Jahr für Jahr erstrahlen deutsche Wohnzimmer in neuem Glanz, wenn der Weihnachtsbaum Einzug hält und geschmückt wird. Schätzungsweise 25 Millionen Tannen und Fichten stellen die Menschen in Deutschland Jahr für Jahr auf. Ein Baum, zehn Jahre Wachstum, wenige Wochen Wohnzimmer. Und dann? Die Frage, wie nachhaltig der Weihnachtsbaum ist, lässt sich längst nicht so leicht beiseiteschieben.
Dabei ist der Tannenbaum seit jeher das Herzstück des deutschen Weihnachtsfestes. Was einst noch ein Nebenprodukt der Forstwirtschaft war, ist längst zu einem florierenden Wirtschaftszweig der Landwirtschaft gewachsen. Die meisten Bäume wachsen heute auf Großplantagen, oft im Sauerland, das dafür optimale Bedingungen bietet. Acht bis zehn Jahre wachsen die Bäume, meist Nordmanntannen oder Blaufichten. Dann werden sie gefällt und nach ein paar Wochen der Festlichkeit entsorgt.
Die Frage nach der Nachhaltigkeit des Weihnachtsbaums ist nicht leicht zu beantworten. Für das große Bild ist zunächst wichtig zu wissen, dass längst nicht jeder Baum natürlichen Ursprungs ist. Der Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger hat im vergangenen Jahr eine repräsentative Befragung zum Kaufverhalten durchführen lassen. Demnach ist der Naturbaum am beliebtesten, doch Plastikbäume haben zuletzt deutlich aufgeholt. Baumalternativen, also etwa Holz- oder Metallgestelle, bildeten die Minderheit.
Naturbaum bindet Kohlenstoff
Für die Weihnachtsbaumerzeuger selbst ist die Sache ausgemacht: Die Naturtanne punktet mit einer guten Ökobilanz. „Der Anbau von Weihnachtsbäumen auf landwirtschaftlichen Flächen ist aus Sicht der CO2-Bilanz positiv zu bewerten, da ihr Anbau klimaneutral ist“, sagt Janina Teichmann vom Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger. Der Weihnachtsbaum kommt mit einer nahezu neutralen CO2-Bilanz verhältnismäßig gut weg. Das zeigen verschiedene Daten, die einander ähneln. Gemäß einer Nachhaltigkeitsstudie des Ellipsos-Instituts in Kanada liegt die Bilanz bei -0,5 bis 3 Kilogramm CO2-Äquivalenten je Baum. Die britische Organisation Carbon Trust bemisst die Klimabilanz eines zwei Meter hohen natürlichen Weihnachtsbaumes, der am Ende im heimischen Ofen landet oder zur Stromerzeugung im Kraftwerk verbrannt wird, bei 3,5 Kilogramm CO2-Äquivalenten. In den Studien werden Biobäume und konventionelle Bäume nicht unterschieden.

Doch so grün, wie es auf den ersten Blick scheint, ist der Weihnachtsbaum nicht immer. Die Produktionsbedingungen unterscheiden sich von Betrieb zu Betrieb. Die klimapositive Wirkung der natürlichen Bäume sollte nicht überschätzt werden, sagt Niels Jungbluth, Geschäftsführer der Ökobilanzberatung ESU-Service. Ein zwei Meter großer Tannenbaum bindet laut Daten der Beratung während des Wachstums etwa 15 Kilogramm CO2, was aber nur kurzfristig wirke. Nachdem der Baum verbrannt wurde, werde das CO2 wieder freigesetzt. Ein alter Buchenwald wäre für die langfristige CO2-Bindung wesentlich effektiver. Dieser Aspekt werde bei den meisten Berechnungen nicht berücksichtigt und würde die Bilanz von Weihnachtsbäumen verschlechtern.
