
Die Europäische Union (EU) hat sich ein großes Ziel gesteckt – sie nennt es: „Vision Zero“. Bis zum Jahr 2050 soll die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten auf Europas Straßen auf null sinken. 2024 wurden nach Angaben der EU-Kommission EU-weit 19 940 Tote bei Straßenverkehrsunfällen gezählt. Helfen sollen dabei auch neue EU-Vorgaben für den Führerschein, die das Europaparlament am Dienstag endgültig verabschiedet hat. Was sich künftig ändert – hier eine kurze Übersicht:
Führerschein digital und analog
Bis spätestens zum Jahr 2030 soll ein einheitlicher digitaler Führerschein eingeführt werden. „In Zukunft wird es in allen EU-Staaten einen digitalen Führerschein geben, der über das Smartphone abrufbar ist und in der gesamten EU gilt“, heißt es vonseiten des EU-Parlaments. Gleichzeitig behalten Bürger das Recht, eine physische Führerscheinkarte zu beantragen. Beide Versionen sollen den Plänen nach gleichwertig sein.
Fahrverbote über Grenzen hinweg
Wer nach einem massiven Verstoß gegen die Verkehrsregeln in einem EU-Land seinen Führerschein abgeben muss, soll in Zukunft daheim nicht mehr einfach weiterfahren dürfen. „Künftig sollen der Entzug, die Aussetzung oder Einschränkung einer Fahrerlaubnis EU-weit anerkannt werden“, erklärt der Auto Club Europa (ACE). Das soll sicherstellen, dass Verkehrssünder künftig in allen Mitgliedstaaten zur Verantwortung gezogen werden – unabhängig davon, wo sie ihren Führerschein erworben haben. Nach den Plänen gilt dies insbesondere für schwere Verstöße wie Trunkenheit und Drogenkonsum im Straßenverkehr, tödliche Unfälle oder extremes Rasen.

:Führerschein soll „mehrere Hundert Euro“ günstiger werden
Verkehrsminister Patrick Schnieder will, dass der „Lappen“ wieder bezahlbar wird. Nun hat er ein Paket mit Maßnahmen vorgelegt – mit teils ungewissem Effekt.
Nach geltendem Recht dürfen EU-Länder, die den Führerschein nicht ausgestellt haben, Fahrverbote nur im eigenen Hoheitsgebiet durchsetzen. Künftig kann der Staat, in dem der Verstoß stattgefunden hat, den Ausstellungsstaat darüber informieren, der dann wiederum das verhängte Fahrverbot übernehmen und EU-weit durchsetzen können soll. „Praxisrelevant wird dies allerdings erst, wenn die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wurde“, betont der ADAC.
Begleitetes Fahren auch in anderen Ländern
Ein weiteres Element der Reform ist die Ausweitung des begleiteten Fahrens auf die gesamte EU. Junge Fahrer sollen so bereits früher unter Aufsicht Fahrpraxis sammeln können. In Deutschland gibt es das begleitete Fahren bereits, nach den neuen Regeln sollen nach Angaben des ADAC auch Urlaubsfahrten möglich sein. Für Berufskraftfahrer soll ein ähnliches Modell freiwillig angeboten werden können, um die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen und um dem Fachkräftemangel im Verkehrssektor entgegenzuwirken. Laut ACE wird zudem die in Deutschland etablierte Probezeit von mindestens zwei Jahren europaweit verpflichtend.
Mindestalter für Lkw- und Busfahrer sinkt
Gegen den teils eklatanten Mangel bei Bus- und Lkw-Fahrern soll eine weitere Maßnahme helfen: Nach den Plänen der EU wird das Mindestalter für den Lkw-Führerschein von 21 auf 18 Jahre gesenkt. Ähnliches passiert bei Busfahrerinnen und -fahrern: Hier soll man künftig bereits mit 21 Jahren ans Steuer dürfen; bislang liegt das Mindestalter bei 24 Jahren.
Mehr Fokus auf Sicherheit in Fahrschulen
Auch beim Unterricht für künftige Fahrerinnen und Fahrer wird es Änderungen geben: Themen wie Ablenkung durch Handynutzung, die Gefahr durch den toten Winkel beim Abbiegen sowie Fahrassistenzsysteme in den Fahrschulen sollen stärker thematisiert werden. Außerdem sollen Fahranfänger stärker für den Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Kinder und Radfahrende sensibilisiert werden, erläutert der ACE.
Neue Regeln bei Wohnmobilen
Zudem gibt es Erleichterungen für Wohnmobilisten. Künftig dürfen Inhaberinnen und Inhaber eines Führerscheins der Klasse B Fahrzeuge mit bis zu 4,25 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht steuern – bislang lag die Grenze für jüngere Fahrerinnen und Fahrer bei 3,5 Tonnen. Allerdings gilt die neue Gewichtsgrenze nur, nachdem man ein spezielles Training oder eine Prüfung absolviert hat. „Ob für Wohnmobile eine Zusatzschulung oder auch eine Prüfung dafür nötig sein wird, legt jedes Land selbst fest“, teilt der ADAC mit. Was genau Union und SPD in Deutschland planen, ob lediglich eine Schulung oder auch noch eine zusätzliche Prüfung, ist nach Angaben des Caravaning-Herstellerverbands CIVD derzeit noch offen.
Keine verpflichtenden Medizin-Checks für Ältere
Anders als zwischenzeitlich diskutiert, wird es keine Pflicht für Gesundheitsuntersuchungen ab einem bestimmten Alter geben. Die EU-Staaten können für Auto- und Motorradführerscheine selbst entscheiden, ob sie ein ärztliches Gutachten oder eine Selbsteinschätzung verlangen. „Für Deutschland dürfte sich hier zunächst wenig ändern“, schätzt der ADAC.
Neben Gesundheits-Checks war zwischenzeitlich auch eine Sonderkategorie mit speziellen Führerscheinen für schwere Autos wie SUVs oder die Möglichkeit von Nachtfahrverboten für junge Autofahrerinnen und -fahrer im Gespräch. Keine dieser Ideen konnte sich durchsetzen. Ebenfalls vom Tisch ist auch das Vorhaben, dass Menschen über 70 alle fünf Jahre ihren Führerschein erneuern müssen.
Die nächsten Schritte
Aktuell sind die neuen Regelungen nur eine Vorgabe der EU. Die EU-Staaten haben nun drei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Anschließend bleibt den Staaten ein weiteres Jahr, um die Regeln in der Praxis einzuführen. So müssen sich unter anderem die Fahrschulen auf die neuen Unterrichtsinhalte sowie Kurse für Reisemobilisten vorbereiten. Bis wann der deutsche Gesetzgeber die neuen Regeln in nationales Recht gießt, ist offen. Der ACE rechnet damit, dass es „durchaus drei Jahre dauern kann, bis die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wird“, also bis 2028. Ähnliches prognostiziert der CIVD. Zuletzt hatte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) ein Maßnahmenpaket vorgelegt, um die Fahrausbildung zu verschlanken – und damit die Kosten für den Führerschein zu senken.
Mit Material von dpa.