
Viele Fußballfans begingen bis zuletzt in jedem Frühling einen Extrafeiertag. Nämlich immer dann, wenn Paris Saint-Germain aus der Champions League ausschied. Am schönsten war es, wenn die prunkhafte Fußballmannschaft aus Paris spektakulär scheiterte. In Barcelona verspielte sie mal ein 4:0 aus dem Hinspiel, gegen Manchester reichte ein 2:0-Auswärtssieg im Rückspiel nicht. Ging es gegen PSG, drückten viele selbst Man City, Real Madrid oder dem FC Bayern die Daumen. Deren Erfolge fühlten sich fast so an, als würde Bielefeld im Pokal RB Leipzig raushauen.
Das hatte mit der obszönen Strategie zu tun, die PSG über viele Jahre praktizierte. Die stinkreichen katarischen Besitzer kauften regelmäßig einen Weltstar. Doch in entscheidenden Spielen kam wenig von diesem „Luxuskaufhaus des Fußballs“, wie Philipp Lahm vor vier Jahren auf ZEIT ONLINE schrieb. Irgendwann wichen sie von der Shoppingmethode ab, und als vor einem Jahr Kylian Mbappé als letzte Edelmarke den Verein verließ, dachte man: Projekt gescheitert.
Doch nun steht PSG im Finale der Champions League, nach Siegen gegen Liverpool und Arsenal – und ist gegen Inter Mailand an diesem Samstag in München nicht der Außenseiter. Früher war der Club das verhasste Symbol des Turbokapitalismus. Jetzt hat PSG eine Mannschaft und plötzlich Erfolg. In dieser Saison spielt sich eine Story ab, die Fußballromantikerinnen und Fußballromantikern gefallen müsste.
Der 2. August 2017 war ein historischer Tag im Fußball. Damals wechselte der Brasilianer Neymar von Barcelona nach Paris. Sein Preis: 222.000.000 Euro. Es ist der bis heute teuerste Transfer aller Zeiten. Vom Fußballgeschäft war man viele kommerzielle Eskapaden gewohnt, doch hier schien eine Grenze überschritten.
Ein gewaltiges Störgefühl entstand. Die katarischen Besitzer von PSG wollten mit ökonomischer Macht auf die Landkarte, und missbrauchten dafür den Fußball. Das Emirat betrieb Sportswashing und Geopolitik. Sie fluteten den ohnehin überhitzten Markt mit neuen Rekordsummen und nebenbei kaufen sie sich den Champions-League-Titel.
Heute weiß man: geopolitisch war PSG vielleicht eher ein Erfolg als sportlich. Meister in Frankreich wurde der Verein fast immer, aber das interessierte niemanden. Und nur einmal erreichte PSG das Finale der Champions League, und das im Coronajahr 2020, als die Endphase des Turniers als Miniturnier ausgetragen wurde und die üblichen Favoriten aus Spanien und England ohne Vorbereitung antraten.
Es war eben nur Geld, was Katar einbrachte. Das ist zwar eine Voraussetzung für den Erfolg im Spitzenfußball, doch alleine reicht es natürlich nicht. Das ist der Trost, den diese Fußballsaison spendet, in der PSG nach dem wichtigsten Titel greift. Es braucht Trainerarbeit, der Kader muss sinnvoll verstärkt werden, eine sportliche Idee ist unablässig, wenn man was gewinnen will.
Die Highlights der drei Superstürmer Kylian Mbappé, Neymar und Lionel Messi waren immer sehenswert. Doch sie spielten für sich. Sie blieben stehen, wenn der Gegner den Ball hatte, und ließen die restlichen acht, die das gleiche Trikot trugen, die Abwehrarbeit verrichten. So sah die kapitalistische Pariser Dekadenz auf dem Platz aus.
PSG war ein Fragment, an dem namhafte Trainer scheiterten, und letztlich auch die Spieler. Das Könnertum der Individuen konnte man bestaunen wie die Parfumflakons im Samaritaine, an denen alle Kunden stehen bleiben, die sich aber keiner leisten kann. Mbappé wuchtete den Ball ins Netz, Sergio Ramos gewann Kopfballduelle, Neymar trickste fünf Gegner aus, Messi war nicht vom Ball zu trennen. Doch sie fügten sich nicht zu einer Einheit, sie trugen ihr Talent zur Schau.
Kicken kann er – Der Fußball-Podcast:
Neymar ist der Inbegriff der Fußballdekadenz