
Der Polizeibeauftragte des Bundes, Uli Grötsch, hält es in der Migrationsdebatte für eine der zentralen Fragen des Jahres 2025 und darüber hinaus, wie künftig die Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen durchgeführt werden können, damit sie für die Bundespolizei leistbar bleiben. „Was fehlt, ist eine Perspektive“, sagte Grötsch am Dienstag während eines Redaktionsbesuchs in der F.A.Z.
Der Polizeibeauftragte ist der Ansicht, dass die Grenzkontrollen in der aktuellen Form nicht mehr lange aufrechtzuerhalten seien, da die Bundespolizei an der Belastungsgrenze sei. Zudem sagte er, dass „die Zurückweisungen an den deutschen Grenzen nicht für den Rückgang der Asylanträge in Deutschland verantwortlich“ seien. „Vielmehr hat sich in den Herkunftsländern herumgesprochen, dass man nicht mehr so einfach nach Europa und nach Deutschland hereinkommt.“ Daher sei er zwar für eine Fortführung der Grenzkontrollen, aber in einer anderen Form, so Grötsch.
Grötsch fordert deshalb den „verstärkten Einsatz von technischen Mitteln“ wie automatisierten Kennzeichenerkennungssystemen. Zudem müssten Kontrollstellen ad hoc eingerichtet werden, um für Schleuser weniger berechenbar zu sein. An manchen Grenzabschnitten wäre es laut Grötsch effektiver, „nachts fünf oder sechs Drohnen mit Wärmebildkameras aufsteigen zu lassen, als mit einem Einsatzzug der Bereitschaftspolizei auf eine unerlaubte Einreise zu warten“.
2,7 Millionen Überstunden
Wegen der intensivierten Grenzkontrollen haben sich bei der Bundespolizei bis Ende August rund 2,7 Millionen Überstunden angehäuft. Polizisten sind in der Regel sieben Tage an der Grenze im Einsatz und haben währenddessen Zwölf-Stunden-Schichten. Die Arbeitsbelastung betrifft auch das Thema Rückführungen, denn jede Person, die zurückgeführt wird, bindet mehrere sogenannte „Personenbegleiter Luft“ der Bundespolizei – insbesondere bei Gewalttätern.
Grötsch beklagte im Gespräch, dass angesichts dieser Belastungen eigentlich keine Kapazitäten mehr vorhanden seien für „die anderen Dinge, die die Bundesbereitschaftspolizei übernehmen soll, wie Fußballeinsätze oder große Demo-Lagen“.
Der Polizeibeauftragte kritisierte zudem die Bedingungen, unter denen die Bundespolizisten teilweise ihren Dienst verrichten müssen. Es gebe Unterkünfte für die Einsatzkräfte, die weder über eine Waffenkammer noch über eine Dusche verfügten. Ebenso gebe es große Problemfälle bei der Ausstattung der Dienststellen an Bahnhöfen, so beispielsweise in Fulda, Hanau und Frankfurt. Grötsch sagte dazu: „Meiner Ansicht nach ist es die Pflicht der Verkehrsunternehmen, dafür zu sorgen, dass eine vernünftige Infrastruktur vorhanden ist.“ Er setze sich daher dafür ein, eine entsprechende Regelung in das neue Bundespolizeigesetz aufzunehmen.
Grötsch: Kolleginnen erleben massivste sexualisierte Beleidigungen
Ein weiteres großes Problem neben der großen Belastung ist laut Grötsch auch die mangelnde Wertschätzung, die vielen Beamten begegnet. „An Flughäfen und in Bahnhöfen gehören vor allem für Kolleginnen massivste sexualisierte Beleidigungen zum täglichen Geschäft.“ Grötsch sagte weiter: „Natürlich macht es auch etwas mit dir, wenn du in jeder zweiten Schicht mit einem Widerstand zu rechnen hast. Wenn du statistisch gesehen bei jeder zweiten Schicht damit rechnen kannst, körperlich attackiert zu werden.“
Auch zum Thema Drohnenabwehr äußerte sich Grötsch. Hier gebe es derzeit in Deutschland „eine sehr große offene Flanke“. Es sei dringend notwendig, schnell zu handeln. „Ob das nun die Bundespolizei übernimmt oder die Bundeswehr, ist am Ende egal. Hauptsache, es wird gemacht“, sagte Grötsch.