
Die Labubu-Figuren des chinesischen Unternehmens Pop Mart lösen weltweit einen Sammlerboom aus. Mit cleverem Marketing und dem Konzept der Blindbox erzielt die Marke Rekordgewinne. Doch Experten zweifeln an der Langfristigkeit des Trends.
Plüschiges Fell, gezackte Zähne, spitze Ohren: Die Figuren des chinesischen Unternehmens Pop Mart haben einen weltweiten Sammlerwahn ausgelöst. Die sogenannten Labubus sind längst nicht mehr nur bei chinesischen Jugendlichen beliebt. Inzwischen stehen Fans vor den mehr als 500 Filialen Schlange, um an eine der begehrten Figuren zu kommen. Der Hype um die Labubus außerhalb Chinas steht stellvertretend für den wachsenden internationalen Einfluss asiatischer Popkultur – etwa von japanischen Mangas oder südkoreanischen Streaming-Hits.
„Die spitzen Ohren von Labubu überschreiten die Grenzen der Sprache, aber ihre Essenz ist in Chinas Verständnis der globalen Jugendkultur verwurzelt“, hat Pop-Mart-Gründer Wang Ning einmal gesagt. Markensoziologe Oliver Errichiello sieht in der riesigen Nachfrage den Erfolg des Konzepts „Guochao“ – was übersetzt so viel wie „nationaler Trend“ oder „China-Chic“ bedeutet. Dieses Phänomen beschreibt den Aufstieg einheimischer chinesischer Marken, die nicht mehr versuchen, sich an westlicher Ästhetik zu orientieren, sondern selbstbewusst ihre eigenen kulturellen Traditionen neu interpretieren. „Chinesische Marken haben erkannt, was westliche Marken lange Zeit als selbstverständlich angesehen haben: Herkunft ist ein unnachahmlicher Wettbewerbsvorteil“, sagt Errichiello ntv.de.
Zu dem Erfolgsmodell des Unternehmens gehört neben einer überwältigenden Präsenz in den sozialen Netzwerken auch: Pop Mart hält die Herstellungskosten niedrig und verkauft seine Figuren hauptsächlich in eigenen Läden. Zwischenhändler gibt es nicht. Die Spielzeuge werden außerdem in sogenannten Blindboxen verkauft, bei denen Käufer nicht genau wissen, welche Figur sie erhalten. Auf der Rückseite der Verpackung gibt es lediglich einen Hinweis auf sieben Figuren, die sich in dem Karton befinden könnten. Ist das gewünschte Exemplar nicht dabei, regt das zu Wiederholungskäufen an.
Kritiker vergleichen Konzept mit Glücksspiel
„Auch wenn sich mit der Digitalisierung viele Dinge ändern, bleibt eins gleich: der Wunsch nach Vollständigkeit. Menschen wollen von einer Ausgabe alle Versionen besitzen“, erklärt Errichiello das Phänomen Labubu. „Die Vorliebe zum Sammeln ist in den Menschen tief verankert. Sammeln bedeutet Ordnung. Je unübersichtlicher und chaotischer die Welt ist, desto größer wird der Wunsch nach Stabilität und Sicherheit.“ Der Faktor Zufall ist dabei nicht unumstritten. Kritiker vergleichen das Konzept oft mit Glücksspiel.
Eine Labubu-Blindbox kostet in China online umgerechnet 14 US-Dollar, in den USA ist sie für 28 US-Dollar zu haben. In Deutschland liegen die Preise zwischen 15 und 40 Euro. Limitierte Figuren können hingegen jedoch schnell deutlich teurer werden. Laut der US-Bank Morgan Stanley ist Pop Mart inzwischen eine der am schnellsten wachsenden globalen Marken. Die Aktien des Unternehmens sind dieses Jahr bereits um rund 180 Prozent gestiegen. Der Marktwert liegt damit bei 36 Milliarden Euro. In Deutschland kommt etwa der Sportartikelhersteller Adidas an eine Bewertung in dieser Größenordnung heran.
