Nach Alaska Gipfel: Was haben Trump und Putin besprochen?

Donald Trumps entscheidende Mitteilung zu dem Gespräch mit Wladimir Putin kam am Tag nach der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem russischen Präsidenten und vor einem Golfausflug in seinen eigenen Klub in Virginia. Nachdem der amerikanische Präsident das Wort „Waffenstillstand“ auf der Bühne in Alaska nicht einmal in den Mund genommen hatte, schrieb er am frühen Samstagmorgen auf seiner Plattform „Truth Social“, ein Waffenstillstandsabkommen, wie er es gerade noch gefordert hatte, werde ohnehin „oft nicht eingehalten“.

Stattdessen sei der beste Weg zu einem Ende des Krieges in der Ukraine ein Friedensabkommen. Darin seien sich „alle“ einig gewesen, mit denen er nach dem Gipfel gesprochen habe: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, verschiedene europäische Staats- und Regierungschefs und der Generalsekretär der NATO, behauptete Trump. Doch die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten haben diesen von Russland unterstützten Vorstoß bislang als Verzögerungstaktik bezeichnet, um militärische Erfolge zu festigen.

Nach der Begegnung mit dem russischen Präsidenten in Anchorage, inklusive rotem Teppich und einer gemeinsamen Fahrt in der amerikanischen Präsidentenlimousine, war Trump zunächst für seine Verhältnisse schweigsam gewesen. Putin sprach acht, Trump nur drei Minuten, und der Kern seiner Botschaft lautete, man habe in entscheidenden Angelegenheiten nicht zueinander gefunden. „Es gibt keinen Deal, solange es keinen Deal gibt.“ Es sei trotzdem ein „sehr konstruktives“ Treffen gewesen. In einem anschließenden Interview mit Fox News nahm Trump dann Kiew in die Verantwortung. Es sei jetzt an Selenskyj, einen „Deal“ zu machen. Russland sei eine Großmacht – die Ukraine dagegen nicht. Über die angedrohten Sekundärsanktionen gegen Moskau müsse man in dieser Lage erst einmal „nicht nachdenken“.

„Ein wirklich großer Fortschritt“

Senator Lindsey Graham, der im Kongress weitere Russlandsanktionen vorbereitet hatte, gab Trump nach dem Gipfel recht – sollte es am Ende ein Dreiertreffen geben, sei er „vorsichtig optimistisch“, dass es vor Weihnachten einen Frieden gebe. Wenn das nicht geschehe, werde Trump über „ernsthafte Konsequenzen“ für Russland nachdenken. Die hatte Trump schon zum Auslaufen einer Frist Anfang August angedroht, jedoch nicht wahr gemacht. Mehrere Demokraten warfen Trump vor, er habe einem „Mörder“ und internationalem Paria den roten Teppich ausgerollt.

Im Anschluss an den Gipfel informierte Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und die europäischen Partner über dessen Verlauf. Die Bundesregierung bemühte sich nach diesem Telefonat, den Ergebnissen von Alaska möglichst viel Positives abzugewinnen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach von einem „wirklich großen Fortschritt“ für einen Frieden in der Ukraine und verwies vor allem darauf, dass Trump Sicherheitsgarantien für die Ukraine zugesagt habe. Das sei eine gute Nachricht, sagte Merz dem ZDF. Der amerikanische Präsident habe nach dem Treffen in Alaska „sehr ausführlich dargelegt, wie intensiv er mit Putin über die Modalitäten eines Friedensabkommens gesprochen hat“.

Merz bekräftigte den europäischen Wunsch, „dass es erstmal einen Waffenstillstand gibt, dazu war die russische Seite offenbar nicht bereit“. Wenn es gelinge, ein Friedensabkommen zu erreichen, „ist das mehr wert als ein Waffenstillstand, der möglicherweise über Wochen andauert ohne weitere Fortschritte in den politisch-diplomatischen Bemühungen“, so der Kanzler. Aus seiner Sicht ist Trump in Alaska nicht von der gemeinsamen Linie abgewichen, über die zuvor beraten wurde. Es gebe keine territorialen Verhandlungen zwischen Trump und Putin über die Köpfe der Ukrainer und Europäer hinweg. „Das ist eine gute Nachricht“, so Merz. Die Europäer müssten eine Rolle spielen, dürften sich aber nicht überschätzen.

