Reaktion auf Schuldenpläne: Bauzinsen steigen so stark wie seit der Finanzkrise nicht mehr


Reaktion auf Schuldenpläne

Bauzinsen steigen so stark wie seit der Finanzkrise nicht mehr

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Ökonomen und Ratingagenturen gehen davon aus, dass zusätzliche Schulden von Hunderten Milliarden Euro tragbar sind für Deutschland. Eine Belastung sind sie dennoch – nicht nur für den Staatshaushalt, sondern beispielsweise auch für Immobilienkäufer.

Noch ist weder das Sondervermögen noch die Reform der Schuldenbremse beschlossen. Doch die grundsätzliche Einigung der Unterhändler von Union und SPD bei den Sondierungen für eine mögliche schwarz-rote Koalition auf Hunderte Milliarden Euro zusätzliche Staatsschulden reichte aus, die Zinsmärkte so stark zu erschüttern wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Zunächst reagierten die Staatsanleihen: Die Renditen für zehnjährige deutsche Staatsanleihen sprangen am Tag, nachdem das Schuldenpaket verkündet worden war, zeitweise um 0,4 Prozentpunkte in die Höhe. Einen solch plötzlichen Anstieg hatte es bei den Bundesanleihen seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr gegeben.

Da sich die Banken mit den Zinsen für die Baufinanzierung an diesen Bundesanleihen orientieren, verzeichneten die Hypothekenzinsen ebenfalls extreme Sprünge. Im Laufe der vergangenen Woche stiegen die Zinssätze für Baufinanzierungen mit zehnjähriger Laufzeit laut Daten des Beratungsunternehmens Barkow Consulting um 0,33 Prozentpunkte. Das war der stärkste Wochenanstieg seit der globalen Finanzkrise vor 18 Jahren.

Die Großbank ING hob laut einem Bericht des „Handelsblatts“ die Zinsen für alle ihre Baufinanzierungen auf einen Schlag um einen halben Prozentpunkt an. „Einen solch drastischen Zinsschritt hat es in den letzten 25 Jahren noch nie gegeben“, zitiert die Wirtschaftszeitung einen Hypothekenvermittler. Diese Erhöhung um einen halben Prozentpunkt entspricht demnach bei 100.000 Euro Baugeld bei einer Laufzeit von 30 Jahren einem Anstieg der Zinskosten von 30 Euro im Monat, das heißt insgesamt von mehr als 10.000 Euro.

Hintergrund der Zinsanstiege ist die Annahme, dass Deutschland unter einer möglichen schwarz-roten Koalition die Schuldenaufnahme stark ausweiten und viel mehr Staatsanleihen ausgeben wird als zuletzt. Um Käufer für diese zusätzlichen Schulden zu finden, müsste der Bund dann höhere Zinsen bieten. Diese Entwicklung nehmen Anleihemarkt und Banken bereits vorweg, auch wenn die Schuldenpläne noch nicht vom Bundestag beschlossen sind.

Im langfristigen und internationalen Vergleich ist das Zinsniveau in Deutschland nach wie vor moderat. Während des Zinserhöhungszyklus der Europäischen Zentralbank waren etwa die Baufinanzierungszinsen auf über vier Prozent gestiegen. Trotz des jüngsten Sprungs liegen sie derzeit bei etwa 3,7 Prozent. Die Rendite der Bundesanleihen beträgt aktuell gut 2,8 Prozent. Vor der Niedrigzinsphase im Zuge der Weltfinanzkrise betrug sie meist ein Vielfaches davon. Doch die jüngsten Erschütterungen zeigen, welch großen Einfluss die deutsche Finanzpolitik auf die Zinsen hat.

Zwar beteuerten Ökonomen und Vertreter von Ratingagenturen, dass sich Deutschland die von Schwarz-Rot beschlossene Neuverschuldung leisten könne, ohne seine Spitzenbonität zu verlieren. Dennoch verursacht ein solcher Schuldenberg Kosten nicht nur für den Staatshaushalt in Form steigender Zinsen. Auch Privathaushalte und Unternehmen werden etwa bei der Baufinanzierung belastet. Das hat negative Auswirkungen auf die Baubranche, die mit weniger Aufträgen rechnen muss, und damit auf die Konjunktur insgesamt. Dieser Effekt könnte die gewünschte Wirkung des Sondervermögens, das ja die Wirtschaft ankurbeln soll, abschwächen.