
Auf seinem Feldzug gegen die internationale Pharmaindustrie und die hohen Arzneimittelpreise in Amerika hat US-Präsident Donald Trump eine weitere Schlacht für sich entschieden: Der Darmstädter Pharma- und Technologiekonzern Merck wird seine Behandlungen für künstliche Befruchtungen, sogenannte In-vitro-Fertilisationstherapien (IVF), in den Vereinigten Staaten zu deutlich geringeren Preisen anbieten, und das auch noch über die von Trump kürzlich angekündigte regierungseigene Einkaufsplattform TrumpRX.
Dieses „historische“ Abkommen, wie es Trump selbst bezeichnete, wurde von ihm am späten Donnerstagabend deutscher Zeit im Weißen Haus verkündet – ganz so, wie es der Präsident am liebsten hat. Merck ist damit der erste deutsche Pharmakonzern, der sich nach Trumps deutlichen Drohschreiben aus dem Sommer einem Preisabkommen beugt. Bislang hatten sich nur der US-Riese Pfizer und das britisch-schwedische Schwergewicht Astra-Zeneca für den vergünstigten Verkauf über die Direktplattform bewegen lassen.
Zollbefreiung für Investitionen in den USA
Merck ist führend im Bereich der Kinderwunschbehandlungen und wird im Gegenzug gemäß dem US-Gesetz Section 232 von Pharmazöllen auf pharmazeutische Produkte und Inhaltsstoffe seines Nordamerikageschäfts EMD Serono befreit. Die Darmstädter müssen dazu in den Vereinigten Staaten allerdings zusätzlich noch in die biopharmazeutische Produktion und Forschung investieren. „Wir sind entschlossen, unsere Präsenz durch die künftige Herstellung von Produkten unseres Portfolios an Fertilitätsmedikamenten vor Ort weiter auszubauen“, sagte Merck-Chefin Belén Garijo in einer Mitteilung des Unternehmens.
Schon jetzt wird in Darmstadt die wichtige Rolle des US-Marktes für alle drei Geschäftsbereiche des Unternehmens betont. Mit rund 14.000 Mitarbeitern an mehr als 70 Standorten beschäftigt Merck in den USA mehr Menschen als am Stammsitz in Darmstadt. Gut ein Viertel des Umsatzes auf der Welt erzielte das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr im Trump-Land. Die IVF-Therapien sind zudem ein wichtiges Umsatzfundament des Pharmasegments, wie Konzernchefin Garijo und ihre Managementkollegen am Donnerstag auf dem Kapitalmarkttag in Darmstadt mehrfach hervorhoben. Zu diesem Zeitpunkt war das Abkommen mit Trump noch nicht publik. Gut 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftete der südhessische Dax-Konzern im vergangenen Jahr mit den Fertilitätsmedikamenten.
Der Deal mit Trump sieht nun konkret vor, dass die Merck-Präparate Gonal-F, Ovidrel und Cretotide von Anfang 2026 an über TrumpRX vertrieben werden. Würden alle drei Medikamente kombiniert, bekämen Patienten einen Rabatt von 84 Prozent auf den aktuellen Listenpreis, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Darin wird auch von mehr als zehn Millionen amerikanischen Frauen gesprochen, denen man damit bei ihrem Kinderwunsch helfe. Jedes achte amerikanische Paar kämpfe demnach mit einem unerfüllten Kinderwunsch, künstliche Befruchtungen seien aber teuer. „Dank unserer Zusammenarbeit mit Präsident Trump und seiner Regierung bekommen mehr Familien in den USA von nun an Zugang zu innovativen IVF-Therapien und können sich hoffentlich ihren Kinderwunsch erfüllen“, ließ sich der seit Juli amtierende neue Pharmachef Danny Bar-Zohar zitieren. Außerdem strebt Merck noch eine beschleunigte US-Zulassung für sein innovatives Fruchtbarkeitsmedikament Pergoveris an, das schon in 74 Ländern zugelassen ist.
Novo Nordisk im Visier des Präsidenten
Während Merck von einer freiwilligen Vereinbarung mit der Trump-Regierung spricht, geht der US-Präsident beim dänischen Wettbewerber Novo Nordisk, der ebenfalls zu den 17 Adressaten des Trump’schen Preissenkungsschreibens zählte, brachialere Wege. So kündigte Trump am Donnerstag neben dem Merck-Deal auch satte Preissenkungen für das Diabetesmedikament Ozempic an, mit dem die Dänen in den USA und rund um die Welt den Hype um die sogenannten Abnehmspritzen zunächst ausgelöst hatten, bevor die Adipositas-Version Wegovy auf den Markt kam. Statt des bisher geltenden US-Listenpreis von etwa 1000 Dollar solle Ozempic bald für nur noch 150 Dollar im Monat erhältlich sein, was grob ein Zehntel des Preises wäre. „Die werden 150 Dollar aus eigener Tasche kosten“, sagte er während einer Pressekonferenz im Oval Office. Nur: Eine solche Vereinbarung mit Novo gibt es bislang gar nicht, griff Mehmet Oz, der Chef der zuständigen US-Gesundheitsbehörde CMS, schnell ein. Er stellte auch klar, dass die Verhandlungen über den Preis des Medikaments noch andauern. Wörtlich sagte Oz: „Wir haben das noch nicht verhandelt.“
Für Trump sind das scheinbar Feinheiten, die seinem Muskelspiel im Oval Office nicht im Wege stehen. Und auch wenn sich Novo selbst zu dem aufgerufenen Billigpreis nicht unmittelbar äußert, zeigt die übergriffige Preispolitik des Präsidenten an den Börsen Wirkung. Für die in diesem Jahr schon arg gebeutelte Novo-Aktie ging es unmittelbar ins Minus. An der Kopenhagener Heimatbörse verloren die Papiere am Freitag zeitweise mehr als sieben Prozent an Wert. Seit Jahresbeginn beträgt der Kursverlust mehr als 45 Prozent.
In Mitleidenschaft gezogen wurde zudem Novos ärgster Rivale auf dem Gebiet der Abnehmspritzen, Eli Lilly. Auch die Aktie des US-Konzerns verlor im späten Handel am Donnerstag noch bis zu 4,7 Prozent. Eli Lilly bietet mit Mounjaro und Zepbound Diabetes- und Abnehmmedikamente, die mit Novos Ozempic und Wegovy um die Marktführerschaft auf dem lukrativen Diabetes- und Abnehmmarkt konkurrieren. Die beiden Novo-Präparate gehören auch zu den Medikamenten, die im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) für Preisverhandlungen ausgewählt worden sind. Auf dieser Liste stehen auch zwei Präparate des deutschen Pharmaprimus Boehringer Ingelheim, darunter der wichtige Umsatztreiber Ofev.
Für Merck hielten sich die Kursverluste am Freitag mit gut einem Prozent in Grenzen. Erste Aussagen des Managements zum kommenden Jahr im Rahmen des Kapitalmarkttags der Darmstädter hatten die Aktie am Vortag deutlich stärker belastet. Auf Jahressicht steht ein Minus von mehr als 20 Prozent zu Buche.