Weihnachtsbaumrechner ermittelt Ökobilanz
Um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, wäre nach Berechnungen des Unternehmens eine sichere Speicherung über Hunderte Jahre erforderlich. Um die Ökobilanz von Weihnachtsbäumen zu ermitteln, hat Jungbluth einen Weihnachtsbaumrechner entwickelt. Dort lassen sich verschiedene Einflussfaktoren wie Baumart, Transport und Nutzungsdauer eintragen. Wichtig ist laut der Beratung außerdem, ob nur der Klimawandel oder alle Umweltbelastungen betrachtet werden. Sicher sei aber, dass Tannenbäume aus der naturnahen Waldwirtschaft ökologisch deutlich besser abschneiden als Plantagenbäume, denn dort würden Dünge- und Pflanzenschutzmittel eingesetzt.
Eberhard Hennecke baut selbst auf 300 Hektar im Sauerland Tannenbäume an. Er hat einen anderen Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. „Für jeden Weihnachtsbaum, der gefällt wird, werden zwei bis drei neue Bäume nachgepflanzt. Das ist ein Kreislauf, der auf unseren Plantagen stattfindet“, sagt er. Auch Janina Teichmann vom Weihnachtsbaumverband verweist darauf, dass die Weihnachtsbaumerzeugung sämtliche Nachhaltigkeitsstandards erfülle und dies auch zunehmend zertifiziert sei, etwa durch das „Forest Stewardship Council“ (FSC).
Doch diese Zertifizierungen sind für Verbraucher nicht immer einfach zu erkennen. Besonders bei Bäumen aus dem Ausland bleibt häufig unklar, ob und welche Dünger oder Pflanzenschutzmittel verwendet wurden. Das Umweltbundesamt empfiehlt deshalb, möglichst einen Baum aus heimischem Wald oder von einer zertifizierten Plantage zu wählen. Auch nichtheimische Arten wie Nordmanntanne oder Stechfichte seien akzeptabel, solange sie aus „nachhaltigem Anbau“ stammen.
Weihnachtsbaumerzeuger Hennecke räumt ein: „Pflanzenschutz ist im konventionellen Anbau immer dabei.“ Doch unterläge auch der konventionelle Anbau dabei mittlerweile hohen Standards der Behörden. „Wir werden kontrolliert und gehen verantwortungsvoll damit um, und das meine ich ernst“, sagt er. Die Zeiten, in denen großzügig gespritzt wurde, seien vorbei. Heute werde nur noch im Notfall behandelt, nicht mehr zur Prophylaxe.
Wofür werden Pflanzenschutzmittel eingesetzt?
Nicht zuletzt sei der Pflanzenschutz aber auch im Interesse der Kunden. „Jeder will schließlich einen vernünftigen Weihnachtsbaum und keinen, der von einem Pilz befallen wurde“, sagt Hennecke. Wie viel Pflanzenschutzmittel tatsächlich eingesetzt werden, hängt laut Hennecke von der Vegetation ab. Vieles lasse sich inzwischen maschinell regeln, etwa das Hacken von Unkraut zwischen den Bäumen.

Für Benedikt Schneebecke, Vorsitzender des Verbands Natürlicher Weihnachtsbaum, sind natürliche Weihnachtsbäume für Mensch und Umwelt unbedenklich. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigten dies. Er verweist darauf, dass vor allem in extensiv bewirtschafteten Weihnachtsbaumkulturen die Artenvielfalt und der ökologische Wert hoch seien. Die Plantagen böten etwa Brutflächen für Vögel wie Rebhühner oder Baumpieper, Blühstreifen und Begleitwuchs, lieferten Insekten Nahrung, und die lange Standzeit der Bäume trage dazu bei, den Boden als Wasserspeicher zu erhalten.
Strengere Kriterien müssen Bio-Weihnachtsbaumerzeuger erfüllen. Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel oder leicht lösliche Mineraldünger sind hier verboten. Bio-Weihnachtsbäume werden in der Regel mit Kupfer gespritzt, um Krankheiten zu bekämpfen. Ansonsten greifen Biobauern auf alternative Methoden wie etwa Schafe zur Unkrautbekämpfung zurück. Der Anbau der Biobäume in Mischkultur, also zusammen mit anderen Pflanzen oder Bäumen, verringere zudem das Risiko eines Schädlingsbefalls, heißt es von den Bioverbänden.
