Sehnsucht nach starker Führung, Russlandnähe, die Überzeugung, die DDR sei der moralisch überlegene Staat gewesen: Dreieinhalb Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer wirken die mentalen Muster der längst untergegangenen Deutschen Demokratischen Republik immer noch nach. In Verbindung mit enttäuschten Erwartungen, Verlusterfahrungen und dem weitverbreiteten Gefühl der moralischen Ausgrenzung bilden sie den Hintergrund des scheinbar unaufhaltsamen Aufstiegs der AfD in Ostdeutschland. Zwar sind die Rechtspopulisten auch im Westen auf dem Vormarsch, doch in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern könnten sie nach den Wahlen im kommenden Jahr sogar regieren – und ihre antidemokratische Agenda durchsetzen. Wie kann man sie stoppen?
In der neuen Ausgabe von Das Politikteil sprechen Ileana Grabitz und Peter Dausend vor Live-Publikum in der Berliner Staatsoper Unter den Linden mit der Schriftstellerin Anne Rabe über die Gefährdung der Demokratie durch den Siegeszug des Rechtspopulismus. Aufgewachsen in den 90er Jahren, zwischen demokratischem Aufbruch und den mentalen Restbeständen der DDR, analysiert Rabe, wie der Mix aus Diktaturprägung, frustrierten Hoffnungen und den Gewalterfahrungen der „Baseballschläger-Jahre“ die politische Haltung vieler Menschen im Osten bis heute prägt. Rabe beschreibt die Fehleinschätzung der Politik, dass sich nach dem Mauerfall eine funktionierende Zivilgesellschaft aus sich selbst heraus entwickeln würde. Sie kritisiert den anhaltenden Versuch der Union, die AfD dadurch bezwingen zu wollen, indem sie deren Wortwahl und deren Forderungen – zumindest teilweise – übernimmt. Heftig widerspricht sie der Überlegung, die AfD durch Einbindung in Regierungsverantwortung entzaubern zu wollen. Und sie zeigt auf, wie die zunehmende Verachtung der Moral die AfD stärkt.
Anne Rabe ist eine deutsche Dramatikerin, Lyrikerin, Drehbuchautorin und Essayistin. 1986 in Wismar geboren, studierte sie von 2005 an zunächst Germanistik an der FU Berlin. Von April 2006 bis Februar 2010 studierte sie Szenisches Schreiben an der Fakultät Darstellende Kunst der Universität der Künste Berlin. Sie veröffentlichte zu dieser Zeit erste Gedichte und Theaterstücke. Einem größeren Publikum wurde sie mit ihrem 2023 erschienenen, autobiografisch geprägtem Romandebüt Die Möglichkeit von Glück bekannt, das auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises sowie des aspekte-Literaturpreises stand. 2025 veröffentlichte sie das Essaybuch Das M-Wort. Gegen die Verachtung der Moral.
Im Podcast Das Politikteil sprechen wir jede Woche über das, was die Politik beschäftigt, erklären die Hintergründe, diskutieren die Zusammenhänge. Immer freitags mit zwei Moderatoren, einem Gast – und einem Geräusch. Neben Ileana Grabitz und Peter Dausend sind auch Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing als Gastgeber zu hören.
