Niederlage gegen FC Bayern: Was dem BVB unter Niko Kovac noch fehlt

Sieben Punkte liegt Borussia Dortmund nach sieben Spieltagen hinter dem FC Bayern, was auf die gesamte Saison hochgerechnet auf einen erschreckenden 34-Punkte-Rückstand hinauslaufen würde. Es gab Zeiten, da hätte solch eine Zwischenbilanz beim BVB schwere Erschütterungen samt der dazugehörigen Trainerdiskussion ausgelöst. Erst recht nach solch einer ersten Halbzeit wie beim 1:2 beim großen Rivalen aus München, die ein erschreckendes Bild zeichnete.

Ein nicht nur sehr defensiv aufgestellter, sondern auch noch völlig verängstigter BVB war mit der Haltung eines Abstiegskandidaten „hergespielt“ worden, sagte der Verteidiger Nico Schlotterbeck nach der am Ende erstaunlich knappen 1:2-Niederlage und verkündete: „Um in München zu bestehen, musst du mit Mut spielen, musst du mit Eiern spielen. Und das haben wir in der ersten Halbzeit komplett vermissen lassen.“ Es liegt nahe, wer damit zuallererst gemeint war: die fünf Dortmunder vor der Abwehrkette. Und vielleicht sogar der Trainer.

Denn die Defensive hielt einigermaßen, Schlotterbeck selbst spielte sogar brillant, aber mit Ball fehlte der Plan. Niko Kovač ist ein Trainer, dem viel an Stabilität gelegen ist, und weil das konsequente Verteidigen seit Jahren ein Problemthema beim BVB darstellt, sind alle froh über diesen Safety-First-Spezialisten, der am Samstag mit einem Fünferketten-Bollwerk begonnen hatte, vor dem eine ebenfalls sehr defensive Mittelfeld-Dreierkette agierte. Nur zwei Offensivleute standen auf dem Platz, was ein Grundproblem des Kovač-BVB deutlich macht.

Safety first – und dann?

So gut dieser Fußball-Lehrer seinen Angreifern das Verteidigen beigebracht hat, so intensiv er auch mit Karim Adeyemi über dessen Arbeit gegen den Ball diskutiert, so erfolgreich er Julian Brandt seine Neigung zum Risikopass im gefährlichen Raum ausgetrieben hat, der Abend von München hat gezeigt, dass der nächste Schritt noch fehlt: die Etablierung eines funktionierenden Offensivkonzepts mit Automatismen und Angreifern, die in so einem besonders großen Spiel über sich hinauswachsen, statt sich zu verstecken.

Stimmgewaltig am Spielfeldrand: BVB-Trainer Niko Kovač
Stimmgewaltig am Spielfeldrand: BVB-Trainer Niko KovačEPA

„Wir haben die Qualität und wir haben die Power, wir können auch in München ein geiles Spiel zeigen“, sagte Gregor Kobel, „aber das haben wir in der ersten Halbzeit nicht gemacht.“ Niemand wusste etwas mit dem Ball anzufangen, „es war unglaublich schwer, Anspielstationen zu finden, und wir haben auch vorne nicht richtig Zugriff bekommen“, berichtete der Torhüter.

Adeyemis Spiel wirkte nicht zum ersten Mal eindimensional, weil er sich kaum in den Kombinationsfluss einband. Auch Serhou Guirassy wird mitunter unsichtbar, und Julian Brandt sowie Maximilian Beier suchen noch nach den passenden Positionen in Kovačs System. Genau wie Pascal Groß, der erst besser wurde, als er in der zweiten Halbzeit von der Sechserposition auf die sogenannte Zehn hinter die Doppelspitze versetzt worden war.

Das war eine gute Idee, die laut Kovač aber auch einer defensiven Idee gefolgt war. Groß sollte Harry Kane stören, der sich immer wieder tief in die eigene Hälfte zurückzog und damit dem Zugriff der Dortmunder Verteidiger entkam. „So konnten wir die Spielverlagerung des Gegners unterbinden“, sagte Kovač, dadurch habe sein Team besser „durchgedeckt“. Vor allem jedoch fasst der BVB neuen Mut. „Wir wollten viel mehr den Ball, auf einmal kam der ganze Spielfluss“, sagte Kobel. Adeyemi, Guirassy und Felix Nmecha ließen während der starken zweiten Hälfte gute Chancen ungenutzt.

Doch Routinen zur Entstehung solcher offensiver Lösungen fehlen noch. Nach neuneinhalb Monaten mit Kovač als Chefcoach beginnt nun aber schon langsam die Zeit, in der der BVB sich über die Defensive hinaus weiterentwickeln muss. Seit dem vergangenen März hatten sie bis zu diesem Abend in München auch dank der neuen Stabilität kein Bundesligaspiel mehr verloren. Eine beeindruckende Bilanz. Dass viele dieser Spiele fußballerisch wenig überzeugend waren und der Erfolg weniger auf einer tollen Angriffsstrategie basierte als auf der Idee, irgendwie den Stürmer Guirassy anzuspielen, der dann aus kleinen Abschlussmöglichkeiten erstaunliche Tore schoss oder köpfte, wird schnell vergessen.

Seit einigen Wochen sucht Guirassy nun seine Form und dem BVB fehlt ein Alternativkonzept für solche Phasen, die jeder Stürmer irgendwann erlebt. Fabio Silva, der andere Torjäger, ist nach einer Verletzung noch nicht richtig angekommen, eine verlässliche Ballbesitzstrategie mit Durchschlagskraft haben die Dortmunder noch nicht. Aber vielleicht war die starke zweite Hälfte von München ein erster kleiner Schritt.