Doch blieb unklar, welche Botschaften genau Trump übermittelt hat. So soll er den europäischen Partnern und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj laut einem Bericht der New York Times gesagt haben, er unterstütze die Idee, zu einem Frieden zu kommen, indem man Russland noch nicht von dessen Truppen erobertes Gebiet im Donbass überlasse. Doch zeigte sich Trump offenbar auch erstmals zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine bereit. Solche Garantien waren allem Anschein nach auch Gegenstand des Gesprächs mit Putin in Alaska. Er stimme Trump darin zu, dass auch die Sicherheit der Ukraine gewährleistet werden müsse, sagte Putin dort auf der Pressekonferenz: „Natürlich sind wir bereit, daran zu arbeiten.“

Am Sonntag äußerte Trumps Sonderbeauftragter Steve Witkoff in einem Interview mit dem Sender CNN, man habe zum ersten Mal Zustimmung der Russen zu der Möglichkeit gehört, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben, die an Artikel 5 des NATO-Vertrags angelehnt sind. In diesem Artikel sagen sich die Mitglieder gegenseitigen Beistand für den Fall eines Angriffs zu. Eine Stellungnahme Moskaus zu dieser Aussage gab es zunächst nicht. Im Zuge der russisch-ukrainischen Verhandlungen in Istanbul 2022 hatte Russland gefordert, eine der Garantiemächte für die Sicherheit der Ukraine zu sein.

Details des Plans

Wie es nun weitergehen soll, soll an diesem Montag mit Selenskyj und europäischen Verbündeten in Washington ausgelotet werden. Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der finnische Präsident Alexander Stubb, NATO-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sollen bei dem Gespräch dabei sein. Laut Berichten mehrerer Medien strebt Trump einen Dreiergipfel mit Putin und Selenskyj schon für den kommenden Freitag an. Putins außenpolitischer Berater Jurij Uschakow sagte indes nach dem Gipfel, das Thema einer solchen Begegnung sei nicht angeschnitten worden.

F.A.Z.-Karte

In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigten Merz, Macron, Meloni, Starmer, Stubb, der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rates António Costa und Ursula von der Leyen am Sonntag ihre Bereitschaft, „eine aktive Rolle zu spielen“. Den ukrainischen Streitkräften und ihrer Zusammenarbeit mit Drittstaaten sollten keine Beschränkungen auferlegt werden. „Russland kann kein Veto gegen den Weg der Ukraine in die EU und die NATO einlegen“, heißt es in der Erklärung. Es sei Sache der Ukraine, Entscheidungen über ihr Territorium zu treffen. Internationale Grenzen dürften nicht mit Gewalt verändert werden. Solange das Töten in der Ukraine andauere, sei die Koalition der Willigen bereit, den Druck auf Russland aufrechtzuerhalten und Sanktionen und wirtschaftliche Maßnahmen weiter zu verschärfen, um Druck auf Russlands Kriegswirtschaft auszuüben, bis ein dauerhafter Friede erreicht sei.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf Quellen, die über die Gespräche der amerikanischen Regierung mit den Europäern und der Ukraine unterrichtet wurden, über Details des Plans, der in Alaska erörtert worden sein soll. Ein wesentlicher Teil eines solchen Friedensabkommen solle ein Gebietstausch sein: Danach solle die Ukraine den gesamten Donbass räumen und dafür die kleinen Landstücke zurück erhalten, die Russland derzeit in den Gebieten Sumy und Charkiw besetzt hält; die Front in den Gebieten Cherson und Saporischschja solle dann eingefroren werden.

