Rakete „New Glenn“ gelingt Landung der wiederverwendbaren Unterstufe


„Never Tell Me The Odds” lautet der Name der 57,5 Meter hohen Raketenstufe, die am gestrigen 13. November um kurz vor 21 Uhr mitteleuropäischer Zeit zusammen mit einer nochmal 23,4 Meter hohen Oberstufe erfolgreich vom Startgelände am Cape Canaveral in Florida abhob. Zusammen bilden die beiden Stufen die „New Glenn“, eine Trägerrakete zur Beförderung schwerer Nutzlasten. Gebaut hat sie das Raumfahrtunternehmen „Blue Origin“, hinter dem Jeff Bezos steht, der Gründer des Techkonzerns Amazon. Dieser zweite Start einer „New Glenn“ ist ein sehr wichtiger Erfolgfür Bezos und Blue Origin sowie für die privatwirtschaftliche Raketenindustrie insgesamt.

Denn im Unterschied zum ersten Start einer New Glenn im Januar dieses Jahres, gelang es diesmal, die sieben Triebwerke der Unterstufe nach der Stufentrennung in 12 Kilometern Höhe erneut zu zünden und „Never Tell Me The Odds“ heil auf einem unbemannten Spezialschiff im Atlantischen Ozean zu landen, der „Jackelyn“, benannt nach Jeff Besoz‘ Mutter. Damit kann die Unterstufe, deren Herstellung um die 100 Millionen Dollar kostet, erneut verwendet werden. Eine solches Manöver beherrschte bislang nur Elon Musks Unternehmen SpaceX mit seien Raketen „Falcon 9“ und „Falcon Heavy“ und praktiziert dies schon seit fast zehn Jahren. Nicht zuletzt durch Wiederverwendung ihrer Unterstufen mit ihren teuren Triebwerken gelang es SpaceX als Anbieter von Raketenstart zum Marktführer aufzusteigen.

Der zweite Start einer New Glenn sollte zunächst am vergangenen Sonntag erfolgen, war aber wetterbedingt abgesagt worden – die Gefahr eines Blitzschlags war schließlich als zu hoch eingeschätzt worden. Der dann für Mittwoch angesetzte Starttermin konnte ebenfalls nicht wahrgenommen werden: aufgrund zu starker Sonnenaktivität sagte die NASA den Start ab. Denn die Raumfahrtbehörde hatte der Raketen zwei kleine Sonden mitgegeben, um sie auf den Weg zum Mars zu bringen. Im Rahmen einer Mission namens ESCAPADE sollen das mit insgesamt rund 80 Millionen Dollar zuzüglich Startkosten sehr preiswerte Raumsonden-Tandem vor allem das schwache und komplexe Magnetfeld des Roten Planeten erforschen.

Mit einer Masse von zusammen gerade einmal einer Tonne starteten die ESCAPADE-Sonden allerdings in einer völlig überdimensionierten Trägerrakete – insofern war der gestrige Start also immer noch ein Testflug, für den die NASA nach Erkenntnissen der amerikanischen Newssite „Ars Technica“ an Blue Origin auch nur 20 Millionen Doller bezahlt hat, deutlich weniger als der Start der beiden Marssonden mit jeder anderen Trägerrakete gekostet hätte. Eigentlich vermag die New Glenn Nutzlasten von bis zu sieben Tonnen in translunare Distanzen von der Erde zu bringen. Für erdnahe Umlaufbahren beträgt die Kapazität der neuen Rakete sogar 45 Tonnen. Mehr schafft allein die Falcon Heavy aus dem Hause SpaceX – aber auch nur wenn die Unterstufen dabei geopfert werden.

Für Flüge, nach denen die Unterstufe wiederverwendet werden kann, hält nun Jeff Besoz‘ New Glenn den Nutzlastrekord, jedenfalls theoretisch. Die Praxis könnte sich aber bald einstellen. Möglicherweise schon im Januar soll die New Glenn einen Prototyp der ebenfalls von Blue Origin hergestellten Mondladeeinheit „Blue Moon“ zum Erdtrabanten schicken und zwar unter Verwendung der nun schon einmal geflogenen Unterstufe „„Never Tell Me The Odds”. Der Name ist übrigens eine Dialogzeile aus den zweiten Star-Wars-Film „Das Imperium schlägt zurück“ aus dem Jahr 1980. „Erzähl mir nie, wie meine Chancen stehen“ sagt dort die von Harrison Ford gespielte Figur Han Solo zu C-3PO, dem etwas zu sehr um Sachlichkeit bemühten Roboter.