Radsport nach Doping-Fällen: Der tägliche Kampf um Sauberkeit

Die Sucht, sagt Leif Hoste, „ist ein Kampf gegen sich selbst“. Radsportler kennen das Ringen mit dem eigenen Körper, erleben es mitunter, wenn sie das Tempo hoch halten, obwohl die Muskeln längst das Signal senden, der Pedaleur möge doch bitte aufhören zu treten. Und einige kennen auch das, was Hoste darüber hinaus erlebt hat: den Sturz vom Sattel in die Sucht.

„Auch saubere Athleten können jetzt gewinnen“

Vom Doper zum Süchtigen: Hoste ist kein Einzelfall, was die Frage aufwirft, ob im Radsport, der sich geläutert gibt, die richtigen Lehren aus der Vergangenheit gezogen wurden. Vor Kurzem hat sich Travis Tygart, der einst Lance Armstrong zu Fall brachte, in seiner Rolle als Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur zu dieser Frage geäußert und der Branche unter Verweis auf das eigene Informantennetzwerk ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Das Portal „radsport-news“ zitiert ihn so: „Die Führungsebene der UCI (Internationaler Radsport-Verband/d.Red.) hat sich gewandelt, sodass die Tage eines nicht komplett, aber fast komplett korrupten Pelotons vorbei sind.“

Leif Hoste: drei Flaschen Wodka am Tag
Leif Hoste: drei Flaschen Wodka am Tagdpa

Was daraus folgt, ist, was selbstverständlich sein sollte, aber lange nicht selbstverständlich war: „Auch saubere Athleten können jetzt gewinnen.“ Man dürfe zwar nicht naiv sein, aber im Grunde sind das doch gute Nachrichten. Warum also diese Zeilen? Weil es mit dem Antidopingkampf ist wie mit der Sucht: Wer sauber ist und es bleiben will, muss jeden Tag aufs Neue kämpfen.

Zumal auch Warnsignale aus dem Peloton dringen. Da wäre zum einen der Fall des World-Tour-Fahrers Oier Lazkano, der wegen Auffälligkeiten im Biologischen Athletenpass vorläufig aus dem Rennen genommen wurde. Da wäre der ehemalige Profi Marcel Kittel, der nicht glaubt, dass der Sport heute sauber ist.

Und da wäre die Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport (MPCC), die sich als freiwilliger Zusammenschluss von Fahrern und Teams härtere Vorschriften auferlegt und die UCI aufgefordert hat, strengere Regeln aufzustellen, um die „eskalierende Medikalisierung des Sports“ zu stoppen.

Jan Ullrich und Marco Pantani als Warnbeispiele

Das Bündnis, dem sieben der 18 World-Tour-Teams angehören, ist „besorgt über den übermäßigen Einsatz von Medikamenten“. Es geht um Mittel, die nicht auf der Liste der Welt-Anti-Doping-Agentur stehen, dort aber landen könnten.

Die MPCC nennt den möglichen Einsatz des Schmerzmittels Tapentadol und eine Mixtur aus „mehreren grenzwertigen Substanzen“, die in Flaschen gemischt und für das Rennende verteilt werden könnten. Ihr Vorwurf: Die UCI handele nicht schnell und entschieden genug, wie sie dies zum Beispiel im Fall der Kohlenmonoxid-Inhalation tat.

Schnellere Verbote können helfen. Den richtigen Umgang zu finden mit Mitteln aus dem Graubereich, ist nicht leicht, aber wichtig. Dort erfolgt häufig der erste Schritt in die Sucht und damit in den Kampf, den vor Leif Hoste schon etliche andere geführt haben.

Jan Ullrich und Marco Pantani zum Beispiel. Der eine hat wohl gerade noch rechtzeitig die Kurve bekommen, sagt von sich, dass er clean sei, und tritt wieder öffentlich auf. Der andere liegt begraben auf einem Friedhof in seiner italienischen Heimat.