Der Tod passte nicht zu ihr. Gar nicht ihr Typ. So sah das die britische Autorin Sophie Kinsella. Mehr als 30 Bücher hat sie geschrieben, mehr als 48 Millionen Mal haben sie sich in mehr als 60 Ländern verkauft. Berühmt geworden ist sie mit ihren „Shopaholic“-Romanen rund um die Finanzjournalistin und Schnäppchenjägerin Becky Bloomwood, deren Leben um Mode, Männer und ihren miesen Kontostand kreist, und seit der Jahrtausendwende zu Weltbestsellern und 2009 Stoff für Hollywood wurden. Und dann kam die Diagnose: Glioblastom, ein aggressiver Hirntumor.
Als man sie traf, vor etwas mehr als einem Jahr in London in ihrem Reihenhaus im Schatten der Westminster Abbey, wirkte Sophie Kinsella, als könne sie ihre Krankheit immer noch kaum fassen, obwohl sie da bereits zwei Jahre voller Operationen, Chemotherapien und Bestrahlungen hinter sich hatte. Sie hatte es also erwischt. Sie, die Königin des Happy Ends, die für die Leichtigkeit des Seins stand. Sie, die aber auch ein solides Studium der Philosophie, Politik und Wirtschaft in Oxford im Kreuz hatte und nach einer Zeit als Finanzjournalistin 1995 ihren ersten Roman „Die Tennisparty“ schrieb, der sofort ein Erfolg wurde. Sie schrieb ihn noch unter ihrem echten Namen Madeleine Sophie Wickham. Die Britin, die 1969 in London zur Welt kam, schüttelte in ihrem Wohnzimmer ungläubig den Kopf. Sie bekam die Diagnose Ende 2022, erst anderthalb Jahre später machte sie diese öffentlich. Krebs. Unheilbar. Sie habe die Zeit für sich und ihre Familie gebraucht. Und die Hoffnung.
Humor: ihre Bewältigungsstrategie, als die Wahrheit zu traurig war
Sie lachte viel an diesem Novembertag 2024, nicht schallend, das nicht. Es war eher ein wissendes Lächeln, das von einem feinen Sinn für Humor und Wortwitz kündet, der aus all ihren Romanen spricht. Aus den neun Romanen der Schnäppchenjägerin-Reihe genauso wie ihren anderen Büchern, darunter ein Jugendroman und vier Kinderbücher. Sie habe die Zeit mit der Krankheit für sich umgedeutet, sagte sie, etwa in der Klinik. „Wenn die Schwestern in der Radiologie über meinen Kopf hinweg in medizinischen Fachbegriffen redeten, sagte ich mir: Das sind spanische Beauty-Spezialistinnen, die sich über meinen Hauttyp unterhalten.“ Wenn ihr eine Apparatur auf den Kopf gesetzt worden sei, habe sie so getan, als wäre das eine neue Art der Gesichtsbehandlung und habe sich gesagt: „Das gleiche Modell benutzt Gwyneth Paltrow auch!“ Humor als Bewältigungsstrategie, wenn die Wahrheit zu traurig ist? „Es ist eine bewusste Entscheidung, dass meine Situation auch lustig sein kann“, sagte Sophie Kinsella.
Ihr Mann Henry saß neben ihr bei dem Gespräch, wie er bei jedem Interview neben ihr saß, er hielt ihre Hand. Die beiden hatten sich an ihrem ersten Tag an der Oxford University kennengelernt. Sie war 21, als sie heirateten. Henry war ihr „Google-Filter“, wie sie sagte: Jeden Morgen suchte er das Internet ab nach guten Nachrichten, nach positiven Krankheitsverläufen von Menschen mit Hirntumoren, nach neuen Entwicklungen in der Forschung, um ihr alles bei einem Tee am Bett vorzulesen. Sophie Kinsella nannte ihr neues Leben „Normal Plus“. Sie wolle keine Bucketlist abarbeiten. Auf die Galapagos-Inseln müsse sie nicht, mit Delfinen sei sie schon geschwommen. Es gehe darum, das Leben wertzuschätzen, im Heute zu leben. Besondere Begegnungen, liebe Worte, ein schöner Spaziergang. Mit guten Gedanken einschlafen. Nicht darüber nachdenken, was morgen ist.
Ende 2024 veröffentlichte sie ihren letzten Roman „Wie fühlt es sich an?“, in dem es um eine Autorin romantischer Komödien geht, bei der ein aggressiver Hirntumor entdeckt wurde. Sie habe diese Distanz gebraucht, aber natürlich sei das ihr Leben, sagte Kinsella. Eine Passage darin lautet: „Ich mag Happy Ends. Darum habe ich mir ja auch so viele ausgedacht. Aber hier kommt die Ironie des Schicksals ins Spiel: Ich kann mir im wahren Leben kein Happy End für mich ausdenken.“ Am Mittwoch ist Sophie Kinsella im Alter von 55 Jahren gestorben, sie hinterlässt ihren Mann Henry und ihre fünf gemeinsamen Kinder.
