
Die EU-Kommission bezahlte Umweltorganisationen heimlich für fragwürdige Lobbyarbeit, wie vertrauliche Unterlagen zeigten. Die WELT-Enthüllung führt nun zur Einrichtung eines Gremiums, das den Vorgang untersuchen soll.
Vor zwei Wochen hatte WELT aus geheimen Verträgen der EU-Kommission zitiert und damit eine emotionale Debatte in Deutschland und darüber hinaus ausgelöst. Umweltverbände, so wurde in den Dokumenten vereinbart, sollten im Gegenzug für Fördergelder Lobbyarbeit betreiben und zum Beispiel fossile Energie, Pestizide und das Freihandelsabkommen Mercosur zwischen Europa und Südamerika bekämpfen. Nach der Berichterstattung ist nun eine Untersuchung zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im EU-Parlament geplant.
Die Fraktionsvorsitzenden beschlossen auf Vorschlag der konservativen EVP, der Brüsseler Heimat der CDU und CSU, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Haushaltskontrollausschuss. Die Abgeordneten Niclas Herbst (CDU) und Monika Hohlmeier (CSU) teilen mit: „Die aktuellen Enthüllungen zur EU-Finanzierung einiger NGOs und Netzwerke erfordern weitergehende Untersuchungen.“ Es gehe darum, „die inadäquate bis missbräuchliche Verwendung von EU-Steuergeldern“ künftig zu verhindern und „eine verbesserte Transparenz“ durchzusetzen.
Nach WELT-Informationen erhielten einzelne NGOs im Jahr 2023 bis zu 700.000 Euro von der EU-Kommission und sollten dafür zum Beispiel deutsche Kohlekraftwerke in Gerichtsprozesse verstricken und Europaabgeordnete vor wichtigen Abstimmungen beeinflussen, etwa zu Mercosur oder neuen Regeln für Pflanzenschutzmittel und Chemikalien.
Attacke auf die Zivilgesellschaft?
Juristen sehen darin ein verfassungsrechtliches Problem – schließlich wollte die Exekutive der EU heimlich die Legislative beeinflussen, unter Umgehung des üblichen Gesetzgebungsverfahrens.
Rechte Parteien im EU-Parlament unterstützen die Einrichtung der Arbeitsgruppe, die untersuchen soll, wofür genau NGOs von der Kommission Fördermittel erhalten – also auch Gelder deutscher Steuerzahler. Grüne und Linke sind dagegen.
„Seit Monaten attackieren EVP und Rechtsaußen die Zivilgesellschaft“, sagt der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. Dabei habe die EU-Kommission „keine einzige Unregelmäßigkeit“ festgestellt.
Das stimmt nicht ganz, schon im Januar hatte EU-Haushaltskommissar Piotr Serafin gesagt, er müsse zugeben, dass einige Vereinbarungen seiner Behörde mit NGOs zur Lobbyarbeit „unangemessen“ gewesen seien. Dennoch kritisiert der Abgeordnete Freund die nun geplante Arbeitsgruppe scharf. „Dieses Gremium missbraucht die Glaubwürdigkeit des Europaparlaments für eine Kampagne gegen die Zivilgesellschaft aus widerlegten Vorwürfen“, sagt er.
Nach der WELT-Berichterstattung hatten Politiker aus ganz Europa von der Brüsseler Kommission mehr Transparenz im Umgang mit Umweltorganisationen gefordert. Die rechte EKR-Fraktion sprach sich sogar für einen Untersuchungsausschuss im EU-Parlament aus, die EVP wollte es aber bei einer Arbeitsgruppe belassen. Die wird nun mit eigenen Mitarbeitern ausgestattet – und soll bald ihre Tätigkeit aufnehmen.
Stefan Beutelsbacher ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet über die Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik der EU.