NBA Skandal: Insider-Informationen und Wettbetrug erschüttern die Liga – Sport

Die Fallhöhe ist gewaltig bei diesen Skandalen, die gleichzeitig die Basketballliga NBA erschüttern – und man merkt recht schnell: Man brauchte all die Prominenten, um den millionenschweren Betrug bei Wetten auf Spiele sowie noch lukrativere Abzocke bei Pokerabenden zu ermöglichen.

Am Donnerstag verhaftet: Terry Rozier, NBA-Profi seit 2015 und derzeit Aufbauspieler bei Miami Heat; Damon Jones, von 2005 bis 2012  aktiv, danach Co-Trainer der Cleveland Cavaliers, unter anderem beim Titel 2016. Beiden sollen Insider-Informationen an Wettbetrüger übermittelt haben, mindestens eine davon betraf Superstar LeBron James. Jones soll darüber hinaus gemeinsam mit Chauncey Billups, 17 Jahre lang NBA-Profi und aktuell Chefcoach der Portland Trailblazers, im Auftrag von vier Familien der Cosa Nostra (Bonanno, Gambino, Lucchese und Genovese) Leute zu abgekarteten Pokerabenden gelockt haben; wo Opfer insgesamt mindestens sieben Millionen Dollar verloren haben sollen.

Beide Klageschriften liegen der SZ vor, sie lesen sich wie Drehbücher zu Filmen wie „Ocean’s Eleven“ oder „Goodfellas“. Man erkennt, dass für diesen Betrug offenbar keine Spiele verschoben werden mussten, wie man es vom Fußballskandal 2005 um den Schiedsrichter Robert Hoyzer kennt. Um zu verstehen, was passierte, sollte man sich an ein Video von 2022 erinnern: Der einstige NBA-Profi Scott Hastings war als Reporter gefragt worden, ob der angeschlagene Denver-Nuggets-Akteur JaMychal Green spielen würde. „Ich frage ihn“, sagt Hastings, dreht sich um und brüllt: „Hey, JaMychal! Spielst du heute?“ Als der den Kopf schüttelt, sagt Hastings: „Ich warte doch nicht auf offizielle Briefe und so – frag‘ den Typen doch einfach!“

Hastings wurde gefeiert als Reporter der alten Schule, die NBA hatte ein Problem: 30 Minuten vor Spielbeginn werden die Einsatzfähigen offiziell bekanntgegeben, daran richten sich nicht nur die Quoten für die Partie selbst, sondern auch Einzelwetten – man kann heutzutage ja auf alles wetten. Jede Information vorab ist also wortwörtlich Gold wert, und das führt zum aktuellen Skandal.

Betrug mit Insider-Infos über Ausfall und Verletzungen von Spielern

Laut Klageschrift soll Jones am 9. Februar 2023 eine SMS verschickt haben mit dem Inhalt: „Setzt ordentlich auf Milwaukee – bevor die Info raus ist. Spieler 3 fällt aus.“ Spieler 3 ist LeBron James. Jones war drei Jahre lang (2005-2008) Kollege von James bei den Cavaliers, später (2014-2018) unter anderem sein persönlicher Wurf-Trainer in Cleveland; zum Zeitpunkt der SMS war er inoffiziell bei den Lakers tätig, wohl als Begleiter von James. Jones‘ mutmaßliche Mittäter wetteten auf die Partie, die Lakers verloren ohne James; der fehlte laut Spielberichtsbogen wegen einer Blessur.

Jones soll einen vierstelligen Dollarbetrag gekriegt haben; damit ist für diese Variante klar: Es braucht prägende Akteure, deren Ausfall Auswirkungen aufs Ergebnis haben dürfte. Doch selbst dann ist der Erfolg nicht garantiert: Ein paar Wochen vorher soll Jones verraten haben, dass Lakers-Superstar Anthony Davis angeschlagen sei und nur ein paar Minuten beziehungsweise nicht gut spielen würde. Die 100 000-Dollar-Wette ging schief: Davis spielte doch, und zwar gut,  die Lakers gewannen. Per SMS wurde Jones wohl aufgefordert, die 2500 Dollar zurückzahlen.

Die sicherere Variante, laut Klageschrift vorgeführt von Rozier: Der soll am 23. März als Spieler der Charlotte Hornets angeboten haben, zum taktisch günstigen Zeitpunkt eine Blessur vorzutäuschen. Das Resultat: Er blieb unter seinen von Wettanbietern prognostizierten persönlichen Statistiken. Insgesamt wurden knapp 270 000 Dollar auf Jones‘ Zahlen gesetzt, und der lieferte: Er spielte weniger als zehn Minuten (Saisonschnitt: mehr als 35 Minuten pro Partie), er blieb in den Kategorien Punkte, Zuspiele und Dreier deutlich unter seinen prognostizierten Statistiken. Wer auf alle drei als Kombiwette setzte,  konnte seinen Einsatz mehr als versechsfachen.

