
Julian Nagelsmann hat seine längste Siegesserie als Bundestrainer geschafft. Doch das dürftige 2:0 in Luxemburg wirft viele Fragen auf. Reicht es für das direkte WM-Ticket im Showdown gegen die Slowakei? Und was wäre bei der Weltmeisterschaft zu erwarten? Es gibt fünf Problemherde.
Für die WM fehlt der deutschen Nationalmannschaft nur noch ein Pünktchen – vor allem aber eine gehörige Leistungssteigerung. Beim dürftigen 2:0 in Luxemburg erschreckte das Team Bundestrainer Julian Nagelsmann mit einem schlimmen Rumpel-Rückfall in der ersten Halbzeit.
Die neuen Sorgen überschatten bei Weitem das dritte Zu-Null-Spiel und den vierten Sieg in Folge, nach dem uns im abschließenden Qualifikations-Spiel am Montag in Leipzig gegen die Slowakei (20.45 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) theoretisch ein Unentschieden für Platz 1 reicht. Denn in dieser Verfassung fährt das DFB-Team Wohl zum Turnier in den USA, Kanada und Mexiko (11. Juli bis 19. Juli) – wird dort aber kaum bestehen können. Der „Spiegel“ titelte treffend: „Mag sein, dass die DFB-Elf zur WM fährt. Aber was will sie da?“
Nagelsmann ist nun gefordert. Der 38-Jährige muss dringend zeigen, dass er die Truppe wirklich auf Weltmeister-Niveau bringen kann. Und er muss die folgenden Problem-Zonen sofort in den Griff bekommen.
- Die Wackel-Defensive: Dass das DFB-Team nicht in Rückstand geriet, haben wir nur dem erneut stabilen Torwart Oliver Baumann und der Luxemburger Abschlussschwäche zu verdanken. Die Innenverteidiger Jonathan Tah und Waldemar Anton konnten keine konstante Stabilität ausstrahlen, Rechtsverteidiger Ridle Baku war als Kimmich-Vertreter zu fehleranfällig und auch die Mittelfeld-Zentrale gefährdete sich mit zahlreichen Ballverlusten selbst.
Nagelsmann: „Wir waren oft nicht wirklich am Mann.“ Heißt: schlechte Zweikampfführung, schlechte Positionierungen, Unkonzentriertheit.
- Die Dominanz-Delle: „Dominanz“ war eines der wichtigsten Nagelsmann-Schlagworte für die Qualifikations-Spiele. In jeder Partie solle klar unsere Überlegenheit erkennbar sein, so sein Anspruch. In der ersten Halbzeit allerdings zeigte Luxemburg den leidenschaftlicheren Auftritt, engte uns mit seinem aggressiven Pressing sogar ein. Gab auch Nagelsmann zu: „Wir haben den Gegner oft eingeladen, ins Pressing zu gehen.“
Die deutsche Mannschaft braucht dringend eine bessere Ausstrahlung. Nagelsmann mit Blick auf das Slowakei-Spiel: „Wir haben eine gewisse DNA. Wir wollen schon den Ball haben und Favorit sein.“
- Die spielerische Armut: Das deutsche Offensivspiel wirkte zu statisch und undynamisch. Klare Lösungsansätze und Automatismen waren vor allem in der ersten Hälfte kaum erkennbar. Und das, obwohl Nagelsmann den Fokus im Training in Wolfsburg extra auf die offensiven Abläufe gelegt hatte. In Luxemburg reichte die höhere individuelle Klasse bei den Tor-Szenen zwar für den Sieg, größere Gegner werden wir mit dieser Spielweise aber kaum gefährden können.
Nagelsmann: „Wir wollten schon etwas mehr Ballbesitz haben in der ersten Halbzeit, den Gegner mehr in dessen Hälfte bringen.“
- Das Führungs-Vakuum: Ohne den angeschlagenen Joshua Kimmich (Kapselverletzung) zeigte sich deutlich, dass der Mannschaft weitere Anführer fehlen, die auch in schwierigen Situationen die Initiative ergreifen. Vor dem Spiel hatte sich ebenfalls Kimmich mit Einzelgesprächen und einer kurzen Rede an das Team gewendet.
- Das Achsen-Problem: Aktuell ist immer noch nicht klar, welche Stars mit Blick auf die WM unsere Achse bilden. In Luxemburg enttäuschte sogar der Block aus vier formstarken Bayern-Profis. Tah: „Der Trainer entscheidet am Ende natürlich, wer oder was die Achse ist. (…) So blöd es klingt, wir haben noch ein bisschen Zeit, um uns darauf vorzubereiten.“
Für Aufsehen sorgte vor allem dieser ehrliche, aber schwer bedenkliche Satz des Bundestrainers auf der Pressekonferenz: „Am Ende habe ich schon das Gefühl, dass die Mannschaft das gerade nicht verträgt, wenn man super draufhaut.“ Klingt, als könne Nagelsmann weitere Rumpel-Rückfälle nicht ausschließen.
