den Sattel – in den Dressursattel schon gar nicht. Erst mit 13 Jahren entdeckte er den Pferdesport für sich, in einem Alter, in dem andere schon als Ponyreiter mit Championats-Schärpen vom Podest lachen.

Aber besser spät als nie; Christian Kukuk wurde durch Erfolge auf ländlicher Ebene bekannt, trotzdem absolvierte er auf Wunsch seiner Eltern nach der Schule zunächst eine kaufmännische Ausbildung.

In Riesenbeck betrat er dann eine neue Welt. Erstklassige junge Pferde werden hier von ihren Züchtern oder deren Reitern auf den monatlichen Riesenbeck-Turnieren vorgestellt, ein Schaulaufen begabtester Springtalente. Die besten kauft Ludger Beerbaum, um sie von seinen Leuten ausbilden zu lassen und weiterzuverkaufen, ins Ausland, nach Übersee. Die Pferde so zu trainieren, dass das Interesse begüterter Kunden geweckt wird, dass sie sich leicht handhaben lassen im Parcours, gehörte zu Kukuks Aufgaben. Und das machte der Hochbegabte vorzüglich. Aber mit dem Talent sei das so eine Sache, sagt Beerbaum. „Man muss wirklich alles seinem Ziel unterordnen, total fokussiert sein, darf nicht rechts und nicht links gucken. Viele haben Talent und kriegen es am Ende doch nicht hin, ein ganz Großer zu werden.“

Christian Kukuk kriegte es hin. Bald erhielt er wie die anderen Top-Jockeys seinen eigenen Stalltrakt samt Pferdepflegerin. Bekam immer bessere Pferde unter den Sattel, mit denen er in der internationalen Top-Serie, der Global Champions Tour, und in der Nationalmannschaft mitreiten konnte. Fand Sponsoren, die ihm Pferde finanzierten. Wurde allmählich eine feste Größe in den Überlegungen von Bundestrainer Otto Becker. Mit dem Schimmel Checker, einst von Becker entdeckt und vom Fußballer Thomas Müller und der Mäzenin Madeleine Winter-Schulze mithilfe von Ludger Beerbaum vor dem Verkauf ins Ausland bewahrt, ritt er in Paris 2024 zum Olympiasieg.

Es werde schwierig, den Weg „ohne Ludger Beerbaums schützende Hand zu bewältigen“, sagt Kukuk

Ob Checker jetzt mit umziehen wird, werde noch intern verhandelt, sagt Kukuk. Fest steht, dass die zehnjährige Just be Gentle mitgehen wird. Sie gehört seiner Frau, der US-Amerikanerin Veronica Tracy, mit der er seit März eine kleine Tochter hat. Just be Gentle bewies kürzlich bei der Europameisterschaft in A Coruna, dass sie weit mehr ist als ein Back-up für den bei der Weltmeisterschaft in Aachen 2026 dann bereits 16-jährigen Checker: Der temperamentvollen Stute unterlief in vier schweren Kursen nur ein Springfehler; und im Nationenpreis löste sie selbständig die Situation, als ihrem Reiter Rhythmus und Distanzgefühl kurzfristig abhandengekommen waren und er gegen ein Hindernis ritt. Selten sah man einen Reiter mehr mit sich hadern wegen seines offensichtlichen Patzers. „Das war mein schlechtester Parcours seit Jahren“, sagte Kukuk zerknirscht, „heute musste mein Pferd mich retten“. Dass Just be Gentle das Problem auf ihre Weise löste, spricht für ihre Klasse als Championatspferd. Dass Kukuk es anders reitet als seine anderen Pferde, nämlich mit längerem Zügel, der Just be Gentle den Kopf höher tragen lässt, spricht für seine Klasse als Reiter.

Noch sagt er nicht, wo er seine Zelte aufschlagen wird. Am liebsten würde er im Münsterland bleiben, dort, wo er herkommt. Zu Jahresbeginn wird er, wie schon in den Vorjahren, erst einmal für ein paar Monate in Florida reiten, wo die Sonne scheint und es viel Geld zu gewinnen gibt. Dann wird man weitersehen.

Otto Becker sieht den Wechsel seines Top-Reiters gelassen, rechnet auch in Zukunft mit ihm. „Der Christian weiß, wie er Pferde und Sponsoren findet. Der weiß, was er will, und wird seinen Weg gehen.“ Kukuk bleibt Realist. „Ich bin mir darüber im Klaren, dass es schwierig sein wird, meinen Weg ohne Ludger Beerbaums schützende Hand und einzigartige Erfahrung zu bewältigen“, sagte Christian Kukuk über seinen Noch-Chef. „Dennoch freue ich mich auf einen neuen Abschnitt in meinem Leben.“