Im großen Gefüge der NBA, pro Saison gibt es 1230 Partien, fällt eine Blessur kaum auf, zudem sind viele Spiele gegen Ende der regulären Saison wegen Nicht-Abstieg und Playoffs sportlich wertlos und somit von geringer Strahlkraft. Das zeigt der dritte Fall, in den der deutsche Profi Franz Wagner ohne eigenes Zutun verwickelt ist. Am 6. April 2023 hatte sein Klub Orlando Magic keine Chance auf die Playoff-Teilnahme; die Wettbetrüger erfuhren am Morgen, dass Trainer Jamahl Mosley alle Stammspieler schonen würde. Orlando, vor der offiziellen Bekanntgabe deutlicher Favorit, verlor 94:118.

„Es ist die Insider-Trading-Saga der NBA“, sagt Kash Patel, Leiter der Bundesbehörde FBI. Die Liga selbst ist nicht angeklagt, sie steht aber im Scheinwerferlicht; denn: Gerade beginnt der neue Rechte-Vertrag, die NBA kassiert über elf Spielzeiten hinweg 76 Milliarden Dollar. Live-Sport ist einer der letzten zuverlässigen Quotenbringer – und es sehen umso mehr Leute zu, wenn sie auf irgendeinen Aspekt gewettet haben. „Ich bin der Meinung, dass Sportwetten aus dem Untergrund ans Tageslicht gebracht werden sollten, angemessen überwacht und reguliert“, hatte NBA-Chef Adam Silver 2014 in der New York Times gefordert. Vor sieben Jahren öffnete ein Urteil des Supreme Court die Tür zur Wett-Legalisierung; seit 2021 arbeitet die Liga offiziell mit Online-Wettbüros und Fantasy-Basketball-Spielanbietern.

Pokerabende mit gezinkten Mischmaschinen und speziellen Kontaktlinsen

Während Partien verweisen Kommentatoren auf Live-Wettquoten, in vier NBA-Arenen (Chicago, Cleveland, Phoenix und Washington) gibt es Wettbüros. Das gefällt nicht allen Spielern, wie eine Umfrage der Times unter NBA-Profis im Frühjahr zeigte: knapp die Hälfte wertete die Wettpartnerschaften als schlecht. Nochmal: Weder die Liga noch Wettanbieter sind angeklagt, die Fälle zeigen allerdings deutlich die wunden Stellen des Systems.

So ist es auch beim zweiten Fall, in den Insider-Info-Lieferant Jones verwickelt sein soll. Die Hauptfigur ist Chauncey Billups, Cheftrainer der Trailblazers und seit 2024 in der Hall of Fame verewigt. Um „Fame“ ging es, denn: Die Prominenz von Billups sollte dafür sorgen, dass Leute Pokerabende in Manhattan für legitim hielten – doch das waren sie nicht. Das organisierte Verbrechen soll Opfer um mehr als sieben Millionen Dollar betrogen haben; mit versteckten Kameras in Tischen, gezinkten Mischmaschinen oder Kontaktlinsen, mit denen die Träger jeweils auf der Rückseite der Karte sahen, welche es sein musste.

Billups ist im ersten Fall nicht angeklagt, das könnte allerdings noch passieren: Er ist wohl „Conspirator 8“; der Trainer der Trailblazers, der am 24. März 2023 alle Stammspieler schonte, als das Team keine Chance mehr auf die Playoffs hatte. Diese Information hatten Wettbetrüger Stunden bevor es offiziell bekannt wurde; sie sollen erfolgreich mehr als 100 000 Dollar auf eine Trailblazers-Niederlage gewettet haben.

Die NBA wollte zum Start der neuen Saison vieles feiern: die Rückkehr zu TV-Sender NBC und damit den 90ern, die sowieso hip sind aktuell, das finanzielle Wohlergehen dank des Rechte-Vertrags, die vielen internationalen Spieler – 135 aus 43 Ländern, die diese Märkte leicht erschließen lassen. Stattdessen lautet die Schlagzeile: Hall-of-Fame-Mitglied und aktueller NBA-Cheftrainer mit Verbindungen zu gleich mehreren Familien des organisierten Verbrechens hat bei illegalen Pokerabenden Opfer um Millionen Dollar betrogen und könnte Infos zu seinem Team an Wettbetrüger weitergegeben haben, damit diese Hunderttausende auf NBA-Partien wetten.