
Der gemäßigt konservative Senator Rodrigo Paz hat die Stichwahl in Bolivien gewonnen. Der 58 Jahre alte Paz, Sohn des früheren Präsidenten Jaime Paz Zamora, setzte sich am Sonntag laut offiziellen Ergebnissen mit 54,5 zu 45,5 Prozent der Stimmen gegen den konservativen ehemaligen Interimspräsidenten und mehrfachen Präsidentschaftskandidaten Jorge Quiroga durch.
Der politische Richtungswechsel in Bolivien hatte schon vor der Stichwahl festgestanden. Sowohl Paz wie Quiroga versprachen eine Abkehr der linksorientierten Politik und staatlich gelenkten Wirtschaftspolitik, die Bolivien seit der Ära des früheren Präsidenten Evo Morales und dessen „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) geprägt haben. Bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen im August hatten die Bolivianer der Linken eine klare Abfuhr erteilt.
Schwere Wirtschaftkrise in Bolivien
Die Wahl fiel inmitten einer tiefen wirtschaftlichen Krise in Bolivien, das lange Zeit auf seine Gasexporte setzen konnte, die eine großzügige Umverteilungspolitik erlaubten. Die Exporteinnahmen sind in den vergangenen Jahren sukzessive geschrumpft. Heute verfügt Bolivien kaum noch über Devisenreserven. Die Inflation liegt bei über 20 Prozent, der Treibstoff und auch gewisse Lebensmittel sowie andere Waren sind knapp geworden. Beide Kandidaten versprachen im Wahlkampf eine liberale Wirtschaftspolitik und Haushaltsdisziplin.
Auch außenpolitisch ist eine Neuausrichtung zu erwarten. Während Bolivien unter MAS-Regierung eine ausgeprägt antiwestliche Rhetorik sowie enge Beziehungen zu Russland, China und Kuba pflegte, dürfte Paz die Wiederannäherung an den Westen suchen, um das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte zurückzugewinnen. Der Regierungswechsel dürfte mittelfristig zudem die seit längerem vorgesehene und hinausgezögerte Einbindung Boliviens in den Mercosur-Wirtschaftsblock erleichtern, wodurch das Land im Falle eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem Mercosur auch aus europäischer Sicht an Bedeutung gewinnt.
Paz gewinnt mit sozialliberalem Programm
Paz und Quiroga versprachen dieselben Rezepte. Die Stimmen der Linken dürften am Ende den Ausschlag für den Sieg von Paz gegeben haben. Dem 65 Jahre alten Quiroga, der von vielen als typischer Vertreter des Establishments gesehen wird und der im Wahlkampf zunächst die Kettensäge als Rezept gegen die Krise versprochen hatte, fiel die Annäherung an die andere Seite der Mitte schwerer. Paz gelang es indes, mit einem sozialliberalen Ansatz eine jüngere Wählerschaft anzusprechen und sich als Vermittler zwischen den urbanen Mittelschichten und ländlichen Regionen zu präsentieren. Mitentscheidend war auch sein Vizekandidat Edman Lara, ein ehemaliger Polizeihauptmann, der sich in den sozialen Netzwerken erfolgreich als Kämpfer gegen die Korruption gab.
Beide Kandidaten hatten sich während des Wahlkampfes zudem um eine Annäherung an die indigene Bevölkerungsmehrheit und ärmere Bevölkerungsschichten bemüht, die einst die Kernwählerschaft der MAS waren. Paz versprach eine „neuen Balance“ zwischen Markt und sozialer Gerechtigkeit und plädierte für mehr politische Teilhabe indigener Gemeinden.
Quiroga und Paz wollen zusammenarbeiten
Um zu regieren, braucht Paz nicht die Opposition, sondern die Unterstützung von Quiroga und anderer politischen Kräften aus dem Mitte-rechts-Lager, das im künftigen Parlament erstmals seit über 15 Jahren eine Mehrheit hat. Schon vor der Wahl hatten Quiroga und Paz versichert, in einer „Regierung der nationalen Verantwortung“ zusammenzuarbeiten, um die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren.
Dennoch darf die Opposition nicht außer Acht gelassen werden. Sie verfügt weiterhin über eine beachtliche Anhängerschaft, die rasch wieder wachsen könnte, sollte die wirtschaftliche Krise anhalten. Trotz des dramatischen Niedergangs der MAS und von Morales selbst, gegen den ein Haftbefehl wegen einer angeblichen sexuellen Beziehung zu einer Minderjährigen vorliegt, verfügt auch der ehemalige Präsident weiterhin über ein großes Potenzial, seine Anhänger für Straßenblockaden zu mobilisieren und dadurch das Land zu destabilisieren.