Alternativmedizin
Naturheilkunde bei Krebs: Was Sie über Vitamin D & Co wissen sollten
Die Versprechen der Naturheilkunde sind groß: Viele Heilkräuter und Wunderpillen sollen bei Krebs wirken. Da ist oft etwas dran – doch sie sind kein Ersatz für Tumortherapien.
Viele Onkologen reagieren abfällig oder sogar verärgert, wenn Krebspatientinnen und -patienten fragen: „Was kann ich selber machen?“ Dabei gibt es da viel, und manchmal sollten sie nicht zögern, ihre Ärzte und Ärztinnen aufzuklären, was in der Leitlinie zur Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer PatientInnen steht.* Dem Autor dieses Textes sind aktuelle Fälle bekannt, in denen Fachärzte für Krebsmedizin nicht einmal wussten, dass so eine Leitlinie überhaupt existiert.
Das Wort „komplementär“ steht für „ergänzend“ – es handelt sich also um Wirkstoffe, die man ergänzend zur Tumortherapie erwägen kann, immer in Absprache mit der Onkologin oder dem Onkologen, denn Überdosierungen können unerwünschte Folgen haben.
Als Basis für die Bewertung der Wirkstoffe diente einerseits die aktuelle Leitlinie für komplementäre Onkologie, die als Konsens und Kompromiss vieler medizinischer Fachgesellschaften im Frühjahr veröffentlicht wurde. Außerdem aber auch ein Ratgeber der von der Deutschen Krebsgesellschaft beauftragten Koordinatorin eben dieser Leitlinie, der Onkologin Jutta Hübner von der Universität Jena, die weitere häufig verwendete Wirkstoffe berücksichtigt.
Ginseng
Ginseng ist eine Staudenpflanze, die in einigen Provinzen Nordchinas und im Norden Südkoreas vorkommt. Im Handel gibt es weißen Ginseng, der aus gewaschenen Wurzeln gewonnen wird, und roten Ginseng, der mit Wasserdampf behandelt und dann getrocknet wird. Studien aus Korea legen nahe, dass eine regelmäßige Ginseng-Einnahme das Risiko, an Krebs zu erkranken, verringern könnte. Auch während einer Krebstherapie könnte die Einnahme von Ginseng sinnvoll sein. Es könnte gegen die chronische Erschöpfung wirken, unter der viele Krebspatienten leiden. Für beide Aussagen ist die Studienlage jedoch dünn. In höheren Dosierungen kommt es zu Nebenwirkungen und auch Wechselwirkungen mit häufig verschriebenen Gerinnungshemmern, Diabetesmedikamenten und Antidepressiva.
Vitamin D
Menschen, die gut mit Vitamin D versorgt sind, erkranken Studien zufolge seltener an verschiedenen Krebsarten. Im Krankheitsfall ist ihre Prognose besser. Offen ist noch die Frage, ob Vitamin D an sich hilfreich ist oder nur ein Anzeichen dafür, dass ein Mensch viel im Freien unterwegs ist, also einen gesunden Lebensstil führt. Unter Sonneneinstrahlung kann der Körper in der Haut die aktive Form Vitamin D3 aus Vorstufen bilden. In seiner aktiven Form kommt Vitamin D nur in wenigen Lebensmitteln wie Lebertranöl, Lachs, Kalbfleisch oder Hühnerei vor.
Fast die Hälfte der Deutschen weist suboptimale Spiegel im Blut auf oder hat sogar einen Vitamin-D-Mangel. Deshalb sollte es laut Leitlinie „Komplementäre Onkologie“ zur Routine gehören, nach einer Krebsdiagnose den Spiegel im Blut bestimmen zu lassen. Im Falle eines Mangels, der vor allem in den Wintermonaten auftritt, sollten bei Krebspatienten der Lebensstil und die Ernährung angepasst und Vitamin D gegebenenfalls auch als Nahrungsergänzungsmittel verabreicht werden. Gefährlich jedoch sind sehr hohe Dosierungen, wie sie öfter von Alternativmedizinern empfohlen werden.
Mariendistel
Der Wirkstoff Silymarin aus der Mariendistel wird erfolgreich bei Lebererkrankungen eingesetzt. Da Krebspatienten häufig Leberprobleme haben und die therapeutische Erfahrung hoch ist, kann ein Therapieversuch sinnvoll sein. Als Salbe wirkt der Stoff gegen die bei Krebstherapien häufigen Hautschädigungen, die als Hand-Fuß-Syndrom bezeichnet werden.
