Nations-League-Halbfinale: Deutschland gewinnt Hinspiel gegen Frankreich

Als es schon fast so ausgesehen hatte, als würde die erste Begegnung zwischen Deutschland und Frankreich seit diesem epischen EM-Viertelfinale 0:0 enden, machte Klara Bühl plötzlich Dinge, die in dieser Qualität nur Klara Bühl kann. Nach einer Seitenverlagerung kam die 24 Jahre alte Fußballerin an den Ball und zog in die Mitte. Aber statt nochmals abzuspielen, machte es Bühl lieber selbst: Von der Strafraumkante versuchte sie sich einfach einmal am Abschluss. Der Ball senkte sich unhaltbar hinter der französischen Torhüterin Pauline Peyraud-Magnin ins Tor (78. Minute). Das Hinspiel im Halbfinale der Nations League war entschieden.

Nein, an dieses 6:5 nach Elfmeterschießen Ende Juli, das so viele Menschen für den deutschen Frauenfußball begeistert hatte, konnte dieses Spiel in der Düsseldorfer Arena nicht anknüpfen. Aber das konnte beim ersten Wiedersehen nach dem EM-Turnier, in dem Bundestrainer Christian Wück schon wieder improvisieren musste, auch nicht der Maßstab sein. „Wir werden nicht zu sehr an das EM-Viertelfinale denken“, hatte Wück auf der Pressekonferenz am Donnerstag beteuert: „Das wird ein komplett neues Spiel. Beide Teams treten mit teilweise neuen Spielerinnen an.“

Wück: Mit einer „gehörigen Portion Glück“ gewonnen

Damals hatten die DFB-Frauen trotz einer frühen Roten Karte den Rückstand gegen Frankreich ausgeglichen und sich in Unterzahl und dank der Paraden von Torhüterin Ann-Katrin Berger ins Elfmeterschießen gerettet, aus dem sie als die Siegerinnen hervorgingen. Aber auch diese Partie konnte nicht vertuschen, was den DFB-Frauen schon das gesamte Turnier gefehlt hatte: „Uns ist klar, dass wir mit einer gehörigen Portion Glück gewonnen haben“, sagte Wück, dem nur allzu bewusst ist, dass seine Mannschaft mehr mit Nervenstärke als mit spielerischer Qualität überzeugt hatte.

Im Halbfinale der Nations League wollten die DFB-Frauen beweisen, dass sie sich nicht nur durch Mentalität auszeichnen, sondern auch ihre individuellen Stärken ausspielen können. „Diesmal wollen wir fußballerisch mehr auf den Platz bringen“, sagte Kapitänin Giulia Gwinn, die erstmals nach ihrer Innenbandverletzung wieder im Kader gestanden hatte. Mehr Effizienz, ein besserer erster Kontakt und ein konsequenteres Passspiel wollten die DFB-Frauen zeigen, aber trotzdem mit dem gleichen Kampfgeist zur Sache gehen.

Wück musste seine Elf – auch wegen einer langen Liste an Verletzten – auf mehreren Positionen verändern. Weil unter anderem Sarai Linder, Sophia Kleinherne und Rebecca Knaak fehlten, gab in der Innenverteidigung Camilla Küver (VfL Wolfsburg) ihr Debüt für die DFB-Frauen. Durch die Rückkehr von Gwinn auf die Außenverteidigerposition rückte Carlotta Wamser nach vorne auf den Flügel, wo sonst Jule Brand spielt. Die wanderte dafür auf die Zehnerposition.

Berger-Vertretung pariert

Wamser war es auch, die gleich an zwei gefährlichen Situationen beteiligt war. Die 21 Jahre alte Fußballerin wurde in der dritten Minute von Elisa Senß angespielt und passte in die Mitte auf Nicole Anyomi, die für die am Kreuzband verletzte Giovanna Hoffmann in die Sturmspitze gerückt war. Frankreichs Torhüterin Pauline Peyraud-Magnin musste sich erstmals strecken (3. Minute). Wenig später fand ein Pass von Gwinn ins Zentrum abermals zu Wamser, aber wieder war Peyraud-Magnin zur Stelle und klärte zur Ecke (4.).

