Lohnzuwächse bei gleichzeitig sinkender Inflation haben die Kaufkraft der deutschen Beschäftigten im Sommer das sechste Quartal in Folge steigen lassen, allerdings langsamer als zuvor. Die Reallöhne wuchsen von Juli bis September binnen Jahresfrist um durchschnittlich 2,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Demnach legten die nominalen Löhne mit 4,9 Prozent stärker zu als die Verbraucherpreise mit 2,5 Prozent. Die Inflation zehrte damit nur einen Teil des Verdienstzuwachses wieder auf.
„Mit diesem sechsten Anstieg in Folge setzte sich der positive Trend der Reallohnentwicklung fort“, so die Statistiker. „In den Quartalen von Ende 2021 bis Anfang 2023 hatten die Beschäftigten noch durchschnittlich Reallohnverluste zu verzeichnen.“ In den ersten drei Monaten 2024 hatte es mit 3,8 Prozent sogar das stärkste Reallohnwachstum seit Beginn der Zeitreihe 2008 gegeben, dem ein Plus von 3,1 Prozent im Frühjahr folgte.
„Nicht möglich, ohne Beschäftigung zu gefährden“
„Dieser Aufholprozess geht jedoch allmählich zu Ende“, sagte der Arbeitsmarktexperte Dominik Groll vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Reallöhne dürften sich künftig wieder stärker an der Arbeitsproduktivität orientieren. „Diese ist angesichts der wirtschaftlichen Stagnation seit Jahren nicht gestiegen“, sagte Groll. „Solange dies so bleibt, sind größere Reallohnzuwächse trotz Arbeitskräftemangel nicht möglich, ohne die Beschäftigung zu gefährden.“
Eine vollständige Erholung zum Vorkrisentrend – also dem Reallohnniveau, das ohne Pandemie und Inflationsschub realistisch wäre – zeichne sich daher nicht ab. Der jüngste Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie sei in dieser Hinsicht ein erstes Indiz. Dort werden die Löhne und Gehälter zum 1. April 2025 um 2,0 Prozent angehoben, ein Jahr später dann um weitere 3,1 Prozent. „Die dort vereinbarten Gehaltssteigerungen fallen real deutlich schwächer aus als beim Abschluss vor zwei Jahren“, sagte Groll.
Maßgeblich zur steigenden Kaufkraft beigetragen hat im dritten Quartal erneut die Inflationsausgleichsprämie. Diese steuer- und abgabenfreie Prämie kann bis zu 3000 Euro betragen. Diese freiwillige Leistung der Arbeitgeber kann noch bis Jahresende ausgezahlt werden. Auch die in Tarifverträgen beschlossenen Lohnsteigerungen und Einmalzahlungen stützten die Reallöhne.
Überdurchschnittliche Verdienststeigerungen gab es in den Bereichen Handel sowie Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (plus 6,9 Prozent), Verkehr und Lagerei (plus 6,4 Prozent) sowie Information und Kommunikation (plus 6,2 Prozent). Vergleichsweise geringe Steigerungen wurden hingegen in der Energieversorgung (plus 2,3 Prozent) sowie im Bereich Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (plus 2,7 Prozent) gemeldet.
Das Fünftel der Vollzeitbeschäftigten mit den geringsten Verdiensten erhielt im Schnitt ein Lohnplus von 7,3 Prozent. „Damit setzte sich der Trend fort, dass die Nominallöhne von Geringverdienenden prozentual am stärksten steigen“, so das Statistikamt. Die Verdienste der Vollzeitkräfte insgesamt stiegen um 5,0 Prozent. Für das oberste Fünftel lag der Zuwachs mit 4,3 Prozent darunter.
Steigende Konsumausgaben der Verbraucher haben die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal knapp vor einer Rezession bewahrt. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs um 0,1 Prozent. Dazu trug maßgeblich das Plus bei den privaten Konsumausgaben von 0,3 Prozent bei. Allerdings ist die Kauflaune der Deutschen zuletzt wieder gesunken, wie die GfK-Marktforscher und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) herausfanden. Die Verbraucher sorgen sich wieder mehr um den eigenen Arbeitsplatz. Grund dafür sei der aus der Industrie gemeldete Stellenabbau.