Rechenzentren-Ausbau: „Das Tempo ist für deutsche Verhältnisse großartig“

Nach Lübbenau im Spreewald verschlägt es Spitzenpolitiker eher selten. Doch zum Spatenstich des neuen Rechenzentrums von Schwarz Digits – der Digitalsparte des Lidl-Konzerns – kommende Woche hat sich nicht nur Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller angekündigt, sondern auch Bundesdigitalminister Karsten Wildberger. „Wir müssen jetzt handeln und massiv Rechenkapazitäten aufbauen, um KI-Modelle auf unserer IT-Infrastruktur entwickeln und trainieren zu können“, hatte Wildberger im August gesagt. Rechenzentren stehen längst weit oben auf der politischen Agenda. Denn der Betrieb und vor allem das Training fortschrittlicher Künstlicher Intelligenz (KI) benötigt hohe Mengen an Rechenleistung.

Nicht nur in Lübbenau entstehen neue Rechenkapazitäten für Cloud und KI, zeigt ein neuer Bericht des Digitalverbands Bitkom. Die Leistung aller deutschen Rechenzentren ist demnach 2025 um 9 Prozent auf 2980 Megawatt Anschlussleistung gewachsen. Dafür sind dieses Jahr 12 Milliarden Euro in IT-Hardware und 3,5 Milliarden Euro in Gebäude geflossen; insgesamt noch einmal 2,6 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Bis 2030 prognostizieren die Studien­autoren ein Wachstum der Rechenzen­trumskapazitäten auf 5040 Megawatt.

Anteil von KI-Rechenzentren dürfte deutlich steigen

Neben dem Umstieg auf die Cloud treibt vor allem der steigende KI-Bedarf die Nachfrage. Aktuell machen KI-Rechenzentren mit 530 Megawatt Anschlussleistung rund 15 Prozent der Kapazitäten aus. Bis 2030 erwartet der Bitkom, dass der KI-Anteil auf 40 Prozent und die Leistung von KI-Rechenzentren auf 2020 Megawatt steigt. Gerade erst haben der US-Chipkonzern Nvidia und die Deutsche Telekom angekündigt, dass sie noch im ersten Quartal 2026 in München ein Rechenzentrum für KI-Industrieanwendungen für rund eine Milliarde Euro eröffnen wollen. 10.000 Hochleistungschips, sogenannte GPU („graphic processing units“), sollen dort verbaut werden.

Im internationalen Vergleich wirkt das freilich immer noch eher bescheiden. Der ChatGPT-Entwickler Open AI will bis Ende 2025 über Systeme mit einer Million GPUs verfügen, der Facebook-Konzern Meta plant mit 1,3 Millionen GPUs bis Jahresende. Zum Vergleich: Das größte deutsche KI-Rechenzentrum, das vor allem für die Forschung konzipierte Jupiter-System in Jülich, plant mit rund 24.000 GPUs. Allein Metas Rechenzentrumsprojekt „Hyperion“ in Louisiana soll perspektivisch eine Anschlussleistung von fünf Gigawatt besitzen – und damit in etwa so viel wie alle Rechenzentren in Deutschland im Jahr 2030 zusammen. „Das aktuelle Ausbautempo ist für deutsche Verhältnisse großartig, aber so werden wir nicht zu den USA aufschließen, sondern zurückfallen“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder während der Vorstellung der Studie.

Die Lücke wächst

Die Vereinigten Staaten verfügten nach Bitkom-Berechnungen 2024 schon über zehnmal so viele Rechenzentrumskapazitäten, wie sie in Deutschland bis 2030 geplant sind. Jedes Jahr würden auf der anderen Seite des Atlantiks mehr als viermal so viele Kapazitäten hinzugebaut, wie in Deutschland überhaupt installiert sind. So soll sich die Anschlussleistung der amerikanischen Rechenzentren bis 2030 auf 95 Gigawatt fast verdoppeln. Die chinesischen Kapazitäten schätzen die Autoren bis 2030 auf 64 Gigawatt, was einem Wachstum um 70 Prozent gegenüber 2024 entspräche. Europa läge demnach trotz eines Wachstums um 70 Prozent mit einer Leistung von 28 Gigawatt im Jahr 2030 abgeschlagen auf dem dritten Rang.

Die EU will fünf Standorte für sogenannte KI-Gigafabriken mit mehr als 100.000 fortschrittlichen KI-Prozessoren fördern, auch viele deutsche Unternehmen haben sich beworben. Noch befindet sich das Vorhaben aber in der Bewerbungsphase. Die Bundesregierung hat eine Rechenzentrumsstrategie angekündigt.

Mit Blick auf die Diskussionen um eine potentielle KI-Blase angesichts der schwindelerregenden Investitionssummen in den USA sagte Rohleder: „Wir werden sehen.“ Allerdings hätten gute Unternehmen auch das Platzen der Dotcom-Blase überlebt und seien heute diejenigen, die sich die Milliardeninvestitionen in KI leisten könnten.

Das wichtigste Nadelöhr für den Rechenzentren-Ausbau ist die Energieversorgung. Rechenzentren benötigen viel Energie, vor allem die besonders leistungsfähigen KI-Prozessoren. 2025 ist der Energiebedarf deutscher Rechenzentren demnach laut Bitkom von 20 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2024 auf 21,3 Milliarden Kilowattstunden angewachsen – Tendenz steigend, auch wenn Bitkom-Geschäftsführer Rohleder von „beeindruckenden Effizienzgewinnen“ der Hardware sprach. Der Ausbau von Rechenzentren und der Energieinfrastruktur müssten Hand in Hand gehen. „Die bisher angekündigten Vorhaben werden das deutsche Stromnetz aber nicht in die Knie zwingen.“

Für einen schnelleren Ausbau der KI-Infrastruktur pochte Rohleder unter anderem auf schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. In Deutschland dauerten diese für neue Rechenzentren deutlich länger als im EU-Durchschnitt – und rund sechs Monate länger als gesetzlich vorgesehen. „Wenn es den Willen von Investoren gibt, darf es nicht mehrere Jahre bis zur Genehmigung dauern“, sagte Rohleder. Zudem forderte er „wettbewerbsfähige“ Strompreise. Strom macht gut die Hälfte der Kosten für den Rechenzentrenbetrieb aus.