
Es ist nicht gerade einfach, Berlin mit einem Auswärtssieg zu verlassen – denn das Team von Alba Berlin beansprucht traditionell einen der vorderen Plätze in der Tabelle der Damen-Basketball-Bundesliga (DBBL). Das ist dem starken Kader geschuldet, aber auch der Charlottenburger Sömmeringhalle. Die ist meist gut gefüllt, die lautstarken Fans treiben ihre Spielerinnen entsprechend an. An Kulisse und Kader scheiterten in der vergangenen Saison fast alle Teams, darunter auch die Eigner Angels Nördlingen, die dem Meister von 2024 gleich zweimal deutlich unterlagen. Umso erleichterter waren die Spielerinnen rund um Coach Niko Kuusi, als sie das erste Kräftemessen mit Alba in dieser Saison mit einem 64:66 für sich entscheiden hatten (20:21, 15:14, 13:14, 18:15).
Nach zwei Niederlagen war es der erste Sieg für Nördlingen in der noch jungen Saison. Das lag auch an einigen Ausfällen und verpatzen Würfen der Berlinerinnen, aber am Ende waren es die Nördlingerinnen, die konzentriert blieben, aggressiv verteidigten – und sich in der Crunchtime einen leichten Vorsprung erarbeiten und auch halten konnten. Laura Schinkel traf wichtige Dreier, Nicole Fransson glänzte unter dem Korb. Zugang Sam Ashby trug mit 20 Punkten dazu bei, den ersehnten Sieg zu holen. „Wir wussten, dass wir gegen ein starkes Team antreten. Aber wir haben das Spiel wie jedes andere vorbereitet“, sagt Ashby hinterher. Gleiches gelte für das Resultat: „Wir wissen, wo wir in der Tabelle stehen. Für uns ist jeder Sieg riesig, ob nun gegen Berlin oder ein anderes Team.“
Sam Ashby ist die wohl wichtigste Neuverpflichtung der Eigner Angels und ein Beispiel für gelungenes Scouting, wie es aus dem Vereinsumfeld heißt. In ihren ersten drei Spielen punktete die 1,78 Meter große Flügelspielerin jeweils zweistellig. Die Souveränität der 24-jährigen Britin rührt auch von ihrer internationalen Erfahrung: Ashby ist London geboren, in Singapur und Australien aufgewachsen und hat in den USA am College gespielt, bevor sie zwei Jahre lang in der Women’s British Basketball League angetreten ist. In England gewann sie zuletzt mit den Oaklands Wolves den Meistertitel – und trat im Sommer mit der britischen Nationalmannschaft bei der EM-Vorrunde in Hamburg an. Dort gewann sie im Spiel gegen Spanien den MVP-Titel, und gegen Deutschland auch das ein oder andere Duell unter dem Korb gegen deutlich größere Spielerinnen wie Luisa Geiselsöder und Emily Bessoir.
Bei der EM in Hamburg überzeugte Ashby für das englische Nationalteam – auch weil sie in Nördlingen schon unterschrieben hatte
Der Vertrag mit Nördlingen war da bereits unterzeichnet: „Das hat mir definitiv geholfen, in Hamburg mit freiem Kopf zu spielen“, erklärt Ashby. Zuvor hatte sie sich eng mit dem Verein ausgetauscht und sich bei Wolves-Teamkollegin Danielle McCray über die Angels informiert. „Danny hat für drei Jahre in Nördlingen gespielt und den Verein in den höchsten Tönen gelobt“, erzählt sie. „Dabei zählte Deutschland gar nicht unbedingt zu den Ländern, in denen ich spielen wollte. Ich kannte das Land kaum und hatte, um ehrlich zu sein, auch gewisse Vorbehalte, was die Höflichkeit und das Wetter anging.“
Dass sie sich doch für Nördlingen entschied, hat sie bislang nicht bereut. „Die Stadt hat es mir leichtgemacht. Ich bin eigentlich ein Großstadtmensch. Aber ich wurde hier sehr herzlich willkommen geheißen.“ Niko Kuusi unterstütze sie dabei, sich weiterzuentwickeln: „Er ist streng, aber das hilft uns als Team.“ Zudem gefalle ihr das Niveau der Bundesliga, das weniger soft und schneller sei als das der britischen Women’s League. „Das Spiel hier ist physischer, aber die Referees lassen uns spielen. So wie es sein sollte.“ Die Liga sei zudem sehr ausgeglichen: „Ich dachte, der Abstand zwischen den Topteams und dem Rest wäre größer. Aber es fühlt sich an, als könne wirklich jeder jeden schlagen. Ich freue mich auf jedes Spiel.“
Auch Martin Fürleger, der Sportliche Leiter der Angels, dürfte sich nach wie vor über die Verpflichtung freuen, auch wenn diese etwas Vorlauf benötigte. „Wir haben schon vor zwei Jahren mit Sam gesprochen, uns aber dann für eine andere Spielerin entschieden. Aber wir hatten sie immer auf dem Zettel und haben in jedem Transferfenster geschaut, ob wir sie nicht doch noch zu uns holen können.“ Menschlich passe sie extrem gut ins Team, sagt Fürleger, sportlich ohnehin: „Die zwei Jahre in England nach dem College haben ihr gutgetan. Sie ist eine konstante Spielerin, die Verantwortung übernimmt und sehr gut wirft. Vielleicht noch nicht ganz so gut wie zu ihrer Zeit in England, aber das kommt schon noch. Ihre Statistiken sprechen für sich.“
Fürleger scoutet indes schon wieder. Er muss eine Centerspielerin finden, um Lisa Bertholdt zu ersetzen, die sich kurz vor der Saison das Kreuzband gerissen hat. „Scouting ist ein Prozess, der nicht aufhört und teilweise über Jahre hinweg geht. Aber darin liegt auch der Reiz: Die Puzzleteile so zu legen, dass am Ende ein funktionierendes Team steht.“
Eines, das sich in Berlin behaupten kann – und vielleicht auch am Sonntag beim Tabellenersten in Saarlouis.