Nur Trum kann Netanjahu zu Zugeständnissen bewegen

In Libanon und Syrien setzt die Regierung von Benjamin Netanjahu auf einen aggressiven Konfrontationskurs. Sie bringt dadurch Regierungen in Bedrängnis, mit denen eine Annäherung möglich wäre. Im Gazastreifen, wo wieder Militäroperationen angelaufen sind, herrscht Furcht vor einer neuen Großoffensive.

All das ist Ausdruck einer neuen Realität in der Region, vor der die Machthaber nicht die Augen verschließen können: Israel hat sich in den Kriegen nach dem monströsen Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 nicht nur gegen seine von Vernichtungswillen getriebenen Feinde behauptet. Es ist jetzt militärisch vollkommen unangefochten.

Die Hamas ist geschwächt. Die Hizbullah in Libanon, die mit Abstand wichtigste Truppe der von Iran gelenkten Schattenarmee, hat sowohl ihre Schlagkraft als auch ihre Abschreckungsfähigkeit verloren. Das iranische Regime selbst hat lernen müssen, dass es der Militärmacht seines Erzfeindes kaum etwas entgegenzusetzen hat. Sollte Teheran jetzt nach der Atombombe greifen, um das Abschreckungsungleichgewicht aufzuheben, würde das eher zu harten israelischen Luftangriffen führen als die erwünschte Wirkung zeigen.

Schwierige Lage

Die arabischen Staaten sind durch die israelische Militärhegemonie in eine schwierige Lage geraten. Appelle der moderaten arabischen Führungen, Mäßigung walten zu lassen, verhallen ungehört. Netanjahu flankiert seine errungene Abschreckungsfähigkeit nicht mit konstruktiver Diplomatie – er setzt auf die Übermacht der Streitkräfte.

Kompromisse mit der Nachbarschaft muss der israelische Ministerpräsident auch eher fürchten als einen Mehrfrontenkrieg – aus innenpolitischen Gründen. Ein Frieden in Gaza zum Beispiel oder gar ein Deal mit den Palästinensern könnte seine von Extremisten durchzogene Regierung ins Wanken bringen.

Trümmer am Freitag nach einem israelischen Luftangriff in Beirut
Trümmer am Freitag nach einem israelischen Luftangriff in BeirutReuters

Das erfolgsarme Ringen um einen Frieden in dem Küstenstreifen ist das beste Beispiel für das Dilemma, vor das Israel die arabischen Führungen stellt. Gebetsmühlenartig hatten sie bekräftigt, man wolle weder Geld noch politisches Kapital investieren, solange das Risiko besteht, dass dieses durch einen neuen Krieg verbrannt wird.

Aufgescheucht von den Plänen Donald Trumps, die Bevölkerung zu vertreiben, weichten Washingtons arabische Partner ihre Verweigerungshaltung auf. Sie fanden trotz ihrer Interessenunterschiede zusammen und übernahmen selbst Verantwortung. Der Wiederaufbauplan, auf den sie sich einigten, war ein Nachweis für einen Reifeprozess.

Umso bedauerlicher ist es, dass schon der Gaza-Plan im Angesicht der neuen Realität wieder wie die arabischen Luftschlösser anmutet, die über Jahrzehnte in wirkungslosen Erklärungen der Arabischen Liga errichtet wurden. Eine Zweistaatenlösung für den palästinensisch-israelischen Konflikt ist derzeit nicht mehr als ein politischer Fixstern, der in weiter Ferne am Nachthimmel blinkt.

Auf israelische Mäßigung können die arabischen Führungen auf absehbare Zeit kaum hoffen. Auch der internationale Druck hält sich in Grenzen. Allein Washington hat Einfluss auf Netanjahu. Präsident Trump hat aber mehrmals gezeigt, dass er den israelischen Ministerpräsidenten gewähren lässt. Selbst dann, wenn er Trumps Wünsche nach Deals hintertreibt, die den Nahen Osten befrieden sollen. So werden die Herrscher in Nachbarländern wie Ägypten und Jordanien noch länger mit der Angst leben müssen, dass der israelisch-palästinensische Konflikt destabilisierende Kräfte in ihren Ländern entfaltet.

Auf der Hut

Auch die Sehnsucht der Monarchen am Golf, sich ungestört den Umbauarbeiten an ihren Volkswirtschaften widmen zu können, wird so schnell nicht gestillt werden. Sie müssen weiter auf der Hut sein, weil der Raketenterror Irans und seiner arabischen Verbündeten in Zeiten der Spannungen eine Bedrohung bleibt. Der Kooperation mit Israel setzt die Furcht vor solchen Attacken Grenzen. Für die Führungsmacht Saudi-Arabien ist eine Normalisierung der Beziehungen allein deshalb mit Risiken verbunden. Sie ist auch kaum denkbar, solange Riad keinen Erfolg in der Palästinafrage zur Rechtfertigung anführen kann.

Trotz aller berechtigten Frustration über Israel täten die arabischen Machthaber aber gut daran, weiter auf ihre Gestaltungskraft zu setzen, so begrenzt sie auch sein mag. Gerade die Herrscher am Golf sind gefragt. Auch sie haben einen guten Draht zu Trump, nicht zuletzt der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman, der sich gerade als Vermittler im ­Ukrainekonflikt profiliert.

Die Golfstaaten können zumindest versuchen, den irrlichternden Trump zu überzeugen, mäßigend auf Israel einzuwirken und Druck auf Netanjahu auszuüben, sich arabischen Minimalforderungen nicht zu versperren. Auch das kann zu einem neuen Test für die arabische Schmerztoleranz werden. Aber es könnte zumindest ein Anfang dafür sein, einen Ausweg aus dem mörderischen diplomatischen Stillstand zu eröffnen.