Es könnte Hamburgs drittes Wahrzeichen werden, nach dem Michel und der Elbphilharmonie: ein neues Opernhaus in der Hafencity mit einer Kaskade weit ausragender geschwungener Dächer und Glasfassaden nach allen Seiten. Die Dächer sollen begrünt und begehbar sein, ein öffentlicher Ort auch für Leute, die mit Oper nichts am Hut haben – und das alles als Geschenk des Logistik-Milliardärs Klaus-Michael Kühne.
Der Hamburger Senat und die Stiftung des in Hamburg geborenen Kühne haben am Donnerstag den Sieger eines „architektonischen Qualifizierungsverfahrens“ vorgestellt. Eine 14-köpfige Jury aus Vertretern des Senats, der Bürgerschaft, der Stiftung und Leuten vom Fach wählte unter fünf Entwürfen einstimmig den des Kopenhagener Architekturbüros Bjarke Ingels Group.
Der Entwurf soll in den kommenden zwei Jahren ausformuliert werden. Danach will die Kühne-Stiftung entscheiden, ob sie das Projekt tatsächlich finanziert. Die Rede war bisher von 350 Millionen Euro, die Kühne ausgeben würde. Die Stadt würde das Grundstück bereitstellen und für 147,4 Millionen Euro herrichten, das heißt insbesondere mit einer Gründung und Flutschutz versehen.
Tatsächlich haben es die Architekten geschafft, die Maschine, die ein Opernhaus zu sein hat, wie es Kultursenator Carsten Brosda ausdrückte, aufs Anmutigste zu verpacken
Kühne ist für manche ein rotes Tuch, weil er seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, ergo hierzulande keine Steuern zahlt. Die taz hat zudem publik gemacht, dass Kühnes Firma Kühne+Nagel von den Arisierungen unter der Nazi-Herrschaft profitiert hat. Bis heute weigert sich Kühne, die Firmengeschichte aufzuarbeiten.
Dabei hat auch der Baakenhafen, an dem die Oper gebaut werden soll, eine schmutzige Geschichte. Hier wurde in den 1940er-Jahren geraubtes Eigentum von Jüdinnen und Juden verladen, auch von Schiffen von Kühne+Nagel. Und hier legten die Schiffe mit den Soldaten ab, die zwischen 1904 und 1908 den Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia begingen.
Das neue Operngebäude würde an der Spitze des Kais, auf dem Baakenhöft, gebaut, auf halber Strecke zwischen der Elbphilharmonie im Westen und Hamburgs höchstem Hochhaus in spe – dem Elbtower – im Osten. Es wäre auf drei Seiten von Wasser umgeben, was sich durch die Glasfassaden und Spazierwege auf und an dem Gebäude erschlösse.
Im „Man made mountain“ verschwunden
Tobias Kratzer, Intendant der Staatsoper, sieht in dem Entwurf architektonisch all das verkörpert, wofür die Staatsoper in ihrer Programmatik stehe: „Ein Gebäude, das sich in vollen 360 Grad zur Stadt hin öffnet; ein Park, der die Oper buchstäblich in jeder Windung seiner Wege mit der Welt und die Welt mit der Oper konfrontiert – und eine Silhouette, die in ihrer Leichtigkeit einfach gute Laune macht.“
Tatsächlich haben es die Architekten geschafft, „die Maschine, die ein Opernhaus zu sein hat“, wie es Kultursenator Carsten Brosda ausdrückte, aufs Anmutigste zu verpacken. Ein 34 Meter hohes Gebäude mit Zuschauerraum, Hauptbühne, Hinterbühne, Nebenbühnen, Proberäumen, Werkstätten, Lager und Technik soll unter einem „Man made mountain“ verschwinden, wie der Architekt Bjarke Ingels sagte. „Es ist unglaublich rational konstruiert“, lobte Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing.
Die Terrassen des Gebäudes setzen sich zur Landspitze hin fort – bis hin zu einem Bereich, der im Falle einer Sturmflut überspült würde. Hier schlagen die Architekten eine ufertypische Bepflanzung vor, hinter dem Gebäude ein Küstenwäldchen. Ingels und seine Kollegen schufen damit eine Landschaft, die aber zugleich deutlich als Gebäude erkennbar ist. Oberbaudirektor Höing nannte es ein Haus, das es schaffe, den prominenten Ort zu besetzen, „ohne vordergründig laut zu sein“.
Für die Linke ist das viele Grün nur ein Feigenblatt
Der Entwurf sieht ein Foyer über mehrere Stockwerke vor. Mit 1.501 Plätzen würde der Zuschauerraum etwas kleiner als bei der heutigen Oper in der Innenstadt. Im Gegensatz zum heutigen Saal aus den 1950er-Jahren wären nicht alle Balkone nach vorn ausgerichtet. Die Opera stabile als Nebenbühne würde mit 250 Plätzen größer als heute.
Kühnes Angebot, das auf die Opernbegeisterung zurückgeht, die seine Frau in ihm geweckt hat, kommt zur rechten Zeit, denn beim alten Gebäude steht eine Generalsanierung an. Währenddessen müsste die Oper schließen. Solche Sanierungen haben sich in anderen Städten als Millionengräber erwiesen. Auf der anderen Seite sind in Hamburg auch die Kosten von Neubauten im Verlauf der Arbeiten exorbitant gestiegen.
„Dieser Betrag ist gedeckelt“, steht in der Pressemitteilung des Senats neben den 147,5 Millionen Euro, die er beisteuern will. Daran, dass es dabei bleibt, wecken Projekte wie die Elbphilharmonie oder der Elbtower Zweifel.
Die Linke spielte bei dem vielen Lob den Spielverderber. Sie bemängelte das beschränkte Auswahlverfahren und bezeichnete das viele Grün des Entwurfs als Feigenblatt. „Das Nachhaltigste wäre es, die Staatsoper an der Dammtorstraße zu sanieren und an neue Anforderungen für den Spielbetrieb anzupassen“, vermutet der Bürgerschaftsabgeordnete Marco Hosemann.
