RB Leipzig: 26 Probleme – auf und abseits des Fußballplatzes

RB Leipzig spielt in dieser Saison weit unter seinen Erwartungen. Der ambitionierte Verein kämpft mit vielen Problemen – auf und abseits des Fußballplatzes. Den Leipzigern steht eine Neuausrichtung bevor.

Sie wollten die Meisterschaft angreifen und müssen jetzt um die Champions-League-Teilnahme zittern. Mit 26 Punkten Rückstand auf Platz 1 empfängt RB Leipzig am Samstag (15.30 Uhr, Sky und im WELT-Liveticker) den FC Bayern, der vorzeitig die Schale perfekt machen will. Die Leipziger laufen ihren Erwartungen weit hinterher: 26 Gründe, warum RB so abgeschlagen ist.

1. Fehlende Hierarchie

RB hat weder Führungsspieler noch „Drecksäcke“. Alle zu lieb. Die Suche nach solchen Spielern läuft längst.

2. Zu kleiner Kader

Bewusst wurde auf einen größeren Kader verzichtet. Ein immenser Fehler! Zum Teil saßen nur noch Teenager auf der Bank. Auch mehr Druck auf die Startelf hätte geholfen.

3. Verletzungspech

Die Lieblingsausrede von Ex-Trainer Marco Rose. Über längere Zeit fehlten Stammspieler wie Xavi Simons, David Raum, Antonio Nusa oder Xavier Schlager. Aber selbst intern ist klar: Mit dem Rest-Kader hätten es mindestens zehn Punkte mehr sein müssen.

4. Wohlfühl-Oase

Das jährliche Mindestziel Champions-League-Qualifikation nehmen viele Spieler zu wörtlich. Der Titel spielte in der Kabine nie eine Rolle.

5. Spielweise

Power-Fußball, Pressing, Balleroberung, Steilpass, Sprint, Abschluss? Davon ist fast nichts übrig. Unter Rose wurde meist quer statt tief gespielt. Beim Pressing machte oft nur die halbe Mannschaft mit. Running Gag in der Kabine: Wir spielen keinen RB-Fußball, sondern Rose-Fußball.

6. Xavi Simons

Vom Wunder- zum Sorgenkind! Nach seiner langen Verletzung in der Hinrunde tauchte der Spielmacher ab, fiel mit Star-Allüren auf dem Feld und in der Kabine auf: lustlose Auftritte, wenig Defensivarbeit, egoistische Spielweise und kurzfristig geplatzte PR-Termine.

7. David Raum

Galt lange als einer der wenigen RB-Lichtblicke. Doch die Stellungsfehler des Nationalspielers kosteten einige Gegentore. Und offensiv war er längst nicht mehr so konstant. Nur zwei seiner 74 Flanken führten zu Toren.

8. Verplanter Kader

Sechs Trainer (Ralph Hasenhüttl, Ralf Rangnick, Julian Nagelsmann, Jesse Marsch, Domenico Tedesco, Marco Rose) und ebenso viele Manager (Rangnick, Markus Krösche, Oliver Mintzlaff/Florian Scholz, Max Eberl, Marcel Schröder, Rouven Schäfer) mit teilweise sehr unterschiedlichen Philosophien seit dem Aufstieg 2016 haben den Kader zu einem bunten Haufen von Spielern werden lassen. Nur die wenigsten haben noch die klassischen RB-Stärken.

9. Zu viel Durchschnitt

Ob Zugänge oder eigene Spieler – RB setzte immer auf Leistungsentwicklung. Inzwischen sind zu viele Spieler im Kader (Lukas Klostermann, Kevin Kampl, Yussuf Poulsen, Amadou Haidara, Willi Orban), bei denen klar ist: Es wird nicht besser.

10. Verpasste Trennungen

Es hätte Möglichkeiten gegeben, diese Spieler noch zu Geld zu machen. Aber Angebote für etwa Poulsen (von Dortmund) oder Klostermann (u. a. AS Rom) wurden ausgeschlagen – und stattdessen die Verträge teuer verlängert. Genau diese Kaderplätze sind aktuell für neue Spieler blockiert.

11. Beratungsresistenz

Rose wurde intern immer wieder auf die wenig dynamische Spielweise hingewiesen. Ohne Erfolg! Sogar als Jürgen Klopp und dessen Helfer Zsolt Löw und Peter Krawietz Tipps gaben, wurden die nicht beachtet und zum Teil schroff abgewiesen. Im Winter gab es Gedanken, den Trainerstab zu erweitern. Auch das wollte Rose nicht.

