
Die erneute Offensive der israelischen Armee in Gaza und die jetzt vollzogene Entlassung von Geheimdienstchef Ronen Bar sorgen in Israel seit Tagen für Proteste. Jetzt schaltet sich Staatspräsident Isaac Herzog ein – mit einer ungewöhnlich scharfen Mahnung.
Angesichts anhaltender Proteste gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und der gleichzeitigen Wiederaufnahme des Militäreinsatzes gegen die Hamas im Gazastreifen hat sich Israels Präsident Isaac Herzog außergewöhnlich kritisch zum Vorgehen der Regierung geäußert. „Es ist undenkbar, die Kämpfe wieder aufzunehmen, während wir noch die heilige Mission verfolgen, unsere Geiseln nach Hause zu bringen“, sagte Herzog in einer am Donnerstag veröffentlichten Videobotschaft.
„Es ist unmöglich, nicht zutiefst beunruhigt zu sein von den bitteren Ereignissen, die sich vor unseren Augen abspielen“, sagte Herzog weiter. Er nannte Netanjahu nicht beim Namen, sagte aber unter anderem, es sei „unvorstellbar, unsere Söhne an die Front zu schicken, während gleichzeitig spaltende und umstrittene Initiativen vorangetrieben werden, die tiefe Risse in unserer Nation verursachen“.
Herzog sagte in seiner Videobotschaft weiter: „Leider sind wir Zeugen einer Reihe einseitiger Maßnahmen, und ich bin zutiefst besorgt über ihre Auswirkungen auf unsere nationale Widerstandsfähigkeit.“ Die Regierung forderte er auf, die Massenproteste zur Kenntnis zu nehmen.
In Israel protestieren seit Tagen tausende Menschen gegen die Regierung Netanjahu. Sie richten sich insbesondere gegen deren Entscheidung, die Kampfhandlungen gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen wiederaufzunehmen, obwohl sich immer noch Geiseln dort befinden – und gegen die Entlassung des Inlandsgeheimdienstchefs Ronen Bar durch Netanjahu. Am Donnerstag gingen in Jerusalem trotz Kälte und Regen erneut tausende Menschen gegen die Regierung auf die Straße.
Netanjahu zeigte sich dennoch unbeeindruckt. Die Regierung sei seinem Vorschlag, die Amtszeit Bars zu beenden, einstimmig gefolgt, teilte Netanjahus Büro am Freitag mit. Bar werde als Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet spätestens am 10. April zurücktreten oder sobald ein Nachfolger nominiert sei.
Als Grund nannte Netanjahu „Mangel an Vertrauen“ in Bar. Die Beziehungen zwischen den beiden gelten seit Längerem als belastet. In einer Untersuchung des Inlandsgeheimdienstes über die Fehler, die das Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 ermöglicht hatten, war Netanjahu nicht gut weggekommen.
Zudem ermittelt Schin Bet zu mutmaßlichen illegalen Beziehungen von Vertrauten Netanjahus mit Katar. Katar gehört zu den Unterhändlern bei den indirekten Gesprächen mit der Hamas, gilt aber auch als Unterstützer der Terrororganisation. Kritiker in Israel befürchten, dass Netanjahu Bar durch einen Nachfolger ersetzen könnte, der ihm ergeben ist und die Ermittlungen einstellt.
In den kommenden Tagen steht in Israel unter anderem die Abstimmung der Knesset über den Haushalt an. In dem Budgetentwurf sind auf der einen Seite Steuererhöhungen und Kürzungen im Bildungswesen vorgesehen, andererseits zusätzliche Ausgaben für Ultraorthodoxe – während zahlreiche ultraorthodoxe Israelis trotz gerichtlicher Verfügungen weiterhin vom Dienst in der Armee ausgenommen werden.
AFP/dpa/sam