Frankreich kam zunächst nur selten nach vorne. Erst zur Mitte der ersten Halbzeit wurde das Spiel ausgeglichener, weil beide Mannschaften nicht mehr so oft über das Mittelfeld hinauskamen. In der 20. Minute konnte Élisa de Almeida eine Seitenverlagerung nicht klären, sodass Bühl hinter ihr an den Ball kam. Ihr Abschluss von der linken Seite rauschte jedoch knapp am langen Pfosten vorbei. Dann wurde auch Frankreich erstmals gefährlich: Delphine Cascarino konnte freistehend von der Strafraumkante abziehen, doch die Torhüterin Stina Johannes parierte. Den Abpraller hätte Kadidiatou Diani beinahe eingeschoben, doch Kathrin Hendrich ging dazwischen und klärte in höchster Not.

Stammtorhüterin erfolgreich vertreten: Deutschlands Stina Johannes (links) freut sich nach der Partie ohne Gegentor.
Stammtorhüterin erfolgreich vertreten: Deutschlands Stina Johannes (links) freut sich nach der Partie ohne Gegentor.dpa

Wenn Deutschland einmal schnell nach vorne kam, war meist eine französische Spielerin dazwischen. Auf der linken Seite erhöhte Bühl das Tempo und schlug eine flache Hereingabe in Richtung Wamser. Selma Bacha konnte jedoch zur Ecke klären, die nichts einbrachte (26.). Die DFB-Frauen hätten zu diesem Zeitpunkt schon höher führen können, wenn nicht sogar müssen, aber die größte Möglichkeit hatten die Französinnen: Nach einer Flanke von Grace Geyoro auf Marie-Antoinette Katoto zappelte der Ball im Netz. Der Treffer wurde allerdings wegen einer Abseitsstellung aberkannt (34.).

Rückspiel in Frankreich

Frankreich startete nach der Pause etwas besser in den zweiten Durchgang, aber es war die deutsche Mannschaft, die sich die ersten Chancen erarbeitete: Erst erlief Sjoeke Nüsken eine Flanke von Gwinn, nickte den Ball aber aus kurzer Distanz am Tor vorbei (55.). Dann spielte Franziska Kett in die Mitte, wo Anyomi an den Ball kam, diesen aber über das Tor schoss (57.).

Knapp zehn Minuten später kam Deutschland zur nächsten Möglichkeit. Diesmal fand ein Ball von Kett die im Zentrum freistehende Nüsken, die aus knapp sieben Metern aber viel zu zentral abschloss, sodass Peyraud-Magnin den Schuss abwehren konnte (69.). Auf der anderen Seite kam auch Frankreich gefährlich vor das Tor, doch ein Schuss der eingewechselten Melvine Malard von der Strafraumkante ging knapp rechts vorbei (71.). Besser machte sie es zwei Minuten später, als sie nach einer missglückten Klärungsaktion von Senß frei zum Abschluss kam. Doch abermals konnte Johannes klären (73.).

Durch den knappen 1:0-Sieg haben die DFB-Frauen den Grundstein für den Einzug ins Finale der Nations League gelegt. Bundestrainer Wück sprach nach dem Spiel von dem „nächsten Schritt“, den seine Mannschaft gegangen sei. „Heute haben wir bewiesen, dass wir es auch gegen einen Top-Gegner können.“ Auch Gwinn bescheinigte sich und ihren Mitspielerinnen, sehr präsent in den Zweikämpfen gewesen zu sein und vor allem in den ersten 30 Minuten das eigene Spiel durchgebracht haben. „Das Einzige, was wir ein bisschen vermissen lassen haben, war die Effizienz“, sagte Gwinn, aber daran werde die Mannschaft bis zum Rückspiel am Dienstag (21.10 Uhr im ZDF) in Caen noch arbeiten. Damit es dieses Mal nicht ganz so spannend wird.