12. Festhalten an Rose

Dass er erst im März gehen musste, haben die Bosse verbockt. Schon vor der Saison stand Rose zur Debatte, da wurde sein Vertrag verlängert. Auch in der Hinrunde und in der Winterpause wurde über ihn beraten.

13. Unruheherde

Schon bei der Entlassung von Ex-Manager Eberl hatte sich gezeigt: Das Wichtigste für RB ist das komplette Bekenntnis zu Red Bull und deren Prinzipien. Dass Rose elementare Grundsätze (Spielweise, Transfers, Auslandsreisen, PR-Aktionen) intern und öffentlich kritisierte und zum Teil lächerlich machte, sorgte für Unruhe.

14. Openda-Flaute

Seinen 24 Toren aus der Vorsaison folgten nun nur neun. Lois Openda wirkt nicht mehr spritzig, weniger selbstbewusst, kaum noch locker.

15. Offensiv-Desaster

Nur 48 Tore – 42 Tore weniger als Bayern! RB erspielt sich kaum Großchancen, gibt nur zwölf Schüsse pro Spiel ab (Liga-Platz zehn), hat bisher nur 36 Großchancen (Platz 14) erarbeitet und einen xGoals-Wert von 45 Toren (Platz elf).

16. Schlechte Abwehr

Laut xGoals-Wert hätte RB statt 42 Gegentoren 56 kassieren müssen. Die Torhüter Peter Gulacsi und Maarten Vandevoordt verhinderten Schlimmeres. Die Defensivspieler sind oft zu langsam und falsch postiert.

17. Dünne Luft

Nur zwei Teams ließen mehr Schüsse nach Flanken (80) zu – und nur Kiel mehr Kopfbälle auf das eigene Tor (108).

18. In der Mitte nicht dicht

60 Prozent der Gegentore entstanden aus dem Zentrum heraus. Nur Stuttgart ist anfälliger (61 Prozent). Und: Schon zehn Gegentore fielen nach Ballverlust im Spielaufbau.

19. Ansprüche

Im Herbst formulierte Boss Oliver Mintzlaff Titel-Ambitionen. Das sorgte für Unruhe, weil Rose und andere die hohen Ziele als unrealistisch einschätzten.

20. Schäfers Erbe

Der neue Manager kam im Sommer spät dazu. Kompetenz-Eitelkeiten ließen eine frühere Einflussnahme nicht zu. So entschied der Ex-Wolfsburger nur den Kauf von Nusa mit. Der spielte bis zu seiner Verletzung solide. Viele andere Zugänge wie Lutsharel Geertruida oder Eljif Elmas floppten.

21. Klopp hilft bisher nicht

Seit Januar ist der neue Fußball-Chef oft in Leipzig – und bei Spielen dabei. Auch vergangene Woche. Geholfen hat es nicht. In Frankfurt (0:4) war es katastrophal.

22. Fan-Lethargie

Auslastung so gering wie nie (95,3 Prozent). Maue Stimmung in der Kurve und oft Ärger wegen Pyrotechnik. RB versucht, die Probleme teilweise mit Zwangsentzug von Dauerkarten zu lösen.

23. Olmo-Abgang

Spielwitz, Cleverness und das besondere Etwas von Dani Olmo fehlen.

24. Probleme gegen Kleine

Die Bilanz gegen Teams aus dem unteren Tabellendrittel: fünf Siege, sechs Unentschieden, eine Niederlage. Heißt: 15 verpasste Punkte.

25. System-Wirrwarr

Vierer- oder Dreierkette? Ein oder zwei Stürmer? Ein, zwei oder drei Sechser? Gab es diese Saison alles. Inklusive Spielern, die auf völlig fremden Positionen spielen mussten (Benjamin Sesko über außen, Nusa als Linksverteidiger). Immer wieder hieß es in der Kabine, dass die Spieler sich in den Formationen nicht sicher fühlten.

26. Spieler blockiert

Starke Talente wie El Chadaille Bitshiabu oder Kosta Nadeljkovic kamen wenig zum Einsatz, Zugang Elmas spielte gar nicht, dreht nach Leihe in Turin auf.

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.