Neutralität unter Beschuss • Medieninsider

Der inhaltsneutrale Pressevertrieb ist ein Garant der Meinungsvielfalt. Doch aufkeimender Extremismus, schwindender Respekt vor der Pressefreiheit und die Plattformherrlichkeit setzen ihn unter Druck.

Eines schönen Freitags im August erreicht  mich eine Anfrage von der Nordseeküste. Stephan Schmidt, Chefredakteur der Ostfriesische Nachrichten, schildert folgenden Fall: Der Klinikchef der Krankenhäuser in Aurich und Emden verbietet den Krankenhauskiosken, die vier Lokalzeitungen der Region zu verkaufen. Begründung: Man habe verstärkt Rückmeldungen von Patienten erhalten, die durch Berichterstattung der lokalen Medien über die Kliniken sehr beunruhigt seien, und deshalb zum Schutz der Patienten bis auf weiteres diese Publikationen aus dem Verkauf genommen. Schmidts Frage an mich: „Haben Sie Lust, sich dazu zu äußern?“

Ich, im Urlaub und ohne Zugriff auf juristische Literatur, grübele. Sauber ist die Aktion auf keinen Fall, aber ist sie auch rechtswidrig? In jedem Fall dann, wenn die Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft sind. Denn dann gelten sie rechtlich als Teil des Staates und sind an Grundrechte gebunden. So antworte ich auch: „Ein Krankenhaus in öffentlicher Trägerschaft ist eine staatliche Stelle. Und der Staat kann nicht einfach eine Zeitung ausschließen, nur weil ihm die Berichterstattung nicht passt. Damit verletzt er die Pressefreiheit.“ Nur wie sieht die Sache bei privaten Krankenhäusern und Kiosken aus? Kann ein Kioskbesitzer, nur weil er sie nicht leiden kann, eine Publikation aus dem Sortiment nehmen? Privatleute können doch machen, was sie wollen? Ohne einen Blick in die Kommentare will ich mich lieber nicht dazu äußern.

Wenige Tage später ist der Spuk ohnehin vorbei. Tatsächlich befinden sich die Krankenhäuser in öffentlicher Hand. Nach einem Aufschrei der örtlichen Lokalzeitungen kassiert der Aufsichtsrat unter Führung des Emdener Bürgermeisters und Auricher Landrats das Verbot ein. Was bleibt, ist der schale Nachgeschmack, dass die Pressefreiheit nicht überall geachtet wird. 

Der Fall wirft einige grundsätzliche Fragen auf

Auf den ersten Blick schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob auch ein einfacher Kioskbesitzer unliebsame Zeitschriften aus dem Sortiment nehmen kann. Aber nur auf den ersten Blick.