Neue Regierung will Betriebe zu Kartenzahlung verpflichten – Wirtschaft

Es soll Touristen geben, die in Deutschland vor allem über eine Sache verblüfft sind. Sie wollen in einem Café bezahlen, zücken ihre Karte, wobei, nein, ihr Handy, und werden dann darauf hingewiesen, dass man nur Bargeld nehme: „Cash only“. Münzen und Scheine eben. Wenn man annimmt, dass nicht nur Touristen, sondern auch sehr viele Menschen in Deutschland, besonders jüngere, oft gar kein Portemonnaie mehr besitzen, wirken die „Nur Bargeld“-Schilder doch sehr aus der Zeit gefallen.

Nun will sich die neue rot-schwarze Koalition, die gerade ihre Regierung verhandelt, dieser Frage annehmen. Und das hat vermutlich weniger mit ihrem Gespür für die Lebensrealität und Bedürfnisse junger Menschen zu tun, sondern mehr mit dem Kampf gegen Steuerbetrug. Wenn es nach den beiden Parteien geht, soll es künftig mindestens eine digitale Zahlungsmöglichkeit in Geschäften geben. Im Arbeitspapier der Arbeitsgruppe zu Haushalt, Steuern und Finanzen heißt es: „Wir setzen uns für echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein und wollen, dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden.“

Das Bargeld soll auch in Zukunft bleiben

SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi sagte der ARD, dass man im Gegenzug Betrieben entgegenkomme: „Wenn wir die Mehrwertsteuer in der Gastro senken und den Unternehmen mehr Luft zum Atmen geben“, sagte er dem Sender, sei es eine gute Mischung, „auch mehr zu tun in bargeldintensiven Bereichen in der Steuerbetrugsbekämpfung“. In ihrem Sondierungspapier hatten die Koalitionäre in spe in Aussicht gestellt, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf nur sieben Prozent zu senken. Der Plan wird aber kritisiert, als Wahlgeschenk bezeichnet, das vor allem der Gastrobranche und Besserverdienenden zugutekomme. Auch Registrierkassen sollten grundsätzlich zur Pflicht werden, meinte Schrodi. Die Einigung zwischen SPD und Union sei trotz allem ein Bekenntnis zum Bargeld. Im Arbeitspapier steht denn auch: „Das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten wir.“

Geschäfte und Gastronomiebetriebe müssen für digitale Zahlungen Gebühren an die Bank entrichten, auch die Kartenlesegeräte kosten. Daher bieten Läden den Service häufig erst an, wenn die Kunden einen Mindestbetrag erreicht haben, sich für die Händler die Gebühr also eher lohnt. Ob sie auch weiterhin eine solche Mindestsumme verlangen dürfen, ist noch unklar.

Nicht begeistert zeigte sich der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Er warnte in der Welt am Sonntag vor zusätzlichen Belastungen für die Betriebe, diese stünden ohnehin bereits unter Druck. Außerdem sei es auf Volksfesten oder Weihnachtsmärkten praktikabler, eine offene Ladenkasse zu verwenden. Die deutsche Steuergewerkschaft hingegen fände eine Regelung, wie sie SPD und Union einführen wollen, richtig: Jede Kartenzahlung erzeuge eine nachvollziehbare Datenspur. Es zeige sich bei Betriebsprüfungen etwa in der Gastronomie immer wieder, dass die Umsätze in der Steuererklärung häufig zu niedrig angegeben sind. Auf diese Weise entgingen dem Staat schätzungsweise nicht nur bis zu 15 Milliarden Euro an Umsatz- und Gewinnsteuern, sondern auch Lohnsteuern und Sozialabgaben. Insgesamt macht der Schaden 50 bis 70 Milliarden Euro aus, wie Experten berechnet haben.

Unklar ist, wie sich dieser Plan der künftigen Koalition mit einem anderen verträgt, den CDU und CSU hegen: Denn sie wollen die Bonpflicht wieder abschaffen. Bisher müssen Geschäfte und Cafés Kundinnen und Kunden einen Bon anbieten, ihre Einnahmen also erfassen und versteuern. Experten halten das auch künftig für eine gute Idee und plädieren für eine Beibehaltung, die Union nicht: Die Pflicht sei einfach eine Belastung für die Betriebe.