
Der Kurswechsel hatte sich bereits in der vergangenen Woche angedeutet, jetzt ist es offiziell. Der Vorstand um Bert Habets und der Aufsichtsrat von Pro Sieben Sat 1 empfiehlt den Aktionären, ihre Aktien an die Berlusconi-Firma Media for Europe (MFE) zu verkaufen und das nachgebesserte Angebot anzunehmen. Man halte das geänderte Angebot von MFE für „angemessen“. Damit hat das deutsche Fernsehunternehmen seinen Widerstand gegen die Italiener aufgegeben.
Im Mai hatte die Konzernspitze noch massive Vorbehalte gehabt und das MFE-Angebot als „finanziell unangemessen“ bezeichnet. Nun heißt es im neuen Statement: „Pro Sieben Sat 1 begrüßt das geänderte Angebot von MFE, welches das langfristig angelegte Investment und Engagement von MFE in Pro Sieben Sat 1 unterstreicht.“ Vor gut einer Woche hatte MFE sein Angebot deutlich erhöht und damit seine Position im Bieterkampf um Pro Sieben Sat 1 gestärkt. Auch der tschechische Finanzinvestor PPF wollte seinen Anteil von derzeit 15 Prozent erhöhen, hatte seine laufende Offerte aber nicht mehr nachgebessert.

:Sind die Italiener bei Pro Sieben Sat 1 schon am Ziel?
Schon seit Jahren hat die Berlusconi-Firma Media for Europe großes Interesse am deutschen Privatfernsehen. Jetzt wird es langsam ernst, eine Übernahme steht im Raum. Wie ist der Stand, wer positioniert sich wie, und was sagt die Politik?
Media for Europe gehört den Kindern des 2023 gestorbenen früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. Das Unternehmen will eine europäische Sendergruppe aufbauen, zusammen mit Pro Sieben Sat 1. Damit will man gegen große Streaming-Konzerne wie Netflix, Amazon Prime oder Disney bestehen. Die italienische Holding bietet inzwischen 1,3 MFE-A-Aktien für jede Pro-Sieben-Sat-1-Aktie (zuvor waren es lediglich 0,4) sowie 4,48 Euro je Aktie in bar. PPF hingegen hatte den Pro-Sieben-Sat-1-Aktionären insgesamt sieben Euro pro Aktie geboten, was in Summe darunter liegt. Während der Wert des MFE-Angebots zum Teil vom künftigen Aktienkurs der Italiener abhängt, bekommen Anleger bei der PPF-Offerte eine bereits festgelegte Summe.
Silvio Berlusconi hatte seinen Medienkonzern über Jahrzehnte genutzt, um seine politische Karriere und seine Partei „Forza Italia“ zu befördern. Die Berlusconi-Kinder sind bislang nicht in die Politik eingestiegen, stehen der Partei aber nach wie vor nahe. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer zeigte sich jüngst besorgt und lud Sohn Pier Silvio Berlusconi zum Gespräch ins Kanzleramt. Er mache sich Sorgen um „die journalistische und wirtschaftliche Unabhängigkeit auch nach einem Eigentümerwechsel“. MFE hat jetzt schon 33 Prozent der Aktien von Pro Sieben Sat 1.
Pro Sieben Sat 1 ist neben RTL der zweite große private Fernsehkonzern in Deutschland. Neben klassischen Sendern wie Pro Sieben, Sat 1 und Kabel Eins gehört unter anderem auch der Streaminganbieter Joyn zu der Firmengruppe. Die Geschäfte liefen zuletzt schlecht, die Werbeeinnahmen gehen zurück. Der Vorstand hofft auf eine Erholung im zweiten Halbjahr 2025.