Dem Hype hat das Unternehmen laut dem Finanzportal Bloomberg im vergangenen Jahr mit fast 67 Prozent eine der höchsten Bruttogewinnmargen chinesischer Firmen zu verdanken. Zum Vergleich: Die Gewinnspanne des Haushaltswaren- und Spielwarenhändlers Miniso Group liegt bei 45 Prozent, die des E-Autobauers BYD bei 20 Prozent. Pop Mart kann in den USA laut Morgan Stanley Margen bis zu 75 Prozent erzielen – unabhängig von Zöllen, die eventuell in Kraft treten. Schätzungen zufolge könnten die Umsätze in Nordamerika bis 2029 mit denen in China gleichziehen. Bis 2027 erwartet die Investmentbank, dass der Umsatz auf sechs Milliarden US-Dollar steigt. Das entspricht einer Steigerung von 500 Prozent im Vergleich zum Jahr 2023.
„Mensch ist kein rationaler Verbraucher“
Auch wenn man einen anderen Eindruck gewinnen könnte, der Hype um die Labubus kam nicht über Nacht. Die Figuren sind eine Erfindung des Hongkonger Künstlers Lung Kasing. Er erfand die Kreaturen 2015 für seine Buchreihe „The Monsters“. Inspiriert hat ihn dabei die nordische Folklore – auch das zeigt die globalen Einflüsse auf Jugendkultur. Vier Jahre später unterzeichnete Kasing mit Pop Mart eine Vereinigung, die dem Unternehmen die exklusiven Rechte zur Produktion und zum Verkauf der Figuren erlaubt.
Abseits von klassischen Werbekanälen wurden Labubus über soziale Medien wie Tiktok und Instagram immer bekannter. Spätestens seit die thailändische Sängerin Lisa ihre Labubus auf Instagram zeigte, nahm der Trend massiv an Fahrt auf. Dieses Jahr teilten dann unter anderem die Sängerinnen Rihanna und Dua Lipa ihre Liebe für die Labubus auf ihren Social-Media-Accounts mit ihren Millionen Followern.
Dass Menschen trotz immer weiter steigender Lebenshaltungskosten ihr Geld in kleine Plüschanhänger zu stolzen Preisen investieren, erklärt Markensoziologe Errichiello so: „Der Mensch ist kein rationaler Verbraucher.“ Gerade wenn das Leben immer herausfordernder werde, stelle ein unvernünftiger Konsum eine kleine Verschnaufpause dar. „Wer sich für 40 Euro einen Labubu kauft, handelt kontrolliert unvernünftig und zeigt seiner Umwelt, dass man sich ab und zu etwas leistet.“
Ein Geschäftsmodell mit Zukunft?
Errichiello gibt allerdings zu bedenken, dass auch die Spielzeugbranche Trends unterliegt. „Die Langfristigkeit von Hypes ist heutzutage begrenzt, weil immer mehr in immer kürzeren Abständen auf Verbraucher einströmt.“ Außerdem sei die Logik von sozialen Netzwerken wie Tiktok, die diese Trends groß machen, nicht auf Langfristigkeit angelegt. „Sie funktionieren deswegen so gut, weil sie immer etwas Neues bieten.“
Noch funktioniert das Geschäft mit den Labubus hervorragend: Im ersten Quartal 2025 sind die Umsätze in den USA im Vergleich zum Vorjahr um 900 Prozent gestiegen. In Europa sind sie im gleichen Zeitraum um 600 Prozent gewachsen, wie aus einem jüngsten Geschäftsbericht hervorgeht.
In Chinas Designerspielzeugbranche hat Pop Mart bereits Geschichte geschrieben. Experten geben aber zu bedenken: Im Gegensatz zu den Figuren von Walt Disney und Co fehlt es den Labubus von Pop Mart an langlebigen Geschichten, die Generationen überdauern können.