Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) ist nach eigenen Angaben offen für Gespräche über eine Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen. „Natürlich kann man sich nach so vielen Jahren noch einmal neu mit dem Thema beschäftigen“, sagte Merz gegenüber der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft und den Stuttgarter Nachrichten. Es gebe erkennbar einen gesellschaftlichen Wandel, der eine Überprüfung der aktuellen Regelung rechtfertige. Zugleich warnte der CDU-Chef vor einer übereilten Entscheidung: „Bitte nicht auf den letzten Metern vor der Wahl.“ Stattdessen sei eine breite parlamentarisch und gesellschaftlich geführte Debatte erforderlich, die dem Thema gerecht werde.
Aktuell sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig, bleiben aber in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn eine Beratung erfolgt. Ebenso straffrei sind Eingriffe aus medizinischen Gründen oder nach einer Vergewaltigung.
Merz warnte vor „Großkonflikt“
Zuletzt hatten Abgeordnete von SPD und Grüne in einem Reformentwurf gefordert, Schwangerschaftsabbrüche vollständig aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und stattdessen im Schwangerschaftskonfliktgesetz zu regeln. Daneben sieht der Gesetzentwurf vor, dass die dreitägige Wartefrist zwischen Beratung und Schwangerschaftsabbruch entfällt. Wenn ein Schwangerschaftsabbruch ohne Beratungsbescheinigung vorgenommen wird, soll sich demnach künftig nur der Arzt oder die Ärztin strafbar machen. Die Patientin bliebe straffrei. Über die Vorlage soll nach dem Willen der Initiatorinnen noch vor der geplanten Neuwahl des Bundestags am 23. Februar abgestimmt werden.
Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Initiative unterstützt, zeigte sich Merz darüber zuletzt empört. Es sei „skandalös“, dass Scholz seine Unterschrift unter den Antrag gesetzt habe, sagte der CDU-Politiker kürzlich. Es handle sich um ein Thema, „das wie kein weiteres das Land polarisiert“. Die Initiatorinnen müssten den kompletten Antrag beiseitelegen. Deren Vorhaben, den Bundestag noch vor der Neuwahl über den Entwurf abstimmen zu lassen, sei ein „Affront“. Die geplante Abschaffung des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches sei „geeignet, einen völlig unnötigen Großkonflikt in Deutschland auszulösen“, sagte der CDU-Politiker.
Merz äußert sich zu umstrittener Abstimmung über Vergewaltigung in der Ehe
Im Gespräch mit der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft und den Stuttgarter Nachrichten äußerte sich Merz nun auch zu einer Bundestagsabstimmung aus dem Jahr 1997, in der es um die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe ging. Er habe damals für eine Widerspruchsklausel gestimmt, die es Opfern ermöglicht hätte, eine Strafverfolgung auszusetzen, um eine Ehe zu retten. „Ich habe vor über 25 Jahre für eine solche Lösung gestimmt. Auch rund die Hälfte der Unionsfraktion hat das so gesehen wie ich. Andere haben es anders gesehen – und sie haben recht gehabt aus der Rückschau“, räumte der CDU-Chef ein.
Tatsächlich stimmte Friedrich Merz bereits 1996 für einen Gesetzesentwurf von Union und FDP, der Vergewaltigungen in der Ehe unter Strafe stellen sollte. Eine darin enthaltene Widerspruchsklausel wurde allerdings stark kritisiert, sodass der Entwurf schließlich keine Mehrheit im Parlament fand. Eine Tat hätte demnach nicht strafrechtlich verfolgt werden können, wenn das Opfer dem widersprochen hätte. Die Verfolgung einer Straftat vom Ermessen eines Opfers abhängig zu machen, wäre eine Sonderregel im Deutschen Strafrecht gewesen. Zudem warnten Kritikerinnen und Kritiker davor, dass Täter ihre Opfer wegen einer solchen Regelung unter Druck setzen könnten. Als ein Jahr später erneut über den Gesetzesentwurf abgestimmt wurde – diesmal ohne die Klausel – stimmte Merz dagegen.