Erste Berichte über einen solchen Vorschlag aus Russland hatte es bereits nach dem Besuch des amerikanischen Sondergesandten Steve Witkoff Anfang August gegeben. Von ukrainischer Seite wird das bisher kategorisch abgelehnt. Die Ukraine müsste ein Gebiet ihres Staatsgebietes räumen, das etwa 15 Mal so groß ist wie das, das ihr von den Besatzungstruppen im Gegenzug zurückgegeben würde. Zudem käme dadurch eine große Zahl ukrainischer Staatsbürger unter russische Herrschaft. Angesichts der brutalen Repressionen gegen Ukrainer in den schon russisch besetzten Gebieten ist das aus ukrainischer Sicht nicht hinnehmbar.

„Aufmarschgebiet für einen künftigen neuen Angriff“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj führte gegen die Aufgabe von Gebiet nicht nur den prinzipiellen Einwand an, dass er kein ukrainisches Staatsgebiet aufgeben könne: „Der Donbass ist für die Russen das Aufmarschgebiet für einen künftigen neuen Angriff“, sagte der ukrainische Präsident drei Tage vor dem Gipfel in Alaska. Russland schließt laut dem Bericht von Reuters zudem einen Waffenstillstand vor Abschluss einer endgültigen Friedensvereinbarung aus. Damit hätte es Moskau in der Hand, die Kämpfe so lange hinzuziehen wie es das wünscht, während es gleichzeitig Druck auf die Ukraine aufbauen könnte, sich auf Kompromisse einzulassen.

Außerdem stellt Moskau demnach eine Reihe seit langem öffentlich bekannter Forderungen, wie das Verbot eines NATO-Beitritts der Ukraine, die Anerkennung seiner Eroberungen und den Status einer offiziellen Sprache für das Russische. Außerdem verlangt der Kreml demnach, der Russischen Orthodoxen Kirche das Recht zu geben, in der Ukraine frei zu agieren. Die russische Kirche mit Patriarch Kirill an der Spitze hat den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu einem heiligen Kampf erklärt. Die Ukraine hat religiöse Organisationen mit Verbindungen nach Russland verboten.

In Russland war am Wochenende von der Möglichkeit eines baldigen Friedensvertrags nicht die Rede. In den russischen Medien wurde der Gipfel als Triumph für Putin gefeiert. Wie schon vor dem Treffen in Alaska wurde die bilaterale Bedeutung eines russisch-amerikanischen Gipfels betont. Natürlich sei in Alaska „vor allem über die Möglichkeit einer Lösung der ukrainischen Krise auf gerechter Grundlage“ gesprochen worden, sagte Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit ranghohen Staatsfunktionären nach seiner Rückkehr nach Moskau am Samstagabend. Doch habe man bei dem „äußerst nützlichen Treffen zur richtigen Zeit“ über „fast alle Richtungen unserer Zusammenarbeit“ gesprochen.

Die russische Delegation habe die Möglichkeit genutzt, über den Ursprung des Konflikts zu reden: „Und gerade die Beseitigung dieser Grundursachen muss die Grundlage einer Regulierung sein.“ Als Grundursachen bezeichnet die russische Führung unter anderem die Ost-Erweiterung der NATO seit den neunziger Jahren und die Westorientierung der Ukraine. Über die bisherige amerikanische Forderung nach einem Waffenstillstand sagte Putin, man respektiere sie: „Auch wir hätten das gerne und würden gerne zu einer Lösung aller Fragen mit friedlichen Mitteln übergehen.“ Vertreter der russischen Führung haben in der Vergangenheit immer wieder betont, Russland werde seine Ziele auf jeden Fall durchsetzen – entweder mit militärischen oder mit diplomatischen Mitteln. Schon am Samstag hatte der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates Dmitrij Medwedjew auf Telegram geschrieben, das Treffen in Moskau habe gezeigt, dass Gespräche bei gleichzeitiger Fortsetzung des Kriegs möglich seien.