Prozess gegen Daniela Klette hat begonnen

Der Prozess gegen Daniela Klette startet am Dienstagmorgen unter drakonischen Sicherheitsvorkehrungen. Das Oberlandesgericht in Celle gleicht einer Festung, rund um das Gelände haben sich vermummte Polizisten mit Maschinenpistolen postiert. Die 66 Jahre alte Klette wird am Morgen in einem silberfarbenen VW-Bus und in Begleitung von Spezialkräften aus der JVA Vechta nach Celle gebracht, wo der Prozess aus Sicherheitsgründen beginnt.

Die frühere RAF-Terroristin ist wegen 13 Raubüberfällen angeklagt, die sie nach der Selbstauflösung der linksextremistischen Terrorgruppe im Jahr 1998 zusammen mit ihren weiter flüchtigen Komplizen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub aus dem Untergrund heraus begangen haben soll. Die früheren Terroristen, die der dritten RAF-Generation zugerechnet werden, erbeuteten dabei insgesamt 2.763.590,91 Euro und setzten dabei ihre alten, teils schweren Waffen ein. Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter 2015 in Stuhr nahe Bremen fielen auch Schüsse. Die Staatsanwaltschaft Verden beschuldigt Klette deshalb auch des versuchten Mordes.

Vor dem Gerichtsgebäude versammeln sich mehr als fünfzig Angehörige der linken Szene zu einer Kundgebung für die frühere RAF-Terroristin. „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ steht auf einem der Banner in großen Lettern, auch „Solidarität mit allen Untergetauchten in Deutschland“ wird bekundet. Im kalten Morgennebel bieten einige Aktivisten den Teilnehmern der Demo solidarischen Kaffee und solidarischen Tee an. Vertreter der bürgerlichen Presse bekommen netterweise zumindest einen „unsolidarischen Kaffee“ angeboten.

Nicht immer ist Klettes Tatbeitrag präzise zu greifen

Auf die Frage, warum er für Klette demonstriert, antwortet ein junger Mann mit Corona-Schutzmaske am Kaffeestand kurz und knapp: „Weil es eine linke Geschichte ist.“ Weil Daniela Klette eine „politische Gefangene“ sei, ergänzt ein Mitdemonstrant. „Es gibt nämlich nur politische Gefangene.“ Ob das auch für die NSU-Terroristin Beate Zschäpe gelte? „Ja, die ist auch eine politische Gefangene.“ Der junge Mann mit Maske kann da nicht mitgehen. Bei ihm stehen die Vorbehalte gegen staatliche Gerichte im Vordergrund. „Ich glaube nicht an die bürgerliche Justiz.“

Im Gerichtssaal beginnt unterdessen der Prozess. Klette wirkt ruhig, gefasst, lauscht der Verlesung der Anklageschrift aufmerksam. Die Staatsanwältin spricht Klette währenddessen wiederholt an als „Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub gebildet hat“. 

Die Ankläger stehen nämlich vor dem Problem, dass der genaue Tatbeitrag Klettes nicht immer präzise zu greifen ist, da die früheren Terroristen sich vermummten, oder Klette beim Überfall selbst gar nicht anwesend war, weil sie das Fluchtfahrzeug steuerte. Beim Überfall auf einen Geldtransporter in Stuhr bei Bremen im Jahr 2015 war Klette aus Sicht der Staatsanwaltschaft hingegen direkt beteiligt und auch die Rollenverteilung scheint klarer als in anderen Fällen. 

Bei der Verlesung der Anklageschrift steht der Überfall in Stuhr an erster Stelle, weil es in diesem Fall auch um den besonders gravierenden Vorwurf des versuchten Mordes geht. Die Staatsanwältin schildert, wie das Ex-RAF-Trio den Geldtransporter vor dem Realmarkt mit einem VW Transporter und einem Ford Focus zunächst blockierten und ihn dann umstellten. 

Anklage: Klette stellte sich vor Wagen, Garweg schoss

Staub habe sich an der Fahrerseite, so die Anklage, mit einem Gewehr aufgestellt, Klette mit einer Panzerfaust und einer Maschinenpistole vor dem Geldtransporter gestanden und Garweg sich mit einem Schnellfeuergewehr an die Beifahrertür gestellt. Das Trio befahl den beiden Sicherheitsmännern, die Türen zu öffnen und aus dem Geldtransporter auszusteigen. Diese hatten aber die Türen bereits unwiderruflich von innen verriegelt. Garweg schießt zunächst in einen Reifen, stößt dann mit der Mündung seines Gewehrs gegen die gepanzerte Scheibe. 

Als auch das zu nichts führt, habe Garweg aus 65 Zentimetern Entfernung in die gepanzerte Scheibe geschossen, verliest die Staatsanwältin. Das Geschoss, eine besonders durchschlagkräftige Hartkernmunition, dringt durch die 24 Millimeter dicke Scheibe, verfehlt den Wachmann auf dem Beifahrersitz nur knapp und dringt in dessen Rückenlehne ein. „Die zweite geht durch!“, habe Garweg daraufhin gerufen und wieder mit seiner Mündung gegen die Scheibe geklopft. 

Dann habe Garweg, die Waffe im Hüftanschlag, einen weiteren Schuss auf die Türe abgegeben. Das Projektil durchschlägt die Türe, prallt gegen im Inneren gegen die Sitzhalterung, zerlegt sich dort in mehrere Teile, die den Wachmann aber abermals verfehlen. Das Täter-Trio erkennt nun, dass der Überfall nicht zum Erfolg führt und bricht die Tat ab. Die beiden Wachmänner, von denen einer mittlerweile starb, leiden nach der Tat unter einem Trauma, unter Zittern und unter Schlafstörungen. Nachdem die Anklage verlesen ist, wird die Verhandlung gegen Mittag das erste Mal unterbrochen.