Der Spaß ist zurück im Kloster Goldenstein. Auf einer Matratze rutscht Schwester Rita, 82, die Treppenstufen in dem Gemäuer in Elsbethen nahe Salzburg herunter, begleitet von Teenager-Johlen. Das „Stiegenrutschen“, dokumentiert in einem Instagram-Video, ist eine alte Internatstradition zur Begrüßung neuer Schülerinnen, die Ordensfrau führt sie der britischen Botschafterin in Österreich vor, Lindsay Skoll. Die Diplomatin ist an diesem Tag Mitte November zu Besuch in dem Kloster, das seit einigen Wochen weltberühmt ist. Wegen dreier Nonnen der Augustiner Chorfrauen, die sich nicht unterkriegen lassen: Schwester Rita und ihre Mit-Schwestern Bernadette, 88, und Regina, 86, flohen Anfang September aus einem Altersheim und kehrten in ihr altes Zuhause zurück.
Seit fast drei Monaten besetzen die Nonnen nun ihr altes Kloster, gegen den Willen von Markus Grasl, Propst des Augustiner-Chorherrenstifts Reichersberg. Der wurde vor drei Jahren ihr Ordensoberer, weil den Schwestern der Nachwuchs fehlte. Er fand, die drei Damen seien besser im Pflegeheim aufgehoben. Doch die sahen das anders: Mithilfe eines Schlüsseldiensts verschafften sie sich Zugang zum Kloster und waren schockiert über das Durcheinander, das sie dort vorfanden. Die Zimmer durchwühlt, Toiletten teilweise herausgerissen, der Treppenlift abgebaut, der Zugriff auf ihre Bankkonten gesperrt, wie sie der Süddeutschen Zeitung bei einem Besuch erzählten. Ihre Helfer, ein Kreis aus ehemaligen Schülerinnen und Menschen aus der Umgebung, sorgten dafür, dass der Strom wieder fließt und die Schwestern mit Essen und medizinisch versorgt werden. Auch ein neuer Treppenlift wurde gespendet.
Medien in der ganzen Welt berichteten über das Schicksal der drei Frauen, die sich mit der katholischen Kirche anlegen, auf ein selbstbestimmtes Leben im Alter pochen und ihr Gelübde zum Gehorsam ganz anders auslegen, als der Propst es interpretiert. In jedem Interview, das die Nonnen in den vergangenen Monaten gaben, betonten sie den Wunsch nach einem klärenden Gespräch. Doch Grasl wollte nicht. Die Fronten waren verhärtet.
Jetzt ist in den Streit Bewegung gekommen. Der Propst ist bereit, die drei Frauen weiter in Kloster Goldenstein wohnen zu lassen, teilte sein eigens für diese Causa engagierter Sprecher Harald Schiffl mit. Am Dienstag hatte er dem Helferkreis der Nonnen eine entsprechende Vereinbarung überreicht, die der SZ vorliegt. Die drei Schwestern dürfen „bis auf Weiteres ihren Aufenthalt im ehemaligen Klostergebäude in adaptierten Zimmern (der Klausur) nehmen“, heißt es darin. Auch für die altersgerechte Anpassung des Klosters und die Pflegebetreuung werde gesorgt.
Ein Friedensangebot vom Propst? Hat sich David gegen Goliath behauptet?
Als ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk wird das Angebot im Kloster überhaupt nicht angesehen. „Die Schwestern haben sich einstimmig dagegen entschieden, das Dokument zu unterschreiben“, sagt Christina Wirtenberger, eine Helferin der Nonnen, am Telefon. Grasls Forderungen gingen ihnen zu weit. Zudem sei der Vertrag so formuliert, dass die Schwestern „praktisch jederzeit erneut ins Pflegeheim gebracht werden können“. In der Vereinbarung werden die Nonnen dazu verpflichtet, sich für einen Platz im Pflegeheim Elsbethen anzumelden. Dorthin sollen sie übersiedeln, sobald sie pflegebedürftig seien.
Eine der Bedingungen: ein Social-Media-Verbot für die Schwestern
Zu den Bedingungen des Propstes gehört unter anderem, dass die Schwestern ihren Anwalt von seinen Aufgaben entbinden und zusichern, niemals wieder einen zu engagieren. Die geistliche Betreuung der Frauen soll ein Priester aus dem Stift Reichersberg übernehmen, der zudem im Kloster leben soll. „Die Helfer ziehen sich aus dem Kloster zurück und dürfen keine Entscheidungen für die Schwestern treffen, das obliegt allein dem Propst“, heißt es weiter. Das Bankkonto der Schwestern, auf das ihre Pensionen überwiesen werden, wird weiterhin vom Propst verwaltet, die Schwestern erhalten keinen Zugriff. Außerdem fordert Grasl: „Sämtliche Social-Media-Aktivitäten der Schwestern werden ab sofort eingestellt.“
Der Druck auf den Propst war in den vergangenen Wochen immer größer geworden. Da war zum Beispiel die Sache mit der Sozialhilfe, die das Stift Reichersberg für die Unterbringung der Schwestern im Pflegeheim beantragt hatte. Weil aber die Nonnen über ein beträchtliches angespartes Vermögen aus ihrer Zeit als Lehrerinnen verfügen und sie darüber hinaus monatlich Pensionen in Höhe von etwa 5000 Euro erhalten, waren die rechtlichen Bedingungen dafür gar nicht gegeben. Salzburgs Soziallandesrat Wolfgang Fürweger (FPÖ) zitierte Grasl zum Gespräch. Der Propst zeigte sich einsichtig, die Sozialhilfe in Höhe von 69 000 Euro an das Land Salzburg zurückzuzahlen, wie Fürweger der SZ am Telefon bestätigte. Es hätte ja auch anders für den Kirchenmann ausgehen können.
„Ich bin weiterhin der Meinung, dass die Schwestern in einem Pflegeheim umfassend betreut werden würden“, wird Grasl in einer Pressemitteilung zitiert, „nehme aber den Wunsch der drei sehr ernst und möchte als Ordensoberer, dem das Wohl der Schwestern selbstverständlich absolut wichtig ist, eine Möglichkeit für die weitere Zukunft bieten.“ Das Kompromissangebot sei „in intensiven Gesprächen mit den zuständigen Stellen in Rom und der Erzdiözese Salzburg“ zustande gekommen. Mit den Schwestern geredet hat er aber noch immer nicht.