Bioanteil bei Weihnachtsbäumen niedrig
Der Bioanteil bei Weihnachtsbäumen ist trotzdem nach wie vor niedrig. Tannenbaumanbieter Hennecke sieht einen Hauptgrund im Preis, wie das auch bei anderen Bioprodukten der Fall ist. „Viele sagen, sie kaufen Bio, aber am Ende zählt oft der Preis“, sagt er. Für einen Meter Nordmanntanne müssen Verbraucher in diesem Jahr mit 23 bis 30 Euro rechnen, Biobäume dürften etwas teurer sein. Hennecke verteidigt sich gegen eine Schwarz-Weiß-Malerei zwischen konventionellem und ökologischem Anbau. „Das konventionell angebaute Produkt stammt, wie der Biobaum auch, aus verantwortungsvollem Anbau“, sagt er.
Wer Wert auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz legt, sollte am besten zu einem regionalen und zertifizierten Baum greifen. Dazu rät Franz Thoma vom Deutschen Forstwirtschaftsrat. Er versichert: Trotz Trockenheit und Borkenkäfer stehen genügend Weihnachtsbäume aus heimischer Erzeugung zur Verfügung. Transportwege, Treibstoffaufwand und CO2-Ausstoß seien überschaubar. Waldbesitzer der Region erzielten mit dem Baumverkauf zudem Erlöse, die ihnen für die Wiederbewaldung zur Verfügung stünden.
Nicht zuletzt müssen Bäume aus heimischem Anbau keine langen Transportwege zurücklegen. Schätzungen zufolge stammen etwa 80 Prozent der in Deutschland verkauften Weihnachtsbäume aus der Region, der Rest wird vor allem aus Dänemark und Polen importiert. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald schätzt, dass jeder dritte Baum direkt beim Erzeuger gekauft wird. Häufig geben große Produzenten aus dem Sauerland ihre Bäume an Wiederverkäufer ab, die diese dann an Endkunden verkaufen.
Sind die Bäume auf einer Öko-Plantage herangewachsen und mit einem Bio-Siegel oder FSC-Siegel zertifiziert, hält das Umweltbundesamt dies für positiv auch für den Kauf nichtheimischer Arten wie Nordmanntanne oder Stechfichte. „Auf Ökoplantagen kommen keine Herbizide zum Einsatz; die Bäume wachsen in Mischkulturen, dadurch sind sie weniger schädlingsanfällig“, lautet das Argument aus dem Amt.
Plastiktanne wird beliebter
Trotz der Vorteile des Naturbaums greifen immer mehr Menschen zur Plastiktanne. Sie nadelt nicht, hält mehrere Weihnachten durch und ist daher auf lange Sicht günstiger, zumindest auf den ersten Blick. Nicht zuletzt muss dafür kein Baum extra gefällt werden, so die Argumente. In den Vereinigten Staaten von Amerika feiern inzwischen mehr als 80 Prozent der Menschen mit einer künstlichen Tanne.
Doch mit Blick auf die Ökobilanz schneidet der Plastikbaum tendenziell schlechter ab. Die Organisation Carbon Trust geht von etwa 40 Kilogramm CO2-Äquivalenten je Baum aus. „Wenn Sie also einen künstlichen Baum zu Hause haben, müssen Sie ihn für mindestens zehn Weihnachten wiederverwenden, um seine Umweltauswirkungen niedriger zu halten als die eines echten Baumes“, sagt Carbon-Trust-Managing-Director Darran Messem. Zwei Drittel der Emissionen entfallen dabei auf die Kunststoffproduktion, ein Drittel auf die eigentliche Herstellung des Baums. Das Ellipsos-Institut geht von 48 Kilogramm CO2-Äquivalenten je Baum aus.
Etwas differenzierter bewertet Niels Jungbluth von der Ökoberatung ESU-Services den Plastikbaum. Er sei nicht immer schlechter als ein Naturbaum. Wichtig sei, dass man ihn lange benutzt, und entscheidend sei, wo er produziert wurde und aus welchem Material.
Muss ein Plastikbaum immer schlechter sein?
Das Umweltbundesamt sieht das allerdings etwas anders. Es weist darauf hin, dass Plastikbäume nicht grundsätzlich schlechter seien. Vielmehr seien Herkunft und Nutzungsdauer entscheidend. Viele der Kunstbäume würden in Fernost produziert und legten weite Strecken Transport zurück. Die Produktion sei energieintensiv, die Entsorgung problematisch. PVC-Kunststoffe ließen sich kaum wiederverwerten. Nach einigen Jahren lande der künstliche Baum meist in der Müllverbrennung. Dort entstünden nicht nur CO2, sondern auch giftige Gase wie Chlorwasserstoff und Dioxine.
