Immer wieder war von Überraschung die Rede in der vergangenen Woche, wenn rund um die Medientage München der Smalltalk auf ProSiebenSat.1 zu sprechen kam. Ganz egal ob nun von Vertreterinnen und Vertreter des Hauses selbst oder dem Wettbewerb. Natürlich, wurde dann eingeräumt, sei klar gewesen, dass MFE irgendwann und irgendwie seine Interessen durchbringen wollen würde. Aber das jetzt; das sei schon überraschend gekommen.
Ist das wirklich so? Drehen wir die Zeit einmal zurück auf Montag, den 13. Oktober, acht Tage also vor dem Austausch des gesamten Vorstands der ProSiebenSat.1 Media SE. Es ist MIPCOM, die weltgrößte Fernsehmesse im südfranzösischen Cannes. Vor Ort unterwegs ist auch Bert Habets. Der Vorstandsvorsitzende von ProSiebenSat.1 zeigt Flagge. Es sollte sein letzter großer Auftritt in der Branche werden – und viel spricht dafür, dass ihm das damals auch schon klar war.
Im Gespräch mit DWDL.de spricht Habets an jenem 13. Oktober selbst den für drei Tage später geplanten Besuch von Pier Silvio Berlusconi beim bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder an. Der CEO von MediaForEurope, die seit September mehr als 75 Prozent der Anteile an der ProSiebenSat.1 Media SE halten, reist also zum zweiten Antrittsbesuch an – nach dem Treffen mit Weimer in Berlin, nun das Vorsprechen bei Söder.
Bemerkenswert daran: Unterföhring, der Sitz des gerade von MFE erworbenen Unternehmens, wäre nur wenige Kilometer entfernt gewesen vom Treffen mit Markus Söder, doch Pier Silvio Berlusconi reiste zwar extra nach München – aber entscheidet sich bewusst gegen einen Besuch bei ProSiebenSat.1, obwohl das nicht einmal eine halbe Stunde entfernt gewesen wäre, noch dazu auf dem Rückweg zum Flughafen gelegen.
Spätestens an jenem Donnerstag ohne Zwischenstop in Unterföhring war das Schicksal des bisherigen Vorstands der ProSiebenSat.1 Media SE besiegelt: Offensichtlicher konnte man die aktuelle Konzernführung und einen öffentlichen Auftritt mit ihr nicht meiden. Dass es noch dazu nicht einmal eine Grußbotschaft in digitaler Form an die Belegschaft des erworbenen Unternehmens gab, in der man sich naheliegenderweise auch zur Führungsfrage hätte äußern müssen, stützt diese Gewissheit.
Die bewusste Entscheidung, sich nicht mit dem aktuellen Vorstand bei der Belegschaft vorstellen zu wollen, macht dann auch den Austausch des gesamten Vorstands nicht mehr so überraschend. Der bisherige CEO Bert Habets war, wenn auch freundlicher gesinnt, bis diesen Sommer schließlich Wortführer gegen die von MFE befürwortete Strategie für den Konzern. Markus Breitenecker habe MFE mit voreiligen öffentlichen Aussagen verschreckt.
Da der neue ProSiebenSat.1-CEO Marco Giordani nun einmal Finanzvorstand von MFE ist, brachte Martin Mildner als bisheriger CFO wohl schlicht die falschen Qualifikationen mit für einen Verbleib. Um die erhofften Synergien und Effekte durch die Übernahme zu realisieren, war erwartbar, dass MFE sich selbst dieser Themen annehmen würde. Doch wie steht es um den Content? Bleibt Henrik Pabst auf Level der Seven.One Entertainment Group als Chief Content Officer der höchste Inhalte-Mann in Unterföhring?
Die aktuelle Aufstellung wäre eine klare Trennung zwischen einem einerseits international besetztem Vorstand ohne Expertise im deutschen Markt und andererseits einem mit dem Markt vertrauten Team bei der Seven.One Entertainment Group beibehalten. Nach DWDL.de-Informationen sucht MFE seit einigen Wochen nach möglichen Kandidatinnen und Kandidaten fürs Inhaltliche, unklar allerdings in welcher Kapazität und ob sie fündig geworden sind. Unklar ist auch, ob die jetzige Besetzung erst einmal ein Vorstand auf Zeit sein wird oder aber ein Vorbote der künftigen Konstellation ist. Wenige hundert Meter weiter bei Sky Deutschland hat man das Modell der bayerischen Filiale in den vergangenen Jahren ja schon einmal durchgespielt.
