Auf dem Titel des Auktionskatalogs ist ein Wachturm zu sehen; sein Inneres listet in 623 Positionen Originaldokumente von NS-Verbrechen. Sie stammen aus Konzentrationslagern und Ghettos, aus Zuchthäusern und anderen Haftanstalten. Da wäre etwa, mit einem Rufpreis von 500 Euro versehen, eine Mitteilungskarte aus Auschwitz, die ein Gefangener „mit sehr niedriger Häftlingsnummer“ 1940 nach Krakau sandte. „Sehr gute Erhaltung“, steht dabei.
Mit 400 Euro ausgezeichnet ist ein „Amtsärztliches Gutachten“ aus dem Konzentrationslager Dachau, das 1937 im Zuge der Zwangssterilisation eines Häftlings angefertigt wurde, „detailliert ausgefüllt vom Lagerarzt“ und mit „Signatur eines SS-Mannes“. Eine Gestapo-Karteikarte mit Informationen zur Hinrichtung eines jüdischen Mannes im Ghetto Mackeim vom Juli 1942 geht mit 350 Euro an den Start.

So geht es weiter und fort im Katalog zur Versteigerung „System des Terrors, Vol. II“, die das auf Briefmarken spezialisierte Auktionshaus Felzmann in Neuss am 17. November abhält. Vor sechs Jahren veräußerte es den ersten Teil privat gesammelter Korrespondenz von Häftlingen deutscher Konzentrationslager sowie von Tätern, nun folgt der zweite, und er dürfte eine stattliche Summe einspielen. Die Opfer der NS-Verbrechen sorgen für Umsatz, nicht nur in dunklen Ecken des Internets – und in Amerika ohnehin. Häftlingsbriefe aus Theresienstadt oder Fotos aus einem Ghetto gehören zu den typischen Losen etwa von Alexander Historical Auctions in Maryland, wo man in Deutschland verbotene Symbole nicht scheut.
„Zynische Verwertungslogik“
Entschieden gegen „den kommerziellen Handel mit Dokumenten der NS-Verfolgung und des Holocausts“ spricht sich das Fritz Bauer Institut in Frankfurt aus und protestiert in einer Pressemitteilung gegen die Auktion in Neuss: Die Dokumente würden einer „zynischen Verwertungslogik“ unterworfen, Persönlichkeitsrechte teilweise missachtet, sie gehörten in ein öffentliches Archiv. So ist es. Das Auktionshaus teilt auf Anfrage der F.A.Z. zwar mit, private Sammler betrieben „intensive Forschung“, leisteten einen „Beitrag zur historischen Aufarbeitung“, und ihre Tätigkeit diene nicht „dem Handel mit Leid, sondern der Bewahrung“ der Erinnerung.
Ob Bieter tatsächlich solche Motive haben, ist freilich nicht garantiert. Die Lust am Grauen dürfte als Faktor nicht zu unterschätzen sein, rechtsradikales Gedankengut kann ebenso eine Rolle spielen. Auktioniert sind die Dokumente immerhin dokumentiert. Wäre der Handel mit ihnen verboten, würde er sich auf den hiesigen Schwarzmarkt oder ins Ausland verlagern und wahrscheinlich einiges weggeworfen werden. Das macht das Geschäft mit Relikten der NS-Verbrechen, insbesondere persönlichen Dokumenten der Verfolgten, nicht moralischer. Es bleibt der Appell, solche Sammlungen öffentlichen Einrichtungen zu spenden, um die Opfer zu ehren.