Der Verband natürlicher Weihnachtsbaum räumt ein, dass in manchen Bereichen des täglichen Lebens Plastik unvermeidbar sei, etwa in Handys, Küchengeräten oder Autos. „Beim Weihnachtsbaum allerdings gibt es keinen vernünftigen Grund, nicht zur echten Alternative, zum Naturbaum zu greifen“, sagt Helmut Stoll, der Vorsitzende des Verbands.
Auch Tannenbaumanbieter Eberhard Hennecke beobachtet den Trend zum Plastikbaum mit gemischten Gefühlen. „Der Plastikbaum hat einen hohen Anteil am Markt gewonnen“, sagt er. Das liegt aus seiner Sicht vor allem im praktischen Nutzen. Im Altenheim oder Einkaufszentrum etwa sei der Plastikbaum oft schon Standard, weil dort zum Teil sterile Bedingungen eingehalten werden müssen. Dennoch ist er überzeugt, dass der natürliche Baum für viele Menschen weiterhin unverzichtbar bleibt.
Modularer Weihnachtsbaumständer für Tannenzweige
Neben Natur- und Plastikbäumen gibt es noch andere Alternativen. Weihnachtsbäume im Topf sind eine Möglichkeit für alle, die nach den Feiertagen nicht auf das Grün verzichten wollen. Sie lassen sich im eigenen Garten einpflanzen – vorausgesetzt, der Baum übersteht die warme Zeit im Wohnzimmer. Der Anteil verkaufter Topfbäume liegt derzeit bei etwa zehn bis zwölf Prozent.
Wer es unkonventionell mag, kann auf den sogenannten Keinachtsbaum zurückgreifen. Das System des Start-ups Treelivery verkauft modulare Holzständer, in die frisches Tannengrün gesteckt werden kann. Das Ergebnis kann dem Original erstaunlich ähnlich kommen, wenn die Zweige frisch und hochwertig sind. Was nach einem Konkurrenzmodell zum klassischen Baum klingt, soll alles andere als das sein, sagt Geschäftsführer Oliver Rodefeld: „Wir wollen niemandem den traditionellen Baum ausreden, sondern eine Alternative bieten, die Ressourcen schont und dennoch weihnachtliche Stimmung garantiert.“ Auch herkömmliche Tannenbaumproduzenten sehen das Konzept als Möglichkeit, um Tannengrün dafür zu verkaufen. Allerdings ist der Keinachtsbaum kein Schnäppchen. Mit rund 200 Euro ist er teurer als ein klassischer Baum.
Trotz mancher Bedenken werden viele Menschen am klassischen Weihnachtsbaum festhalten. Für sie bleibt die Frage, was nach den Feiertagen am besten mit dem Baum geschieht. Im eigenen Garten lässt sich der Baum ebenfalls kompostieren oder als Brennholz nutzen. Wer den Baum einfach in der Natur entsorgt, riskiert jedoch hohe Bußgelder.
Die einfachste Lösung ist, den Baum von der Stadt oder Gemeinde abholen zu lassen. Viele Kommunen bieten spezielle Sammeltermine an. Alternativ kann der Baum zu einer Sammelstelle gebracht, gehäckselt und über die Biotonne entsorgt oder kompostiert werden. Einige Gemeinden nehmen die Bäume gern für Tierparks, Zoos oder Bauernhöfe entgegen. In Eckernförde etwa dienen ausgediente Weihnachtsbäume sogar zur Befestigung von Ufern.
Bei allen Argumenten sollte die Diskussion über den nachhaltigen Tannenbaum immer auch in Relation zu anderen Klimadebatten gesetzt werden. Selbst das Umweltbundesamt räumt ein: Im Vergleich zu anderen Konsumgütern sind die Umweltbelastungen durch Weihnachtsbäume als gering einzustufen. Oft dürfte die Tradition eines Weihnachtsfestes mit Tannenbaum überwiegen.
