Reform der Schuldenbremse: Die Umverteilung von Jung zu Alt muss enden

Die Grundgesetzänderung zu Sondervermögen und
Schuldenbremse
ist ein Paradigmenwechsel für Politik und Gesellschaft. Die
Entscheidung des Bundestages korrigiert ein Stück weit die deutsche Obsession
mit Schulden und Sparen. Sie ist ein Eingeständnis, dass Deutschland ohne
deutlich mehr öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Bildung und
Verteidigung seinen erheblichen wirtschaftlichen Wohlstand und seine Sicherheit
nicht wird gewährleisten können. Vor allem aber könnte dieser Paradigmenwechsel
wieder zu mehr Generationengerechtigkeit
beitragen.

Die Grundgesetzänderung ist eine pragmatische, aber
keineswegs ideale Lösung, um mehr Geld für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung
zu stellen. Daueraufgaben sollten grundsätzlich immer über den Kernhaushalt
finanziert werden. Zudem hebelt ein Sondervermögen die demokratischen
Kontrollmechanismen ein Stück weit aus, da es nicht den gleichen Transparenz-
und Rechenschaftsanforderungen unterliegt wie der reguläre Haushalt, bei dem
die Parlamente deutlich mehr Mitspracherecht haben. Darüber hinaus können
Sondervermögen auf nationaler Ebene zu Konflikten mit den europäischen Regeln
führen und damit auch gemeinsame europäische Absprachen unterlaufen.

Aber ohne deutlich höhere öffentliche Investitionen
wird die Transformation der deutschen Wirtschaft nicht gelingen; viele gute
Arbeitsplätze und Wohlstand werden verloren gehen und die jungen und
künftigen Generationen werden die Hauptleidtragenden sein. Das Sondervermögen
ist sicher nicht die beste Lösung, aber es ist deutlich besser, als weiter
nichts zu tun und den wirtschaftlichen Niedergang zu verwalten. Wir brauchen
einen unabhängigen Fiskalrat, der Zugang zu relevanten Daten hat und
dokumentieren kann, inwiefern die Versprechen der künftigen Bundesregierung
auch wirklich eingehalten werden.

Zwei blinde Flecken

Mehr Geld für Investitionen ist notwendig, aber
nicht ausreichend, um Deutschland zukunftsfähig zu machen. Die neue
Bundesregierung muss dafür sorgen, dass vor allem bei den Kommunen, die fast
die Hälfte aller öffentlichen Investitionen tätigen, ausreichend Geld ankommt und
sie diese wichtigen Projekte umsetzen können. Dies erfordert grundlegende
Reformen des Föderalismus, den Aufbau und die Bündelung staatlicher Kapazitäten
zur Umsetzung von Infrastrukturprojekten. Es erfordert den Abbau von Bürokratie
und Regulierung sowie eine deutlich höhere Geschwindigkeit bei
Genehmigungsverfahren. 

Darüber hinaus muss die Bundesregierung wichtige
Strukturreformen voranbringen, insbesondere in Bezug auf die Sicherung von
Fachkräften. Ohne diese Reformen werden keine ausreichenden öffentlichen und privaten
Kapazitäten zur Umsetzung von Investitionen geschaffen und viele Mittel bleiben
ungenutzt oder führen nur zu höheren Preisen.

Zweitens muss jetzt dringend eine grundlegende
Reform der Schuldenbremse folgen. Das Problem Deutschlands ist heute nicht,
dass der Staat eine zu hohe explizite Staatsverschuldung durch Kredite und
Anleihen hätte – die Staatsschuldenquote ist mit 63 Prozent die niedrigste unter
den großen Industrieländern und auch absolut eher gering. Die Probleme liegen
vielmehr in zwei anderen Bereichen. Zum einen sind die öffentlichen
Vermögenswerte in den vergangenen 25 Jahren geschrumpft. Die Nettoinvestitionen des
Staates waren in den meisten Jahren negativ, sodass der Staat von seiner Substanz gelebt hat
und die Rahmenbedingungen für private Investitionen heute zu schlecht geworden
sind (siehe DIW Berlin: Investitionslücke in Deutschland: Und
es gibt sie doch! Vor allem Kommunen sind arm dran
).

Zum anderen bestehen erhebliche implizite
Staatsschulden in Form von Verpflichtungen in den Sozialsystemen, vor allem gegenüber
der Generation der Babyboomer. Die Stiftung Marktwirtschaft hat diese implizite
Staatsverschuldung auf über 300 Prozent einer jährlichen Wirtschaftsleistung
geschätzt. Auch wenn solche Berechnungen auf vielen Annahmen beruhen, sind
sie realistisch und der Unterschied zur expliziten Staatsverschuldung zeigt sehr
deutlich, wo das eigentliche Problem liegt. Eine neue generationengerechte
Schuldenbremse sollte beide blinde Flecken adressieren.