Salbei
Die Gerbstoffe aus Salbei wirken entzündungshemmend und eignen sich dazu, eine sehr häufige Nebenwirkung von Krebstherapien zu behandeln: Mundschleimhautentzündungen. In Form einer Tinktur oder eines Salbeitees kann die Pflanze für Mundspülungen vorbeugend eingesetzt werden. Stark entzündete Stellen können mit Wattestäbchen behandelt werden. Auch das ätherische Öl der Kamille wirkt in gleicher Weise entzündungshemmend und wundheilungsfördernd.
Selen
Das Spurenelement Selen kommt in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch und Eiern vor. Bei pflanzlichen Lebensmitteln – vor allem bei Kohlsorten, Zwiebelgemüse und Hülsenfrüchten – ist der Gehalt stark abhängig vom Selengehalt der Böden. Besonders viel Selen steckt in Paranüssen.
Die Datenlage zu Selen ist kompliziert. Einerseits weisen Krebspatientinnen und -patienten häufiger als die Durchschnittsbevölkerung einen Mangel des Spurenelements auf. Auch kann man – im Falle eines Selenmangels – durch eine gezielte Einnahme die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, wohl verringern. Nimmt man jedoch zu viel davon ein, steigt wiederum das Krebsrisiko. Eine bekannte Studie an Prostatakrebs-Patienten wurde sogar abgebrochen, weil befürchtet wurde, dass Selen eher schaden könnte.
Es sollte also weder zu viel noch zu wenig Selen im Körper vorhanden sein. Aus all diesen Gründen empfiehlt die aktuelle Leitlinie eine routinemäßige Spiegelbestimmung – so wie bei Vitamin D. Veganer können häufiger von einem Selenmangel betroffen sein, was deshalb besonders relevant ist, weil in der Alternativmedizin eine vegane Ernährungsweise häufiger empfohlen wird. Man sollte auf keinen Fall auf eigene Faust selenhaltige Nahrungsergänzungsmittel ohne regelmäßige Spiegelkontrolle einnehmen, da bei Überdosierungen erhebliche Nebenwirkungen auftreten können.
Omega-3-Fettsäuren
Die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren werden üblicherweise zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen. Sie kommen vor allem in fetten Fischen, Nüssen, Samen und deren Ölen vor. Als Nahrungsergänzungsmittel gibt es Fischölkapseln. Ob Omega-3-Fettsäuren wirklich gegen Krebs schützen oder hilfreich während der Therapie sind, wird in der Wissenschaft noch diskutiert. Darum aber müssen sich Krebspatienten nicht weiter kümmern, denn eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, ist sowieso gesund.
Nur gilt dabei die gleiche Grundregel wie immer: mit der Dosis nicht übertreiben. Schon im Jahr 2009 warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor gesundheitlichen Gefahren einer Überdosierung: hohe Cholesterinspiegel, Beeinträchtigung der Immunabwehr bei älteren Menschen, erhöhte Sterblichkeit bei Menschen mit Herzerkrankungen. Seit vergangenem Jahr ist diese Liste um Vorhofflimmern erweitert. Die Dosisempfehlung des BfR liegt bei 1,5 Gramm pro Tag, wohingegen die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA in einer Stellungnahme von 2012 die Aufnahme von bis zu 5 Gramm als unbedenklich für Erwachsene ohne Vorerkrankungen ansieht.
Weihrauch
Der Weihraumbaum der Gattung Boswellia wächst in Afrika, arabischen Ländern und Indien. Medizinisch interessant ist das Harz, in dem Boswellia-Säuren vorkommen. Interessant ist Weihrauch vor allem für Patientinnen und Patienten mit Hirntumoren. Oft nämlich kommt es im Krankheitsverlauf zur Bildung von Wasseransammlungen (Ödemen). Da sich das Gehirn im Schädel nicht ausdehnen kann, können neurologische Schäden die Folge sein. Kleine Studien zeigten, dass die Einnahme von Weihrauch zu einer Abnahme dieses Ödems und auch zur Verbesserung neurologischer Symptome der Patienten führen kann.
* Als Basis für die Bewertung der Wirkstoffe diente einerseits die aktuelle Leitlinie für komplementäre Onkologie, die als Konsens und Kompromiss vieler medizinischer Fachgesellschaften im Frühjahr veröffentlicht wurde. Außerdem aber auch ein Ratgeber der von der Deutschen Krebsgesellschaft beauftragten Koordinatorin eben dieser Leitlinie, der Onkologin Jutta Hübner von der Universität Jena, die weitere häufig verwendete Wirkstoffe berücksichtigt.